Wettbewerbsrecht

LG Nürnberg-Fürth: Möbelhauswerbung mit der Angabe „39% in ALLEN Abteilungen“

Möbelhauswerbung mit der Angabe „39% in ALLEN Abteilungen“ – Dies kann je nach genauer Ausgestaltung wettbewerbsrechtlich irreführend nach § 5 UWG sein. So entschieden im Fall einer durch das LG Nürnberg-Fürth zu bewertenden Werbung eines Möbelhauses.

Dieses hatte mit der Angabe beworben. Es stellt sich dann aber heraus, dass Einschränkungen dieser Bewerbung vorlagen, die auch im Rahmen der Werbung aufgenommen waren, aber nicht klar und deutlich erkennbar waren.

Das Gericht sah in seinem Endurteil vom 24. Mai 2022 (Az.: 3 HK O 8003/21) eine Irreführung.

Möbelhauswerbung mit der Angabe „39% in ALLEN Abteilungen“ – Irreführung

Das Gericht begründet in den Entscheidungsgründen wie folgt:

„…Die verwendete Werbeaussage „39% in ALLEN Abteilungen – Tische & Stühle – Betten – Sofas – Küchen – Reduzierte Waren – Grosse Marken – … – Haushalt – Teppiche – Lampen – Deko – Gardinen“ ist unrichtig und irreführend, da der Rabatt von 39% nicht auf alle von der Beklagten angebotenen Artikel der aufgeführten Warengruppen gewährt wurde. Die Werbung enthielt somit unwahre Angaben und war geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils hinsichtlich aller Artikel zu täuschen.

Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Werbung der Beklagten dahingehend, dass von dieser ein Rabatt von 39% auf das gesamte Sortiment in allen Abteilungen gewährt wird (OLG Bamberg Beschl. vom 12.02.2021, Az. 3 U 293/20, K 6; entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Beschluss aufgrund des dem Grundsatz nach identischen Rabattversprechens auf den streitgegenständlichen Fall anwendbar). Diese Aussage ist unzutreffend – tatsächlich ist nicht das gesamte Sortiment in allen ausdrücklich aufgezählten Abteilungen, nämlich den Abteilungen Tische & Stühle, Betten, Sofas, Küchen, Haushalt, Teppiche, Lampen, Deko und Gardinen, von der 39%-Rabattaktion umfasst, sondern zahlreiche Waren und ganze Produktpalettten bestimmter Hersteller sind – wie sich aus dem Kleingedruckten am unteren Ende der Seite ergibt – von der Preisreduzierung ausgenommen.

Gänzlich irreführend ist auch die Ankündigung „39% in ALLEN Abteilungen … Reduzierte Waren ..“; entgegen diesem Rabattversprechen waren „anderweitig reduzierte Produkte“, als „Tiefpreis“ oder „Aus unserer Werbung“ gekennzeichnete Artikel von der Rabattaktion ausgenommen.

Bei den angesprochenen Verkehrskreisen wird durch die Werbung eine Fehlvorstellung über den Umfang der Rabattaktion und die sachliche Reichweite der Preisherabsetzungswerbung ausgelöst.

Eine hinreichend klare und eindeutige Richtigstellung der Werbung fehlt. Es ist bereits fraglich, ob eine Blickfangwerbung wie die streitgegenständliche, bei der im Rahmen einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind, auf die die Aufmerksamkeit des Publikums in besonderem Maß gelenkt werden soll (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG, § 5 Rn. 1.85), überhaupt einer Richtigstellung durch Fußnoten zugänglich sein kann. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dies unter strengen Voraussetzungen möglich: „in Fällen, in denen der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, muss der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat“; bei einer Werbung für verhältnismäßig langlebige und kostspielige Güter – wie Möbel und Küchen -, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt erfassen kann, wird der Verbraucher auch eine erst am Ende der Texte und in nicht hervorgehobener Schrift enthaltene, aber in den kurzen und übersichtlich gestalteten Texten nicht versteckte Information zur Kenntnis nehmen, durch die unzweideutig der zuvor erweckte Eindruck richtig gestellt wird (BGH 18.12.2014 – I ZR 129/13GRUR 2015, 698 – Schlafzimmer komplett).

Diese Voraussetzungen an die Richtigstellung einer irreführenden blickfangmäßigen Werbung sind im vorliegenden Fall nicht gewahrt.

