Heilung eines Zustellungsmangels im einstweiligen Verfügungsverfahren – Mit einem solchen hatte sich das LG Hagen im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens im Wettbewerbsrecht zu beschäftigen. Aufgrund eines Widerspruchs sprach das Gericht am 16. März 2022 ein Urteil (Az.: 23 O 57/21).
Der Hintergrund, hier kurzzusammengefasst, war, dass nach Erlass einer einstweligen Verfügung der entsprechende Titel durch den Verfügungskläger dem Verfügungsbeklagten über einen Gerichtsvollzieher zugestellt wurde, dieser aber nicht die Vorgaben des Gerichts einhielt, die wie folgt waren (Auszug aus dem Tatbestand des Urteils):
„Sie werden darauf hingewiesen, dass die mit dem Antrag verbundene Entscheidung zur Zustellung an die gegnerische Partei zu benutzen ist und die Zustellung (und ggf. der Vollzug der einstweiligen Verfügung) der Partei selbst obliegt, §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO. Die mit dem Antrag verbundene Entscheidung ist zu diesem Zwecke zusammen mit der/den beglaubigten Abschrift(en) dem zuständigen Gerichtsvollzieher zu übergeben. Nach Durchführung der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher erhalten Sie die Entscheidung verbunden mit der Zustellungsurkunde zurück. Auf die Einhaltung der Fristen gemäß §§ 936, 929 Abs. 2, 3 ZPO wird besonders hingewiesen….“
Der Gerichtsvollzieher hat folgende Handlungen vorgenommen (Auszug aus dem Tatbestand des Urteils)::
„…Vielmehr ist am 28.12.2021 eine Abschrift des Beschlusses einschließlich der Antragsschrift an den Beklagten im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden, siehe im Einzelnen die Zustellurkunde der Gerichtsvollzieherin xxx, Bl. 112 d. A. Die Abschrift nebst Antragsschrift war nicht geheftet oder mit Faden verbunden, sondern nur durch einen Schnellhefterstreifen gehalten. Am Schluss der Beschlussverfügung sowie auf der letzten Seite der Antragsschrift findet sich der Stempel „beglaubigt und zugestellt am: (xxx) Gerichtsvollzieherin (b)“. Die Worte „und zugestellt am“ sind gestrichen worden. Der Stempel ist von der Gerichtsvollzieherin, die inzwischen Obergerichtsvollzieherin ist, unterschrieben.
Im Eingangstext der Zustellungsurkunde vom 28.12.2021 hat die Gerichtsvollzieherin es unterlassen zu streichen, was nicht zugestellt worden ist. Der Text lautet „Beglaubigte Abschrift, Ausfertigung, Urschrift des hiermit verbundenen Schriftstücks, und zwar B. v. 16.12.2021, Hagen, Az: 23 O 57/21 nebst Anl. habe ich heute […] in einen zu der Wohnung u. dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt. Das Datum der Zustellung habe ich auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerkt.“
Zudem wurde den Rechtsanwälten des Verfügungsbeklagten eine Abschrift der Beschlussverfügung nebst einfacher Abschrift der Antragsschrift per beA übermittelt.
Der Verfügungsbeklagten wandte sich gegen die einstweilige Verfügung per Widerspruch mit der Begründung der Nichteinhaltung der Vollziehungsfrist durch den Verfügungskläger.
Heilung eines Zustellungsmangels im einstweiligen Verfügungsverfahren – Ansicht des Gerichts im Streitfall
Das LG Hagen wies den Widerspruch zurück und nahm eine Heilung etwaiger Zustellungsmängel nach § 189 ZPO an. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Dass die hierdurch eröffnete Erweiterung der Ersatzzustellung gem. § 189 ZPO den Authentizitätsnachweis erschwert, ist ein der Heilung innewohnendes Risiko. Selbst bei einer beglaubigten Abschrift kann der Empfänger nicht verlässlich feststellen, dass ihn genau das Dokument erreicht, welches dem Vollziehenden zugestellt wurde. Es liegt in der Natur der Heilung, dass sie – sofern ihre Voraussetzungen nachgewiesen werden können, bestimmte Formalitäten entbehrlich macht (vgl. Häublein/Müller, in: MüKo, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 189 Rn. 18).
Der Mangel der Zustellung wäre danach in beiden Fällen der Zustellung durch tatsächlichen Erhalt der Beschlussverfügung in schriftlicher Form geheilt, sei es durch Erhalt der fehlerhaft beglaubigten Abschrift am 28.12.2021 durch den Verfügungsbeklagten oder sei es in Form des beA-Schriftsatzes bereits am 23.12.2021 durch den Prozessbevollmächtigten (vgl. BGH, GRUR 2020, 776, 777 Rn. 22 – 26).
Der Heilung gem. § 189 ZPO steht nicht, wie der Verfügungsbeklagte meint, entgegen, dass den Prozessbevollmächtigten die Beschlussverfügung nur zur Kenntnisnahme übermittelt worden ist. Nur in Fällen, in denen nicht einmal eine Zustellung angestrebt war, scheidet eine Heilung gem. § 189 ZPO aus. Ihren Zustell- und Vollziehungswillen hat die Verfügungsklägerin aber eindeutig durch Übergabe einer Ausfertigung oder jedenfalls einer Abschrift an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle mit Schreiben vom 22.12.2021 kundgetan und dies auch den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten bei Übermittlung der Beschlussverfügung zur Kenntnisnahme mitgeteilt. Es bestand also bei Erhalt des beA-Schriftsatzes kein Zweifel am Vollziehungswillen der Verfügungsklägerin.
Entscheidend für beide ist, dass die Beschlussverfügung erkennbar mit Vollziehungswillen abgegeben worden sind.
Schließlich hat der Verfügungsbeklagte sich durch Erhebung des Widerspruchs innerhalb der Vollziehungsfrist hinreichend seinen Annahmewillen zum Ausdruck gebracht….“