So das Gericht in seinem Urteil vom 4. Dezember 2025 (Az.: C-580/23), dem unter anderem ein Vorabentscheidungsersuchen des BGH bezogen auf die Schutzfähigkeit von Designer-Möbeln in einem Urheberrechtsstreit vorausging. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen in den Rn.62-68 unter anderem aus:
„…Wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind bei dieser Beurteilung die Besonderheiten der betreffenden Werkart zu berücksichtigen. Werke der angewandten Kunst unterscheiden sich nämlich dadurch von anderen Werkkategorien, dass sie in erster Linie Gebrauchsgegenstände sind. Solche Gegenstände sind das Ergebnis des handwerklichen Könnens und der Entscheidungen ihrer Schöpfer, die durch technische, ergonomische oder sicherheitsbezogene Zwänge vorgegeben sein oder sich aus den Standards oder Konventionen der betreffenden Branche ergeben können.
Der Gerichtshof hat insoweit präzisiert, dass ein Gegenstand, der der Voraussetzung der Originalität genügt, auch dann urheberrechtlich geschützt sein kann, wenn seine Schaffung durch technische Erwägungen bestimmt wurde, sofern dies seinen Urheber nicht daran gehindert hat, seine Persönlichkeit in diesem Gegenstand widerzuspiegeln, indem er freie und kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2020, Brompton Bicycle, C‑833/18, EU:C:2020:461, Rn. 26).
Nach der Rechtsprechung kann nämlich das Kriterium der Originalität nicht von den Komponenten eines Gegenstands erfüllt werden, die nur von ihrer technischen Funktion gekennzeichnet sind, da sich der Urheberrechtsschutz nicht auf Ideen erstreckt. Ist der Ausdruck dieser Komponenten durch ihre technische Funktion vorgegeben, sind die verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung einer Idee so beschränkt, dass Idee und Ausdruck zusammenfallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2020, Brompton Bicycle, C‑833/18, EU:C:2020:461, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich darf im Urheberrecht die Kreativität der Entscheidungen des Urhebers eines Gegenstands nicht vermutet werden. Das mit der Frage der Originalität eines Gebrauchsgegenstands befasste Gericht hat die kreativen Entscheidungen somit in der Form dieses Gegenstands zu suchen und zu identifizieren, um den Gegenstand für urheberrechtlich geschützt erklären zu können, da, selbst wenn der Urheber des Gegenstands Entscheidungen getroffen hat, die nicht durch technische oder andere Zwänge vorgegeben sind, die Kreativität dieser Entscheidungen im Sinne des Urheberrechts nicht vermutet werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2020, Brompton Bicycle, C‑833/18, EU:C:2020:461, Rn. 32).
Was die Teile eines Gebrauchsgegenstands angeht, so unterliegen diese denselben Regelungen wie der gesamte Gegenstand. Die Teile eines Werks sind somit unter der Voraussetzung, dass sie bestimmte Elemente enthalten, die der eigenständige Ausdruck des Urhebers dieses Werks sind und die als solche an der Originalität des Gesamtwerks teilhaben, nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 geschützt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq International, C‑5/08, EU:C:2009:465, Rn. 38 und 39).
Zudem trifft es zwar zu, dass künstlerische oder ästhetische Erwägungen Teil der schöpferischen Tätigkeit sind, doch ermöglicht der Umstand, dass ein Modell eine solche Wirkung hat, für sich genommen nicht die Feststellung, ob es sich bei diesem Modell um eine geistige Schöpfung handelt, die die Entscheidungsfreiheit und die Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelt und somit dem Erfordernis der Originalität genügt (Urteil vom 12. September 2019, Cofemel, C‑683/17, EU:C:2019:721, Rn. 54).
Folglich kann der Umstand, dass ein Modell über seinen Gebrauchszweck hinaus einen eigenen, ästhetisch oder künstlerisch markanten visuellen Effekt hervorruft, als solcher nicht rechtfertigen, das Modell als „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 einzustufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2019, Cofemel, C‑683/17, EU:C:2019:721, Rn. 55)…“
