LG Düsseldorf: Werbung für Heizöl mit Angabe als „CO2 Kompensiertes Heizöl“ ohne weitere Angaben, wie Kompensation umgesetzt wird, ist Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG

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So das Gericht in seinem Urteil vom 24. März 2023 (Az.: 38 O 92/22). Das Gericht sah den Verstoß gegen § 5a UWG, da in der konkreten Bewerbung gerade nicht die erforderlichen und damit wesentlichen Informationen bereitgestellt worden waren, damit der Verbraucher hier eine ordnungsgemäße Informationslage für seine Entscheidung erhält, einen Kauf zu tätigen.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Unter Berücksichtigung aller Umstände kommt Informationen zu Umfang und Realisierung der beworbenen Kompensation für die zu treffende geschäftliche Entscheidung ein erhebliches Gewicht zu und darf der Verbraucher berechtigterweise erwarten, sie von der Beklagten bereitgestellt zu erhalten.

(1) Das Gewicht der Informationen für die zu treffende geschäftliche Entscheidung ergibt sich bereits aus der Aufmachung des von der Beklagten vertriebenen Heizöls und der Art seiner Bewerbung in der angegriffenen Darstellung. Die Beklagte spricht mit der Benennung ihres Produkts als „thermoplus CO2 kompensiert“ bzw. als „CO2 kompensiertes Heizöl“ das Umweltbewusstsein potentieller Kunden an. In ihrer Bewerbung des Heizöls stellt sie die Kompensation als dessen besonderen Vorteil heraus. Jedenfalls für die mit der Darstellung von der Beklagten angesprochenen Kunden zählen schädliche Auswirkungen des Heizölverbrauchs auf die Umwelt und die Frage, ob und wie diesen entgegengewirkt werden kann, zu den Faktoren, die sie in ihre geschäftliche Entscheidung, ob sie sich dem Produkt der Beklagten zuwenden wollen, einbeziehen.

Unabhängig davon, dass die Frage der Umweltverträglichkeit des von der Beklagten angebotenen Heizöls durch die Art seiner Bewerbung in den Blickpunkt der Erwägungen potentieller Kunden gerückt worden ist, ergibt sich das Gewicht der Informationen zu der beworbenen Kompensation außerdem aus dem bei erheblichen Teilen vorhandenen, in der öffentlichen Wahrnehmung weiter an Bedeutung gewinnenden Umweltbewusstsein und seiner – auch mit der Ansprache emotionaler Bereiche im Menschen einhergehenden – Eignung, das Marktverhalten großer Teile der Verbraucher erheblich zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 – I ZR 219/87 – Umweltengel, NJW 1989, 711 [unter II 2 a]; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 10. November 2022 – 6 U 104/22, GRUR 2023 177 [unter II 5 b aa]).

(2) Aus der Verwendung der Werbeaussagen zur Kompensation und der von der Beklagten potentiellen Interessenten versprochenen „Möglichkeit, gegen einen Aufpreis von nur 1 Cent pro Liter [i]hren kompletten Heizölbedarf klimaneutral zu stellen“, folgt ferner die berechtigte Erwartung der Verbraucher, diejenigen Informationen bereitgestellt zu erhalten, die erforderlich sind, um die sachliche Rechtfertigung dieser Werbeaussage nachvollziehen und die Bedeutung der Tatsachen, die ihr zugrunde liegen, für die zu treffende geschäftliche Entscheidung einordnen zu können. Lenkt der Unternehmer – wie das die Beklagte getan hat – in seiner kommerziellen Kommunikation die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf bestimmte, seiner Sphäre zuzuordnende Umstände, von denen der Verbraucher typischerweise keine (nähere) Kenntnis hat, ist von dem Unternehmer zu erwarten, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Werbeaussage prüfen und ihre Bedeutung einschätzen zu können.