Die Werbung ist – anders als bei der vom BGH entschiedenen Schlafzimmerwerbung – nicht kurz und übersichtlich gestaltet, sondern enthält eine Vielzahl unterschiedlichster Informationen. Durch Farbwahl und Schriftgröße stechen die Aussagen „PERSONAL KAUFTAGE FÜR ALLE“, „Nur bis Samstag 4. September, Montag 6. September, Dienstag 7. September“, „39% In ALLEN Abteilungen“ und „Tische & Stühle – Betten – Sofas – Küchen – Reduzierte Waren – Grosse Marken -…- Haushalt – Teppiche – Lampen – Deko – Gardinen“ besonders hervor, sodass der Verbraucher abgelenkt wird und die Kenntnisnahme nicht nur des ® selbst, sondern auch der Fußnotenauflösung erschwert ist.

Die angesprochenen Verkehrskreise werden infolge der graphischen Gestaltung vor allem der gelb umrahmten, in weiß abgefasster Aussage „39% In ALLEN Abteilungen“ auf rotem Grund das kleine ® am oberen rechten Rand des Rahmens überhaupt nicht wahrnehmen und falls sie es doch sehen, als Hinweis auf einen möglicherweise bestehenden markenurheberrechtlichen Schutz des Designs – jedenfalls nicht als ein mit einer Fußnote oder einem Sternchen gleichzusetzendem Zeichen – verstehen.

Selbst wenn außergewöhnlich misstrauische Verbraucher, die mit ähnlicher Werbung bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben, das ® als Fußnote erkennen sollten und folglich damit rechnen, dass im folgenden Text der Werbeaussage eine – möglicherweise auch einschränkende – genauere Definition der rabattierten Artikel erfolgen wird, ist das Auffinden der Auflösung des ® nicht nur wegen der Platzierung am untersten Rand der Werbung in winziger weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund, sondern auch wegen des fehlenden ® vor der Auflösung erschwert und nur von einzelnen besonders hartnäckigen, detektivisch veranlagten Lesern – aber nicht vom Großteil des angesprochenen Verkehrskreises – zu erwarten…“

Möbelhauswerbung mit der Angabe „39% in ALLEN Abteilungen“ – keine ausreichende Aufklärung im Rahmen der Bewerbung

Die vorgenommenen Erläuterungen der Einschränkungen waren unter anderem wegen der Form und der Gestaltung für das Gericht nicht ausreichend, um eine Irreführung auszuschließen.

Dazu das Gericht:

„…Das ® in der Aussage stellt damit keinen klaren und unmissverständlichen Hinweis auf die am unteren Rand der Seite stehende Einschränkung der Werbeaussage dar, wie er vom BGH verlangt wird (s. Urteil vom 15.10.2015 – I ZR 260/14GRUR 2016, 207 – All Net Flat). Die Behauptung der Beklagten, die Fußnote sei geeignet, um die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf den Hinweis zu lenken und ihm alle relevanten Informationen zu verschaffen, sodass Fehlvorstellungen vermieden würden, ist aufgrund der nicht eindeutigen Erkennbarkeit des ® als Hinweis auf eine Fußnote und aufgrund der konkreten Gestaltung der Werbung und der Fußnotenauflösung unzutreffend.

Auch die im untersten Teil der Werbung versteckte Information zur Fußnotenauflösung ist nicht „ordnungsgemäß“, da die Auflösung nicht unübersehbar oder Teil des Blickfangs ist. Die Richtigstellung des blickfangmäßig erweckten falschen Eindrucks vom Umfang der Rabattaktion erfolgt erst ganz am Schluss der Werbung in winziger weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund und nicht in dem gelb umrahmten Feld mit der Blickfangwerbung selbst.

Selbst aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung BGH GRUR 2016, 295 ergibt sich, dass der Fußnotentext deutlich sichtbar und lesbar sein muss, sodass ein durchschnittlicher Verbraucher den Text mit normaler Sehkraft aus angemessener Entfernung ohne Hilfsmittel und ohne Mühe lesen kann – was bei einem kurzen, nur eine einzige Zeile umfassenden Text, der sich aufgrund seiner schwarzen Schrift auch ohne Hervorhebung durch Fettdruck ausreichend deutlich von dem weißen Papier abhebt, bei einer klaren Struktur des gesamten Schreibens und einem homogenen Schriftbild, bejaht wurde. Diese Eigenschaften liegen bei der streitgegenständlichen Werbung nicht vor: die Schriftgröße der Rabatthöhe 39% mit 9,3 cm und der aufgezählten Warengruppen mit 6 mm weicht erheblich von der Schriftgröße des klarstellenden Textes mit ca. 1 mm ab; die farbliche Hervorhebung der Aussagen „PERSONAL KAUFTAGE FÜR ALLE“, „Nur bis Samstag 4. September, Montag 6. September, Dienstag 7. September“, „39% In ALLEN Abteilungen“ und „Tische & Stühle – Betten – Sofas – Küchen – Reduzierte Waren – Grosse Marken -…- Haushalt – Teppiche – Lampen – Deko – Gardinen“ steht im Gegensatz zu der farblichen, die Leserlichkeit erschwerenden Gestaltung des Kleingedruckten; der Abstand zwischen den am Blickfang teilhabenden Aussagen und der Fußnotenauflösung wird durch das Einfügen weiterer Informationen zur Beklagte vergrößert.

