E-Commerce-Recht,  Wettbewerbsrecht

OLG München:Verkaufsplattform für Eintrittskarten muss Verkäufer benennen

Verkaufsplattform für Eintrittskarten muss Verkäufer benennen – Ansonsten liegt eine Irreführung durch Unterlassen nach § 5a, genauer § 5a III 2 Hs.2 UWG vor. So das OLG München in einem Rechtsstreit mit Urteil vom 27. Januar 2022, Az.: 29 U 3556/19.

Verkaufsplattform für Eintrittskarten muss Verkäufer benennen – Ansicht des Gerichts

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Die Beklagte wendet ein, sie sei nicht Normadressatin von § 5a Abs. 3 Nummer 2 UWG. Die Vorschrift greife nur für Unternehmen, die einen Verbraucher zum Kauf einer Ware oder einer Dienstleistung aufforderten. Weil die Beklagte über ihre streitgegenständliche Website nicht selbst Tickets zum Verkauf anbiete, komme allenfalls die Alternative des § 5a Abs. 3 Nummer 2 UWG in Betracht, dass die Identität und Anschrift desjenigen Unternehmers anzugeben sei, für den der Unternehmer handele. Dafür sei aber nötig, dass zwischen der Beklagten und den unternehmerisch handelnden Ticketverkäufern ein Auftrags-, Geschäftsbesorgungs- oder Begünstigungsverhältnis bestehe.

Dem folgt der Senat nicht. § 5a Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 UWG verpflichtet den Unternehmer dazu, „gegebenenfalls die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt“, anzugeben. Von einem Handeln für einen anderen Unternehmer ist nicht nur bei einem Handeln im Namen eines anderen (offene Stellvertretung) auszugehen. Erfasst wird vielmehr auch ein Handeln zugunsten eines anderen Unternehmers. Dafür sprechen schon die englische und die französische Fassung des Art. 7 Abs. 4 lit. b UGP-RL (engl. trader on whose behalf he is acting; frz. professionel pour le compte duquel il agit). Dafür spricht weiter, dass ein schutzwürdiges Interesse des Verbrauchers gerade im Hinblick auf die Daten seines potentiellen Vertragspartners besteht (Köhler in: Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 5a Rn. 4.39 m.w.N.; BGH WRP 2018, 320 Rn. – Kraftfahrzeugwerbung). Hauptsächlicher Zweck der Regelung ist es nämlich, dass der Verbraucher Anschrift und Identität des Unternehmers erfährt, für dessen Waren oder Dienstleistungen er sich auf der Grundlage des ihm unterbreiteten „Angebots“ entscheiden kann (BGH WRP 2016, 450 Rn. 18 – Fressnapf m.w.N.). Denn dieser wird sein eigentlicher Vertragspartner. Das Interesse des Verbrauchers ist auch unabhängig davon schutzwürdig, ob es später möglicherweise zu Streitigkeiten über den Inhalt und die Durchführung des Vertrags kommt. Denn möglicherweise will er gerade mit diesem Unternehmer, aus welchen Gründen auch immer, keinen Vertrag schließen. Vor allem aber besteht ein Interesse des Verbrauchers daran, im Falle einer Auseinandersetzung mit dem Vertragspartner problemlos zu ihm Kontakt aufnehmen zu können und nicht erst dessen exakte Identität und Anschrift ermitteln zu müssen (BGH GRUR 2014, 580 Rn. 21 – Alpenpanorama im Heißluftballon; BGH GRUR 2013, 1169 Rn. 13 – Brandneu von der IFA)…“

Verkaufsplattform für Eintrittskarten muss Verkäufer benennen – Datenschutzrecht steht dem nicht entgegen

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen zu diesem Einwand des auf Unterlassung in Anspruch genommenen Betreiber der Ticketverkaufsplattform unter anderem aus:

„…Weiter kommt es darauf an, ob die Datenschutzgrundverordnung einem Unterlassungsanspruch gemäß Urteilstenor Ziffer 1. entgegensteht, obwohl Art. 6 DSVGO erst seit 25.05.2018 gilt und damit nicht galt zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Testbuchung vom 23.03.2017. Denn der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass das Verbot, gegen das verstoßen worden ist, noch besteht. Ein Unterlassungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn das beanstandete Verhalten zum Tatzeitpunkt verboten war, dieses Verbot aber inzwischen entfallen ist (BGH GRUR 2002, 717, 719 – Vertretung der Anwalts GmbH; BGH GRUR 1999, 923 – Tele-Info-CD; BGH WRP 2000, 759 (760) – Zahnersatz aus Manila; BGH GRUR 2001, 348, 349 – Beratungsstelle im Nahbereich; BGH GRUR 2009, 79 Rn. 25 – Gebäckpresse; BGH GRUR 2009, 845 Rn. 38 – Internet-Videorecorder).

Auch die Datenschutzgrundverordnung steht der Verurteilung der Beklagten im Sinne von Tenor Ziffer 1. betreffend unternehmerisch handelnde Verkäufer nicht entgegen. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. c DSVGO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten – hierunter fallen nach Art. 4 Nr. 1 DSVGO die hier streitgegenständliche Identität und Anschrift des Verkäufers – rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt. Diese rechtliche Verpflichtung stellt hier § 5a UWG dar.

Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. c DSVGO muss gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSVGO festgelegt werden durch Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt. Das ist bei § 5a UWG der Fall, der der Umsetzung einer speziellen Regelung in Art. 7 Abs. 2 UGP-Richtlinie dient (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage, Rn. 7.5 zu § 5a).

Weiter fordert Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DSVGO, dass der Zweck der Verarbeitung in dieser Rechtsgrundlage festgelegt sein muss, wobei die Festlegung selbst keinen gebietenden oder verbietenden Charakter hat und deshalb nicht immer ausdrücklich im Normtext enthalten sein muss, sondern aus dem Zusammenhang zu erschließen sein kann (Philipp Reimer in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Auflage Rn. 24 zu Art. 6). Art. 6 Abs. 3 Satz 4, Alt. 1 DSVGO bestimmt, dass die unionsrechtliche oder mitgliedstaatliche Rechtsgrundlage ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen muss und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen muss. Das Erfordernis des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels schließt die Rechtfertigung der Datenverarbeitung durch eine Rechtsvorschrift aus, die eine rechtliche Verpflichtung allein im Individualinteresse begründet (Heberlein in: Ehmann/Selmayr, DatenschutzGrundverordnung, 2. Auflage 2018, Rn. 44 zu Art. 6). Das ist bei § 5a UWG nicht der Fall, er dient dem Schutz der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer (vgl. BT-Drs. 16/10145) und verfolgt damit ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel. § 5a UWG steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 4, Alt. 2 DSVGO…“

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