Datenschutzrecht

LAG Nürnberg: Anspruch einer Gewerkschaft, dienstliche E-Mail-Adressen von Beschäftigten eines Unternehmens zu erlangen, stehen das Datenschutzrecht entgegen

So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 26. September 2023 (Az.: 7 Sa 344/22). Die klagende Gewerkschaft hatte in den Zeiten der COVID19-Pandemie einen Anspruch auf Herausgabe aller dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeitenden des beklagten Unternehmens geltend gemacht und diesen Anspruch unter anderem mit dem Zugangsrecht zum Betrieb für Gewerkschaften nach § 2 II BetrVG und auch dem gewerkschaftlichen Betätigungsrecht des Art. 9 III GG begründet. Das Gericht sieht aber schon datenschutzrechtliche Einwände aus der DSGVO und auch dem BDSG einem solchen Anspruch entgegenstehen, da dass beklagte Unternehmen die Vorgaben des Datenschutzrechtes einhalten müsse.

So heißt es in den Entscheidungsgründen unter anderem:

„…Die Beklagte ist jedoch, worauf sie zu Recht hinweist, den übrigen Gesetzesbestimmungen, hier insbesondere dem Art. 6 DSGVO und dem § 26 BDSG, unterworfen. Bei der begehrten Bekanntgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen handelt es sich um die Verarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO („Offenlegung durch Übermittlung“) von personenbezogenen Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO („Namen“). Diese Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn eine der Bedingungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt ist. Dabei ist es irrelevant, dass die Beklagte bei der Einrichtung der dienstlichen E-Mail-Adressen den Namen ihrer Mitarbeiter mit deren Einwilligung in diese Adresse aufgenommen hat. Ersichtlich kommt für die Frage der Rechtmäßigkeit der Weitergabe der Namen der Mitarbeiter an die Klägerin durch die Beklagte hier nur Art. 6 Abs. 1 f DSGVO in Betracht, wonach dies nur möglich ist zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten und die Schutzinteressen des Betroffenen nicht überwiegen. Es versteht sich aus Sicht des Gerichtes nicht von selbst, dass eine Gewerkschaft alleine aus der institutionellen Garantie des Art. 9 Abs. 3 GG ein berechtigtes Interesse ableiten könnte, die Namen aller Mitarbeiter eines Betriebes zu erfahren, in dem sie vertreten ist. Soweit ersichtlich, wird dies nur von Hjort/Mamerow, NZA 2021, 1758 und auch nur für den Fall vertreten, dass ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft auf Grund der Organisation der Arbeitsweise des Unternehmens wie Home-Office oder anderen Formen mobilen Arbeitens einer herkömmlichen Art der gewerkschaftlichen Kontaktaufnahme – beispielsweise Aushänge am Schwarzen Brett, Besuche von Gewerkschaftssekretären im Betrieb, Verteilung von Informationsmaterial im Betrieb – nicht zugänglich ist. Letztlich würde ein solcher Zugriff auf die dienstlichen E-MailAdressen der Gewerkschaft eine sehr effiziente Mitgliederwerbung und Betreuung von betriebsangehörigen Mitarbeitern ungeachtet der Gewerkschaftszugehörigkeit ermöglichen. Dies genügt nicht, um eine Erforderlichkeit auf Seiten der Gewerkschaft zu begründen, die das Schutzinteresse der Mitarbeiter, die nicht bei der Gewerkschaft sind, überwiegen könnte. Anderes erscheint nur denkbar, wo die betriebliche Organisation eine traditionelle Form der Kontaktaufnahme ausschließt, wie es beispielsweise bei Betrieben der Fall ist, in denen nur noch mobil oder im Home-Office gearbeitet wird.