Selbst wenn sich ein aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG, mit dem gesamten Text einer Werbung befassen wird (OLG Nürnberg, Urt. v. 11.12.2018 – 3 U 881/18) und selbst wenn er entgegen der definierten Bedeutung des Zeichens das ® als Hinweis auf eine Fußnote verstehen wird und folglich die Auflösung dieser Fußnote am Ende der Werbung suchen wird, ist bei einer unauffälligen, winzig gedruckten Fußnotenauflösung am Ende einer Seite die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmbarkeit sowohl der irreführenden Werbeaussage als auch des richtigstellenden Fußnotentextes nicht gewahrt. Der Verbraucher darf nämlich entsprechend der Rechtsprechung zur Richtigstellung einer irreführenden Werbung durch Fußnoten oder Sternchen (BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2017 – I ZR 53/16 -, juris Festzins Plus-; BGH, GRUR 2015, 698 Rn. 19 – Schlafzimmer komplett; LG Dortmund WRP 2019, 526) erwarten, dass – falls eine Richtigstellung einer unzutreffenden Aussage erforderlich sein sollte – diese in engen räumlichen Zusammenhang mit der Aussage oder zumindest in einem mit zumutbarem Aufwand auffindbaren und deutlich angebrachten, prägnanten Hinweis erfolgt und dass er die Richtigstellung einfach und unproblematisch zur Kenntnis nehmen kann, ohne erst ein Vergrößerungsglas hervorsuchen zu müssen. Wie vom BGH festgestellt, ergibt sich aus der RL 2005/29/EG, dass der Verbraucher in seiner Fähigkeit zu einer freien und informationsgeleiteten Entscheidung zu schützen ist, sodass die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt ist (BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2017 – I ZR 53/16 -, juris Festzins Plus-; BGH GRUR 2016, 207 – All Net Flat). Eine Werbung ist nur dann „kurz und übersichtlich“ gestaltet und entspricht den Anforderungen des BGH, wenn der Zusammenhang zwischen unrichtiger Blickfangangabe und aufklärendem Hinweis gewissermaßen „auf einen Blick“ erkannt werden kann, weil beide Bestandteile in räumlicher Nähe zueinander stehen und die aufklärende Information nicht in unübersichtlichem Text „versteckt“ wird (BGH, GRUR 2015, 698 – Schlafzimmer komplett; BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2017 – I ZR 53/16 -, juris Festzins Plus-). Die beanstandete Werbung genügt diesem Erfordernis nicht.

Auch die Vorgaben der Rechtsprechung zum Inhalt der Richtigstellung sind vorliegend nicht gewahrt: Der Text der kleingedruckten Fußnote am Ende der Werbung ist bezüglich der Einschränkung der Blickfangwerbung nicht klar und unmissverständlich – die Ankündigung „39% in ALLEN Abteilungen .. Reduzierte Waren ..“ und der Fußnotentext „Ausgenommen von diesem Rabatt sind .. anderweitig reduzierte Produkte, als „Tiefpreis“ oder „Aus unserer Werbung“ gekennzeichnete Artikel“ sind inhaltlich widersprüchlich und eher geeignet, den Leser zu verwirren, als ihm Klarheit über den für reduzierte Waren gewährten Rabatt zu verschaffen. Den angesprochenen Verkehrskreisen erschließt sich damit selbst im Fall des Auffindens der Fußnotenauflösung nicht, auf welche Waren die Beklagte den angekündigten Rabatt gewährt und auf welche nicht. Gleiches gilt für den verwirrenden Zusatz, dass die in den Prospekten genannten Endpreise – von denen der in Aussicht gestellte Rabatt offensichtlich nicht abzuziehen ist – gelten sollen….“

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