Urheberrechtschutz für Onlinerechner – Mit dieser Frage hatte sich das OLG Köln im Rahmen eines Klageverfahrens zu einem geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu beschäftigten. In dem Urteil vom 29. April 2022 (Az.: 6 U 243/18) nimmt der Senat zu der Frage der Urheberrechtsschutzfähigkeit umfangreich Stellung und sprach dann auch Schadensersatz in einem gewissen Umfang zu sowie geltend gemachte Abmahnkosten.
Urheberrechtschutz für Onlinerechner – Ansicht des Gerichts
Das Gericht nimmt zunächst zur Frage der Schutzfähigkeit Stellung und führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Bei den 120 E-Rechnern handelt es sich um Computerprogramme, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69a UrhG Urheberrechtsschutz genießen können. Die Rechner bestehen jeweils aus einem in der Programmiersprache E geschriebenen Text, der eine Folge von Steuerbefehlen beinhaltet, und einer über HTML erstellten Benutzeroberfläche. Jedenfalls die E-Texte sind Computerprogramme i.S.d. § 69a Abs. 1 UrhG. Bei allen Rechnern erfolgt über die Skripte die Eingabe von Daten, deren Bearbeitung und die entsprechende Ausgabe von Daten. Sie erfüllen damit die Voraussetzungen an ein Computerprogramm (in Abgrenzung zur sonstigen Software, vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhR, 5. Aufl., § 69a Rn. 3). Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die über HTML erstellten Benutzeroberflächen als solche ebenfalls Computerprogramme i.S.d. §§ 69a ff. UrhG sind, kann dahinstehen. Sie ist nicht entscheidungserheblich….“
Urheberrechtschutz für Onlinerechner – Prüfung der Rechtsverletzung im Streitfall
Dann äußert sich das Gericht im Streitfall zu der Frage, ob eine Verletzung des Urheberrechts vorliegt. Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Gemäß § 69a Abs. 3 UrhG werden Computerprogramme geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden. § 69a UrhG gewährt damit Schutz nach den Grundsätzen der sog. kleinen Münze; eine besondere Schöpfungs- bzw. Gestaltungshöhe ist – wie sich aus dem Verbot qualitativer Kriterien ergibt – gerade nicht erforderlich (abweichend von der früheren Rechtsprechung des BGH [z.B. GRUR 1985, 1041 – Inkasso-Programm]).
Darlegungs- und beweisbelastet für die erforderliche Schöpfungshöhe ist der Kläger, auch wenn an die Werkqualität nur geringe Anforderung zu stellen sind und der Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen die Regel ist. …
Die Ausführungen des Klägers zu den einzelnen – ersichtlich einfachen – Rechnern genügen der relativen geringen Darlegungslast. Der Kläger hat hinreichende Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Werkqualität dargetan. Für jeden Rechner hätte bezüglich der vorgetragenen Besonderheiten die Individualität der dahinterstehenden Programmierleitung geprüft werden können. Einfluss auf die Beweislast hat das Vorbringen des Klägers nicht. Darauf, dass bei Programmen von nicht unerheblichem Umfang der Beweis des ersten Anscheins für die Schutzfähigkeit sprechen mag (s. Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69a Rn. 29), kann sich der Kläger nicht berufen. Die Voraussetzungen für eine solche tatsächliche Vermutung liegen hier nicht vor. Dass die Rechner tatsächlich auf umfangreichen Programmen beruhen, ist weder vom Kläger nachvollziehbar dargetan noch sonst ersichtlich. Nach der Aktenlage handelt es sich vielmehr um kurze Codes.
Ob die jeweiligen Programme nicht nur völlig banal, sondern zumindest als „kleine Münze“ geschützt sind, richtet sich nach der jeweiligen technischen Umsetzung der durch die jeweilige Idee vorgegebenen Aufgabe. Durch das Urheberrecht nicht geschützt ist, was sich aus der Natur der Aufgabe und aus rein funktionalen Erwägungen ergibt (Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69a Rn. 27; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhR, 5. Aufl., § 69a Rn. 35 ff.).
Ohne fachkundige Hilfe kann eine eigene geistige Schöpfung des Klägers bzw. eine individuelle Programmierungsleistung nur bezüglich der Programmierung eines „funktionslosen“ Eingabeknopfs festgestellt werden. Darüber hinaus bleibt für den Senat unklar, ob die Konzeption der Computerprogramme Eigentümlichkeiten aufweisen, die nicht nur trivial oder völlig banal und von der Sachlogik her vorgegeben sind. Dies gilt auch für die vom Kläger angeführte „Fehlererkennung nicht gerundeter Daten“. Bei einem Taschenrechner, der lediglich das Ergebnis in besonderer Weise ausgibt, oder bei Rechnern, die schlichte Umrechnungen vornehmen, sprechen die äußeren Umstände dafür, dass bei der Programmierung auf banale, allgemein bekannte Routinen zurückgegriffen worden ist. Die Idee der Ausgabe des Rechenergebnisses z.B. als Zahlwort ist ebenso wenig urheberrechtsschutzfähig, wie z.B. die Wahl und Zusammensetzung der verschiedenen Variablen/Werte für die Umrechnungs-Rechner oder die Auswahlentscheidung betreffend den Inhalt der Rechner auf dem Gebiet der Wirtschaftsmathematik.
Als individuelle Programmierleistung kann dagegen die Berechnen-Knopf-Attrappe bewertet werden, die nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers in insgesamt 31 Rechnern (Nrn. 14, 16-30, 32-39, 41-44, 126, 130, 133) vorkommt. Der Knopf ist ohne Funktion. Er hat den Sinn, dass durch Klick auf ihn das Feld, in dem vorher die Eingabe erfolgte, verlassen und das assoziierte onchange-Ereignis ausgelöst wird. Das onchange wird je nach geändertem Feld unterschiedlich ausgelöst und merkt sich, welcher Wert als Berechnungsgrundlage heranzuziehen ist, wohingegen die Knopf-Attrappe dem Benutzer ermöglicht, den Rechner intuitiv zu verwenden. Die Berechnung würde auch durch einen Klick auf eine beliebige Stelle außerhalb des entsprechenden Eingabefeldes ausgelöst. Die Programmierung einer für die Lösung der jeweiligen Berechnungs-Aufgabe nicht erforderlichen Ergänzung, allein zur Verbesserung der intuitiven Bedienung der Rechner, geht über die rein sachbedingten Vorgaben hinaus. Dass der Eingabeknopf tatsächlich funktionslos ist, war in erster Instanz unstreitig. Hiervon ist auch im Berufungsverfahren weiter auszugehen. Der Beklagte hat den Vortrag des Klägers zwar nunmehr mit Nichtwissen bestritten, da er die Rechner des Klägers jedoch kopiert und selbst verwendet hat, ist sein Bestreiten unzulässig. Er hätte sich zur Funktion des Eingabeknopfes konkret erklären können….“