Das gilt auch und gerade dann, wenn umweltbezogene Begriffe verwendet werden. Solche Werbung ist angesichts vielfach unscharfer und mit unterschiedlichen Erwartungen und Vorstellungen verknüpfter Begrifflichkeiten sowie des verbreitet nur geringen sachlichen Wissensstandes des allgemeinen Publikums über naturwissenschaftliche Zusammenhänge und Wechselwirkungen mit einer erhöhten Irreführungsgefahr verbunden, was eine Beurteilung nach strengen Maßstäben und die Annahme weitgehender Aufklärungspflichten rechtfertigt, die dem Aufklärungsbedürfnis des angesprochenen Verkehrs über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe Rechnung tragen und deutlich sichtbar herausgestellte aufklärende Hinweise erfordern (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 – I ZR 219/87 – Umweltengel, NJW 1989, 711 [unter II 2 a]; Urteil vom 5. Dezember 1996 – I ZR 140/94 – umweltfreundliches Reinigungsmittel, GRUR 1997, 666 [unter II 2 b]; OLG Hamm, Urteil vom 19. August 2021 – 4 U 57/21, GRUR-RS 2021, 31137 [unter II 2 c jj (1)]; s.a. Abschnitt 4.1.1 und 4.1.1.2 bis 4.1.1.4 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt, Bekanntmachung der Kommission, ABl. 2021/C 526/01). Dieser Befund gilt im Grundsatz trotz der weiter gestiegenen Bedeutung des Umwelt- und Klimaschutzes in der öffentlichen Diskussion und der zunehmenden Herausbildung von Konturen für Begriffe wie „Klimaneutralität“ fort und rechtfertigt es demjenigen, der für sich oder seine Produkte eine bestimmte Umwelteigenschaft in Anspruch nimmt, eine Pflicht zur Aufklärung über grundlegende, diese Einordnung rechtfertigende Umstände aufzuerlegen (vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 10. November 2022 – 6 U 104/22, GRUR 2023 177 [unter II 5 b aa und II 5 b c]).

(3) Die vorgenommene Einordnung erscheint unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich des Kontextes der angegriffenen geschäftlichen Handlung angemessen. Einem Unternehmer, der – wie die Beklagte – von sich aus dem außenstehenden Publikum nicht (näher) bekannte Aspekte seines Wirtschaftens thematisiert, ist es billigerweise zuzumuten, dem angesprochenen Verkehr die zum Verständnis seiner Aussagen notwendigen Informationen bereitzustellen und sich nicht auf allgemeine und ungenaue Aussagen zu beschränken (vgl. speziell zu umweltbezogenen Aussagen Abschnitt 4.1.1.4 mit 4.1.1.3 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt, Bekanntmachung der Kommission, ABl. 2021/C 526/01).

Der Verweis der Beklagten auf die Kürze und Knappheit der Informationen, die der Verbraucher andernorts zu CO2 Kompensation finden kann, und den Umfang der Verifizierungsunterlagen für die unterstützten Klimaschutzprojekte steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass sich Verbraucher für Details vielfach nicht interessieren werden. Die Betrachtung darf aber nicht auf die Perspektive eines einzelnen Verbrauchers und die Frage verengt werden, ob und inwieweit dieser komplexere Sachverhalte selbst nachvollzieht. Das berechtigte Interesse des Verbrauchers, die für die Überprüfung von Werbeaussagen notwendigen Informationen bereit gestellt zu erhalten, ergibt sich nicht erst aus dem Umfang der tatsächlich von einzelnen Verbrauchern durchgeführten Überprüfung von Werbeaussagen, sondern aus der mit der Bereitstellung der Informationen geschaffenen Möglichkeit, auf die für eine informierte geschäftliche Entscheidung notwendigen Informationen zugreifen zu können, und aus der mit der bloßen Bereitstellung der Informationen einhergehenden Verminderung einer Irreführungsgefahr. Der durchschnittliche Verbraucher ist sich bewusst, komplexe Sachverhalte regelmäßig schon aus Zeitgründen nicht selbst im Einzelnen nachvollziehen zu können. Das mindert aber nicht sein Bedürfnis, die hierfür notwendigen Informationen bereit gestellt zu erhalten, zumal der Verbraucher erwartet, dass kommerzielle Kommunikation, die in der öffentlichen Wahrnehmung bedeutsame Themen zum Gegenstand hat, sich ihrerseits dem öffentlichen Diskurs stellen muss und dort kritisch von Personen, Organisationen oder Mitbewerbern hinterfragt wird, die hierfür über mehr Zeit und Sachverstand verfügen, als das bei einem einzelnen Verbraucher der Fall ist…“