Unter anderem dies hat das Gericht in seinem Hinweisbeschluss vom 19. Februar 2024 (Az.: 3 U 2291/23) in einem Berufungsverfahren rund um die Nutzung von Kartenausschnitten geäußert. Im Jahr 2021 war nach einer urheberrechtlichen Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben worden. Es wurde im hiesigen Gerichtsverfahren Vertragsstrafen in Höhe von zwei Mal 4.500 EUR geltend gemacht und zwar aus dem Grund, dass die in der strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung enthaltenen Kartenausschnitte in zwei Fällen noch abrufbar waren und zwar über eine direkte Verlinkung, archive.org oder die Suche über die Internetsuchmaschine Bing.
Darin sah das Gericht jedoch keine, dem Unterlassungsschuldner zurechenbaren schuldhaften Verstoß gegen strafbewehrte Unterlassungs-und Verpflichtungserklärung. Das Gericht führt unter anderem in Gründen des Hinweisbeschlusses zu den noch vorhandenen Darstellungen im Internet-Archiv archive.org aus:
„…a) Es fehlt zum einen an den – auch für eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag – erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe in seiner besonderen Erscheinungsform des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung.
aa) Im Streitfall kann bereits deshalb kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG angenommen werden, weil die Beklagte auf dem Internetarchiv „w…“ nicht die Kontrolle über die Bereithaltung der Kartenausschnitte ausübt und sich diese daher nicht in ihrer Zugriffssphäre befinden (vgl. BGH GRUR 2019, 950 Rn. 44 – Testversion).
bb) Darüber hinaus fehlt es an den Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 2 UrhG, da die Beklagte über die „w…“ nicht absichtlich und gezielt Dritten einen Zugang zu den Kartenausschnitten verschafft und auch Umstände, die im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung von Bedeutung sind, gegen eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag sprechen.
In diesem Zusammenhang ist der Zweck der „w…” – eine Internetbibliothek mit dem Ziel zu schaffen, Forschern, Historikern, Wissenschaftlern und allen weiteren Interessierten einen permanenten Zugang insbesondere zu nicht mehr vorhandenen Webseiten zu bieten (Hoeren, MMR 2006, V) – zu berücksichtigen. So wie die fortdauernde Auffindbarkeit einer früheren, mittlerweile zu unterlassenden Werbung in der „w…“ mangels Marktbezugs keine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt, da die Auffindbarkeit darüber kein denkbarer Kanal zur Absatzförderung ist (LG Karlsruhe GRUR-RS 2023, 2296), liegt kein urheberrechtlich relevantes Verschaffen eines Zugangs zum geschützten Werk vor, da dem durchschnittlichen Internetnutzer bekannt ist, dass es sich bei den von der „w…“ vorgehaltenen Seiten um eine frühere Fassung des Internetauftritts handelt (vgl. zum Speichern im Cache der Suchmaschine Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 19a Rn. 6a). Die Beklagte verschafft somit nicht Dritten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens Zugang zu den Kartenausschnitten.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die „w…“ nicht von üblichen Internet-Suchmaschinen durchsucht werden kann. Vielmehr muss der Internetnutzer gezielt das Internetarchiv aufrufen und dort – da das Archiv keine eigene Suchfunktion aufweist – gezielt nach Inhalten suchen.
Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe eine wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände erforderlich macht. Daraus folgt für den Streitfall, dass in die Auslegung des Unterlassungsvertrags eingestellt werden kann, dass die Beklagte keine zentrale Rolle einnahm, um Nutzern über die „w…“ Zugang zu den Kartenausschnitten zu verschaffen, dass die (ursprüngliche) Veröffentlichung der Notfalltreffpunkte im Gemeindegebiet nicht Erwerbszwecken diente, sowie dass bei einer „Wiedergabe“ über die „w…“ nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine aufnahmebereite Öffentlichkeit für die Kartenausschnitte selbst besteht.
b) Zum anderen fehlt es an der Darlegung der Verletzung von Handlungspflichten zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands.
So ist weder dargetan noch ersichtlich, dass eine Abrufbarkeit über die „w…“ der Beklagten (wirtschaftlich) zugutekommt, was aber Voraussetzung für eine Einwirkungspflicht auf Dritte ist.
Außerdem trägt die Beklagte vor, dass sie gegenüber den Betreibern des Internetarchivs entsprechende Löschungsanträge gestellt habe. Damit hätte sie ihren – unterstellten – Handlungspflichten zur Beseitigung des Störungszustandes genügt. Einen Erfolg des Bemühens der Einwirkung auf Dritte schuldet der Unterlassungsschuldner nicht (vgl. BGH GRUR 2018, 292 Rn. 33 – Produkte zur Wundversorgung)…“
Hinweis des Autors:
Ob die Berufung zurückgenommen wurde, ist dem Autor am Tag der Erstellung dieses Beitrages nicht bekannt.