Dies ist hier jedenfalls nicht der Fall. Nach den bestehenden betrieblichen Regelungen sind die Mitarbeiter der Beklagten nicht ausschließlich im mobilen Arbeiten, sondern regelmäßig und zeitlich überwiegend im Betrieb anwesend. Die Beklagte hat dazu konkret vorgetragen, dass aktuell im Durchschnitt von 5.400 zugeordneten Mitarbeitern immerhin arbeitstäglich von Montag bis Donnerstag 3.000 bis 3.500 Mitarbeiter anwesend sind. Die Klägerin hat diesen Zahlen nicht widersprochen. Sie gelten daher als zugestanden nach § 138 Abs. 3 ZPO. Eine Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern in der Z. auf herkömmliche Art durch persönliche Absprache im Betrieb ist unproblematisch möglich. Aus der Zuständigkeit des Betriebsrates auch für die über das ganze Land verstreuten Shops und Outlets und die Mitarbeiter dort ergibt sich nichts anderes. Die Zuständigkeit des Betriebsrates in C-Stadt auch für diese Mitarbeiter hindert die Klägerin nicht daran, auf die Mitarbeiter in den Shops und Outlets auf herkömmliche Art durch persönliche Kontaktaufnahme am jeweiligen Einsatzort beispielsweise in München oder Berlin zuzugehen. Die Überlegung, die Klägerin könne nicht mehr an einem Tag alle dem Betrieb zugeordneten Mitarbeiter der Beklagten erreichen, wenn diese von den Möglichkeiten des Home-Office und des mobilen Arbeitens im Rahmen der bestehenden betrieblichen Regelungen Gebrauch machten, führt nicht weiter. Die Klägerin kann zum einen auch nicht beim Fehlen von Möglichkeiten des mobilen Arbeitens alle Mitarbeiter an einem Tag erreichen. Zum einen sind in einer solchen Situation schon nicht alle Mitarbeiter vor Ort im Betrieb im Hinblick auf Arbeitsunfähigkeit, Urlaub und Betriebsabwesenheit aus sonstigen privaten oder beruflichen Gründen. Dies gilt gleichermaßen für die Z. wie auch für die Stores. Zum anderen ist aus dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich, wie die Klägerin mit ihren personellen Ressourcen mehrere Tausend Mitarbeiter in der Z. auf dem Betriebsgelände außerhalb ihrer Arbeitszeit persönlich ansprechen möchte.

So betrachtet handelt es sich bei einem Zugriff der Klägerin auf die dienstlichen E-Mail-Adressen aller Mitarbeiter der Beklagten nicht um eine Übertragung der bestehenden Rechtssituation in der analogen Betriebswirklichkeit in die digitale Betriebswirklichkeit, sondern um eine erhebliche Verbesserung ihrer Möglichkeiten der Kontaktaufnahme unter gleichzeitiger Schonung ihrer personellen Ressourcen im Vergleich zur Kontaktaufnahme und Werbung vor Ort.

Im Ergebnis bedarf es jedoch keiner näheren Betrachtung, ob für den Betrieb in C-Stadt überhaupt ein berechtigtes Interesse der Klägerin besteht, die Namen aller Mitarbeiter zu erfahren, die in diesem Betrieb arbeiten, in dem sie vertreten ist und werbend auftreten will. Nach Art. 13 Abs. 1 d DSGVO dürfte die Weitergabe des Namens durch die Beklagte nur erfolgen, wenn die Beklagte zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten schon auf diese Interessen hingewiesen hätte. Anderes könnte nur gelten, wenn den Mitarbeitern bei der Einstellung klar gewesen sein müsste, dass mit einer Weitergabe ihrer dienstlichen E-Mail-Adresse mit ihrem Namen als Bestandteil an die zuständige Gewerkschaft zu rechnen sei. Für beides ist aus der Akte und dem Sachvortrag der Parteien nichts ersichtlich. Für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses ist es nicht erforderlich, dass eine Gewerkschaft die dienstliche E-Mail-Adresse eines Mitarbeiters kennt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können ihre beiderseitigen Haupt- und Nebenleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch ohne Werbe-E-Mails einer Gewerkschaft erfüllen. Für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses ist es nicht erforderlich, dass eine Gewerkschaft die dienstliche E-Mail-Adresse eines Mitarbeiters kennt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können ihre beiderseitigen Haupt- und Nebenleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch ohne Werbe-E-Mails einer Gewerkschaft erfüllen. Für eine rechtliche Pflicht der Beklagten, nunmehr nach dem Verlangen der Klägerin entsprechende Einverständniserklärungen der Mitarbeiter einzuholen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch aus § 26 BDSG ergibt sich kein anderes Ergebnis. Im Sinne des § 26 Abs. 1 BDSG ist es für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass die zuständige Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter im Betrieb kennt. Die Parteien des Arbeitsvertrages können ihre wechselseitigen Pflichten auch ohne gewerkschaftliche Werbung und Information erfüllen, vergleiche auch Kramer, IT-Arbeitsrecht, 3. Auflage, 2023, Kapitel 3, Rn. 376. Eine Weitergabe der dienstlichen E-Mail-Adresse der Mitarbeiter wäre auch mit deren Einwilligung möglich nach § 26 Abs. 2 BDSG. Für eine solche Einwilligung ist aus der Akte und dem Sachvortrag der Parteien nichts ersichtlich. Eine Pflicht der Beklagten, nunmehr anlassbezogen auf das Verlangen der Klägerin hin bei den Mitarbeitern wegen einer entsprechenden Einwilligung nachzufragen, ist nicht ersichtlich…“

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