Datenschutzrecht

OLG Köln: kein Anspruch auf Schadensersatz nach Art.82 DSGVO bei Scraping von personenbezogenen Daten aus Sozialem Netzwerk

Dies gilt insbesondere dann, wenn der Anspruch nicht ausreichend dargelegt worden ist. So das Gericht in seinem Urteil vom 7. Dezember 2023 (Az.: 15 U 33/23). Zuvor hatten bereits das OLG Hamm und das OLG Stuttgart entsprechend entschieden. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Bei den vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen handelt es sich um psychische Folgen des Datenschutzverstoßes der Beklagten, die als solche nur von ihm selbst wahrgenommen werden können. Um daraus einen Schaden ableiten zu können, also einen Nachteil des Betroffenen, der im Sinne von Erwägungsgrund 146 konkret „erlitten“ wurde (vgl. EuGH, Urt. v. 4.5.2023 – C-300/21, NJW 2023, 1930 Rn. 58) und damit über die reine Behauptung des entsprechenden Gefühls hinausgeht, muss der Kläger konkrete Indizien vortragen und unter Beweis stellen, die eine solche psychische Beeinträchtigung seiner Person stützen können (vgl. dazu auch die Schlussanträge im Verfahren C-340/21, GRUR-RS 2023, 8707, wonach die Objektivierung einer nachweisbaren Beeinträchtigung der physischen und psychischen Sphäre oder des Beziehungslebens einer Person entscheidend ist). Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm im Urteil vom 15.8.2023 (7 U 19/23, juris Rn. 163 ff.; ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 22.11.2023 – 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883, Rn. 124), wonach für die vom Kläger behaupteten immateriellen Schäden in Form von Angst, Sorge und Unwohlsein jedenfalls auch objektive Beweisanzeichen vorhanden sein müssen, da andernfalls die bloße Bekundung des Betroffenen, einen immateriellen Schaden in Form belastender Gefühle erlitten zu haben, für einen Ersatzanspruch ausreichen würde. Dies bedeutet auch gerade nicht, dass damit doch wieder eine wie auch immer gelagerte Erheblichkeitsschwelle im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 DSGVO implementiert würde, sondern allein, dass wegen der Natur des auf Schadenskompensation gerichteten Ersatzanspruchs eine objektivierbare immaterielle Beeinträchtigung feststellbar sein muss.

Wie mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert, handelt es sich bei der hier betroffenen Telefonnummer des Klägers um ein personenbezogenes Datum, welches jedenfalls nicht per se als „sensibel“ einzustufen oder seiner Natur nach auf Geheimhaltung angelegt ist, wie dies beispielsweise bei Gesundheits- oder Bankdaten der Fall sein kann, aber nicht auf die Fälle des Art. 9 DSGVO beschränkt sein muss. Mag bei einer Veröffentlichung solcher Daten bereits deren sensibler Charakter im Einzelfall im Rahmen des § 286 Abs. 1 ZPO indiziell dafür sprechen können, dass der Kontrollverlust darüber dem Betroffenen tatsächlich Angst, Sorge oder Unwohlsein bereitet, so ist dies bei einer Telefonnummer – einem personenbezogenen Datum, welches üblicherweise im Alltag der Kommunikation mit anderen Personen im privaten und beruflichen Bereich zu dienen bestimmt ist – gerade so nicht der Fall. Insofern wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, konkret in seiner Person liegende Umstände vorzutragen, die einen Rückschluss darauf zulassen, dass er durch die Veröffentlichung seiner Telefonnummer im sog. Darknet tatsächlich Angst, Ärger oder Unwohlsein erlitten hat.

Dies hat er jedoch nicht getan, sondern vielmehr lediglich mit Textbausteinen, die seine Prozessbevollmächtigten in einer Vielzahl von beim Senat anhängigen Verfahren in identischer Form verwendet haben, pauschal behauptet, „die Klägerseite“ sei nach Kenntnis der Veröffentlichung ihrer Telefonnummer „in einem Zustand großen Unwohlseins und großer Sorge über möglichen Missbrauch ihrer sie betreffender Daten“ verblieben. Wenn auch ein Sachvortrag bereits dann schlüssig und ausreichend substantiiert ist, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2023 – V ZR 270/21, juris), so wird allerdings dieser textbausteinmäßige Vortrag diesen Anforderungen nicht gerecht. Auch auf entsprechenden Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414) haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers keine näheren Ausführungen dazu gemacht, welche konkreten Gefühle der Kläger in Reaktion auf den Datenschutzvorfall bei der Beklagten gehabt hat, wie sich diese Gefühle bei ihm gezeigt haben bzw. welches konkrete Verhalten des Klägers nach Kenntniserlangung von dem Scraping-Vorfall eindeutige Schlussfolgerungen auf vom Kläger empfundene negative Gefühle oder psychische Beeinträchtigungen erlaubt. Aus dem sonstigen Akteninhalt sind solche objektiven Beweisanzeichen ebenfalls nicht ersichtlich, denn unstreitig hat der Kläger seinen Account auf der Plattform der Beklagten bis zuletzt weder gekündigt noch die Suchbarkeitseinstellungen seines Profils geändert. Auch seine Telefonnummer hat er unverändert beibehalten. Mangels hinreichend konkreten Klägervorbringens bestand keine Veranlassung zur persönlichen Anhörung des Klägers, da dies auf eine Ausforschung hinausgelaufen wäre.

