Datenschutzrecht

OLG Dresden: vorsorgliche Überwachung zur Vorbeugung befürchteter Einbrüche eines Nachbarn in Wohnanlage datenschutzrechtlich unzulässig

So das Gericht mit Hinweisbeschluss vom 16. Mai 2023 (Az.: 4 U 2490/22), mit dem auf die Möglichkeit der Zurückweisung des eingelegten Rechtsmittels der Berufung hingewiesen wurde. Hintergrund des Rechtsstreits sind Ansprüche aus einer Videoüberwachung von Mietern einer Wohnanlage. Der beklagte Mieter hatte seine Terrasse videoüberwacht und dabei den Kläger aufgezeichnet. Dieser hatte erfolgreich in der ersten Instanz die Löschung der Videoaufnahmen erstritten. Auch das OLG Dresden sieht den Anspruch und begründet unter anderem in den Gründen des Beschlusses:

„…Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Löschung der Videoaufnahmen gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1, 823 Abs.2 BGB,. Art. 6 DS-GVO zu.

Die ohne Wissen des Klägers von ihm angefertigten Videoaufzeichnungen greifen in sein Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 176/09 – juris). Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob die Beklagte die Kamera so angebracht hat – wie sie behauptet -, dass der benachbarte private Garten und die Terrasse des Klägers nicht mit erfasst worden sind, sondern nur der ihr zur Nutzung zur Verfügung stehende Grundstücksanteil, denn unstreitig hat die Beklagte den Kläger in einem nicht gem. § 4 BDSG öffentlich zugänglichen Bereich aufgenommen. Unabhängig davon kann ein Unterlassungsanspruch auch dann bestehen, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft wegen des „Überwachungsdrucks“ befürchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 176/09 – juris). Im Verhältnis der Mieter einer Wohnanlage ist hiervon schon aufgrund der räumlichen Enge regelmäßig auszugehen…

Die Installation der Videokamera in Richtung des privaten Gartens und der Terrasse des Klägers stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes dar. Er muss stets damit rechnen, sich auf seinem Grundstück nicht frei bewegen zu können, weil jeder seiner Bewegungen und Handlungen dokumentiert und aufgezeichnet wird und er damit der stetigen Kontrolle durch die Beklagte ausgesetzt ist. Selbst wenn der Bereich des eigenen Gartens und der Terrasse nicht erfasst wird, sondern nur der benachbarte Grundstücksteil, der der Beklagten zur alleinigen Nutzung zugänglich ist, kann der Kläger nie sicher sein, ob er von der Kamera erfasst wird. Denn die Position der Kamera kann jederzeit auch ohne Kenntnis des Klägers verändert werden. Er muss sich daher unter ständiger Beobachtung fühlen. Dies ist nicht hinzunehmen.

Dagegen sind auf Seiten der Beklagten keine erheblichen Gründe ersichtlich, die eine Aufstellung der Kamera rechtfertigen würden. Damit die Abwägung zugunsten des Nutzers der Videokamera ausfallen kann, muss die Überwachung zur Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigungen erforderlich und die drohende Beeinträchtigung auf andere Weise nicht zu verhindern sein (vgl. Landgericht Essen, Urteil vom 30.01.2019 – 12 O 62/18 – juris). Der Beklagten kommt zwar grundsätzlich das verfassungsrechtlich garantierte Recht zu, geeignete Schutzmaßnahmen für ihr Eigentum oder ihre persönliche Unversehrtheit zu ergreifen. Dies darf aber nicht in unverhältnismäßiger Weise auf Kosten des Eingriffs in hochrangige Rechtsgüter Dritter erfolgen. Eine rein vorsorgliche Überwachung des Wohnungseigentums, die nicht an bereits begangene Taten anknüpft, ist unverhältnismäßig (vgl. hierzu Landgericht Essen, Urteil vom 30.01.2019 – 12 O 62/18 – Rn. 35 – juris).

Die Beklagte hat dargelegt, dass es zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Sie hat aber schon nicht substantiiert vorgetragen, welche konkreten Handlungen des Klägers vorgefallen sein sollen, die die Installation einer Videokamera rechtfertigen könnten. Die Behauptung, der Kläger habe sie schriftlich als „einfache Krankenschwester“ beleidigt, bedarf zur Dokumentation keiner Videoaufzeichnung. Die Behauptung, der Beklagte habe Strom aus einer Steckdose, die zum Zählerkreis der Wohnung der Beklagten gehöre, entnommen, ist unsubstantiiert. Es wird weder Tag, Zeitpunkt noch konkret vorgetragen, aus welcher Steckdose der Strom entnommen worden sein soll. Des Weiteren behauptet die Beklagte eine Körperverletzung des Zeugen D…… durch den Kläger. Auch hier wird nichts Konkretes zum dem Ereignis vorgetragen. Es ist nicht dargetan, wann und was genau sich ereignet haben soll oder weshalb eine Videoüberwachung des Gartens zur Verhinderung derartiger Straftaten beitragen könnte…“

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