Wettbewerbsrecht

OLG Karlsruhe: „mobiler Friseur“, der mit der Vereinbarung von Terminen wirbt, verstößt gegen § 1 II  HwO i.V.m. Nr. 38 Anl. A zur HwO und damit liegt ein Wettbewerbsverstoß wegen Vorliegens einer Marktverhaltensregelung nach § 3a UWG vor

So das Gericht in seinem Urteil vom 10. Januar 2024 (Az.: 6 U 28/23) in einem wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreit zwischen zwei im Friseurhandwerk tätigen Personen. Die beklagte Person hatte nur ein Reisegewerbe angemeldet für die angebotenen Dienstleistungen, warb aber mit der Möglichkeit der Vereinbarung von festem Termine auf einer Internetseite unter der Nutzung eines Online-Reservierungssystems. Darin sah auch das Gericht einen Verstoß gegen § 3a UWG und begründete dies in den Entscheidungsgründen des Urteils unter anderem wie folgt:

„…Die Vorschriften der Handwerksordnung sind, soweit sie eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der hergestellten Waren oder angebotenen Dienstleistungen gewährleisten sollen, Marktverhaltensregelungen im Sinn von § 3a UWG. Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinen vergleichbaren Verbotstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich eine vollständige Harmonisierung bezweckt, steht der Anwendung der nationalen Vorschriften im Streitfall nicht entgegen. Bei den hier in Rede stehenden §§ 1, 7 HwO handelt es sich um Bestimmungen, die einerseits einen Sicherheits- und – jedenfalls bei Gesundheitshandwerken (§ 1 Abs. 2 HwO i.V.m. Nr. 33 bis 37 Anl. A zur HwO) wie dem des Orthopädietechnikers oder Orthopädieschuhmachers – einen Gesundheitsbezug im Sinn von Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 und 3 RL 2005/29/EG aufweisen und andererseits auch berufsrechtliche Bestimmungen im Sinn von Art. 3 Abs. 8 RL 2005/29/EG darstellen (BGH, GRUR 2013, 1056 Rn. 15 – Meisterpräsenz; GRUR 2017, 194 Rn. 19 – Orthopädietechniker; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.143). Dementsprechend ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung etwa auch für das Handwerk des Kraftfahrzeugtechnikers die Anwendbarkeit von § 3a UWG bejaht worden (OLG Stuttgart, WRP 2021, 116, 118). Sie ist jedenfalls für das hier in Rede stehende Friseurhandwerk (§ 1 Abs. 2 HwO i.V.m. Nr. 38 Anl. A zur HwO) insbesondere deshalb gegeben, weil bei dessen Ausübung (namentlich unter Verwendung von Scheren und Messern in der Nähe des Körpers der Kunden) die damit einhergehenden Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit des Kunden beherrscht werden müssen. Im Übrigen sind die hier einschlägigen Regelungen (§ 1 HwO, § 55 GewO) gegenüber dem Handwerker, dem eine Reisegewerbekarte erteilt worden ist, eine einschränkende Berufsausübungsregelung, wonach dieser seinen Beruf so auszuüben hat, dass die Schwelle zum erlaubnispflichtigen stehenden Handwerk nicht überschritten wird (BVerfG, NVwZ 2001, 189)…

Die Beklagte hat mit ihrer Werbung dieser Marktverhaltensregelung zuwidergehandelt.

Sie besaß zum Zeitpunkt der Werbung einen Gewerbebetrieb im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 1 HwO, nämlich einen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, das handwerksmäßig betrieben wird und vollständig das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführte Handwerk der Friseure umfasst und unter keine der Ausnahmen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 HwO fällt. Die beanstandete Werbung war Teil des selbständigen Betriebs dieses Gewerbes durch die Beklagte. Ein solcher ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet, wenn er als stehendes Gewerbe erfolgt. Dagegen hat die Beklagte verstoßen, weil ihr Betrieb durch die beanstandete Werbung die Schwelle zum stehenden Gewerbe überschritten hat, dessen Betrieb ihr mangels Eintragung verwehrt ist…

Die Beklagte hat mit der beanstandeten Werbung in mehrfacher Hinsicht ihre werbende Tätigkeit dahin ausgeweitet, dass sie um die Initiative potentieller Kunden, nämlich die konkrete Kundennachfrage nach einem möglichen Friseurtermin, nachgesucht und somit für Leistungen eines stehenden Gewerbes geworben hat. Insoweit ist dem wesentlichen Kern der gewerberechtlichen Erwägungen des Thüringer Oberlandesgerichts (OLG Jena, GRUR-RR 2009, 434 f, dort zu Angaben zu Anschrift, Telefon- und E-Mail-Anschluss auf einem großen, für Leistungen des Bauhandwerks werbenden Baustellenwerbeschild) und der sie auf den Streitfall übertragenden Argumentation des Klägers und des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung zuzustimmen.

Besonders deutlich ist die Überschreitung der Reisegewerbetätigkeit in der Werbung der Beklagten, ihre Friseurdienstleistungen unter Einbeziehung eines Dienstleisters zur automatisierten Vergabe von Terminen anzufordern. Damit eröffnet sie Kunden die Möglichkeit einer vorhergehenden Bestellung im Sinn von § 55 Abs. 1 GewO, weil es im Fall einer solchen Terminbuchung der Kunde ist, der initiativ durch Kontaktaufnahme mit der Beklagten die Schwelle zum Eintritt in mindestens Vertragsverhandlungen über eine hinreichend bestimmte Leistung überwindet. Soweit die Berufung meint, auch insoweit komme der Kontakt mit dem Kunden über die Beklagte zustande, die ihn über das Internet bewerbe, ist dies keine hinreichende Initiative der Beklagten, um eine vorhergehende Bestellung im Sinn von § 55 GewO zu verneinen. Bei anderer Beurteilung würde der Unterschied des Reisegewerbes zum stehenden Gewerbe vollkommen nivelliert, weil jede öffentliche Werbung des Gewerbetreibenden für seine Leistungen dann genügen würde, um ein Reisegewerbe zu bejahen.

Dasselbe gilt zudem, soweit die Beklagte die Erbringung von Friseurdienstleistungen unter Angabe ihrer Telefonnummer bewirbt. Aus Sicht des angesprochenen Verkehrs ist die Angabe einer Telefonnummer im Zusammenhang mit dem Hinweis darauf, dass der Werbende Dienste des Friseurhandwerks erbringt, jedenfalls nach den Umständen der vorliegenden Werbung nicht anders zu verstehen, als dass die Adressaten der Werbung durch einen auf eigene Initiative zu tätigenden Anruf beim Werbenden zur Vereinbarung eines Friseurtermins oder zumindest zum Eintritt in Vertragsverhandlungen darüber aufgefordert werden sollen.

Entsprechend verhält es sich bei der Angabe einer E-Mail-Adresse im Rahmen der vorliegenden Bewerbung von Friseurdienstleistungen…“

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