(d)              Daneben hat der Kläger auch zu vermeintlichen immateriellen Schäden, die er in Form einer Belästigung mit Spam-SMS bzw. Spam-Anrufen erlitten haben will, nicht substantiiert vorgetragen. Denn auch in diesem Zusammenhang finden sich in den Schriftsätzen außer dem erneut nur pauschalen Vorbringen in Form der universell einsetzbaren Textbausteine („Darüber hinaus erhält die Klägerseite seit dem Vorfall unregelmäßig unbekannte Kontaktversuche via SMS und E-Mail“, vgl. Bl. 24 d.A. bzw. „Seit April 2021 erhält die Klägerseite vermehrt dubiose Nachrichten und E-Mails der oben beschriebenen Art“, vgl. Bl. 42 d.A.) keine konkreten Angaben des Klägers dazu, in welchem Umfang er vor dem streitgegenständlichen Scraping-Vorfall bereits Spam-SMS oder Spam-Anrufe erhalten hat und in welchem Maße sich dies im nachfolgenden Zeitraum dann geändert hat. Der einzige konkrete Vortrag des Klägers in diesem Zusammenhang beschränkt sich auf die mit Schriftsatz vom 8.11.2023 als Anlage K 6 vorgelegten zwei Screenshots, aus denen sich zwei Anrufe unbekannter Nummern mit mutmaßlich verdächtigen Links am 6.10.2021 ergeben. Das von ihm pauschal behauptete „vermehrte“ Auftreten „dubioser Nachrichten“ ab April 2021 ist damit nicht dargelegt; ebensowenig trägt der verwendete Textbaustein den Umständen des konkreten Einzelfalles Rechnung, da die E-Mail-Adresse des Klägers unstreitig nicht im gescrapten Datensatz enthalten war und daher das streitgegenständliche Scraping schon aus diesem Grunde nicht – wie aber textbausteinmäßig vorgetragen – zu „Kontaktversuchen via …E-Mail“ bzw. „dubiosen … E-Mails“ hat führen können.

(e)              Einen immateriellen Schaden hat der Kläger auch nicht insoweit substantiiert dargelegt, als er Zeit und Mühe für eine Auseinandersetzung mit dem Scraping-Vorfall bzw. für Maßnahmen zum Schutz vor künftigem Missbrauch seiner Daten aufgewendet haben will.

Der Kläger hat in diesem Zusammenhang weder vorgetragen, wie und wann er sich – in welcher Form – überhaupt näher mit dem Scraping-Vorfall auseinandergesetzt hat noch hat er dargetan, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen hat, um sich vor künftigem Missbrauch seiner Daten zu schützen. Vielmehr beschränkt sich sein Vortrag auch in diesem Fall auf Textbausteine, die seine Prozessbevollmächtigten in einer Vielzahl von beim Senat anhängigen Verfahren in identischer Form verwendet haben (vgl. Bl. 44, 317, 370 d.A., Bl. 222 SH). Dies reicht nicht aus, um einen konkret dem Kläger entstandenen Schaden darzulegen. Die prozessuale Unzulänglichkeit dieser pauschalen Verwendung der immer gleichen Textbausteine ohne Bezug zum konkreten Einzelfall zeigt sich vorliegend unter anderem auch daran, dass im Schriftsatz vom 13.1.2023 (Bl. 895 d.A.) vorgetragen wird: „Die Klägerseite hat auch zusätzlich Zeit und Mühe aufgewendet, um sich vor drohendem (weiteren) Missbrauch zu schützen. Auch dies hat die Klägerseite in der Verhandlung bestätigt“, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht weder Angaben zur Sache gemacht hat noch überhaupt anwesend war…“

Hinweis des Autors:

1.

Am gleichen Tag ergingen weitere Entscheidungen des OLG Köln (Az.: 15 U 67/23, Az.: 15 U 99/23 und Az.: 15 U 108/23).

2.

Am 14. Dezember 2023 hat der EuGH angenommen, dass auch subjektive, immaterielle, Schäden grds. geeignet sind, einen Schaden nach Art. 82 DSGVO zu begründen. Es bleibt daher abzuwarten, wie die deutschen Gerichte diese Vorgaben des EuGH umsetzen werden.

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