Datenschutzrecht

OVG Schleswig-Holstein: kein Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Zugang zu den Akten abgeschlossener Steuerverfahren des Insolvenzschuldners aus Art 15 DSGVO

Unter anderem dies hat das Gericht in seinem Beschluss vom 14. März 2024 (Az.: 6 LA 35/24) entschieden und damit das Begehren des klagenden Insolvenzverwalters, der sich unter anderem auf Art. 15 DSGVO berufen hatte, zurückgewiesen. Dieser hatte versucht, eine Zulassung einer Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil zu erreichen.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus, dass der Insolvenzverwalter nicht „Betroffener“ im Sinne der DSGVO ist und begründet wie folgt:

„…Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.09.2020 – 6 C 10/19 –, juris Rn. 17 ff. und 23 ff.) ausgeführt, dass der Kläger zum einen nicht „Betroffener“ i.S.d. Art. 15 DSGVO ist und dass dieser Auskunftsanspruch zum anderen nicht durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens in seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus § 80 InsO übergegangen ist (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 10.01.2023 – 1 LA 420/21 –, juris Rn. 12 ff.). Dies ergibt sich, wie schon unter 1.c) ausgeführt, auch nicht aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 26.04.2018 – 7 C 3.16 –, juris Rn. 24 und v. 25.02.2022 – 10 C 4.20 –, juris Rn. 13). „Betroffener“ i.S.d. Art. 15 DSGVO wird der Kläger im Übrigen auch nicht dadurch, dass er als Insolvenzverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO in die Pflichten des Steuerschuldners eintritt und selbst über die Steuernummer identifizierbar ist. Inhaberin der Rechte in Bezug auf die im Steuerverfahren anfallenden personenbezogenen Daten, um die es dem Kläger letztlich auch nur geht, ist und bleibt der Insolvenzschuldner.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 16. September 2020 die Entscheidung vom 26. April 2018 (– 7 C 3.16 –, juris Rn. 24) übergangen habe, ist dem nicht zu folgen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Entscheidungen sich nicht wiedersprechen, da das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 26. April 2018 nicht einen Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskünfte gegenüber dem Finanzamt hinsichtlich der Steuerkontoauszüge des Insolvenzschuldners nach Art. 15 DSGVO, sondern vielmehr nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen geprüft hat. In diesem Zusammenhang hat es an der vom Kläger zitierten Stelle untersucht, ob einem solchen Anspruch grundsätzlich das Steuergeheimnis aus § 30 AO entgegensteht. Dazu hat es ausgeführt, dass sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO auch auf vom Steuergeheimnis erfasste Informationen, die der Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen dienen sollen, erstreckt (BVerwG, Urt. v. 26.04.2018 – 7 C 3.16 –, juris Rn. 24). Diese Frage ist jedoch von der Frage zu unterscheiden, wer „Betroffener“ i.S.d. Art. 15 DSGVO ist und ob der Auskunftsanspruch des Betroffenen nach § 32a Abs. 1 AO i.V.m. Art. 15 DSGVO als Teil der Insolvenzmasse in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters fällt…“

Ferner sieht das Gericht auch eine Sperrwirkung durch § 32c I 2 AO, der dem Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO entgegensteht. Dazu das Gericht wie folgt:

„…Dessen ungeachtet besteht ein solcher Anspruch auch unabhängig von der Frage, ob die Insolvenzschuldnerin den Kläger ausdrücklich zur Geltendmachung der Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung ermächtigt hat, nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung auch auf das selbstständig tragende Argument abgestellt, dass einem Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO jedenfalls § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO entgegensteht, wonach das Auskunftsrecht gegenüber der Finanzbehörde nicht besteht, soweit die Auskunftserteilung den Rechtsträger der Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche i.S.d. Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO beeinträchtigen würde. Hiergegen wendet der Kläger ein, dass § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO nicht einschlägig sei, da der Verwalter alle Daten des Schuldners zur Prüfung eines Anspruchs nach § 129 ff. InsO kennen dürfe und Ermittlungen des Insolvenzverwalters im Hinblick auf Anfechtungsansprüche im öffentlichen Interesse lägen. Eine im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit könne nicht zugleich eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen – hier der Finanzverwaltung – sein.

Dem ist jedoch nicht zu folgen. Es besteht kein Zweifel, dass auch verschiedene öffentliche Interessen miteinander kollidieren können. Dann ist dem gewichtigeren Interesse – hier der Sicherung einer gleichmäßigen gesetzmäßigen Besteuerung und der Sicherung des Steueraufkommens – Vorrang vor den wenige schwerwiegenden Interessen – hier der auch im öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeit eines Insolvenzverwalters, zumal dieser auch Auskunft vom Insolvenzschuldner erhalten kann – zu gewähren. § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO zielt auf eine gleichmäßige gesetzmäßige Besteuerung und die Sicherung des Steueraufkommens und dient der Korrektur der „insolvenzverwalterfreundlichen“ Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Informationszugangsbegehren nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder. Erstreckt sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO auch auf vom Steuergeheimnis erfasste Informationen, die der Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen nach den §§ 129 ff. InsO gegen die Finanzbehörde dienen sollen, könnten die Insolvenzverwalter von den Finanzbehörden Zugang zu steuerlichen Daten der Insolvenzschuldner verlangen, durch die sie regelmäßig erst in die Lage versetzt werden, Insolvenzanfechtungsansprüche gegen die Finanzbehörde zu prüfen. Gegenüber anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners ist der Insolvenzverwalter dagegen auf zivilrechtliche Auskunftsansprüche beschränkt, die § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ausdrücklich unberührt lässt. Die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche hängen aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 13.08.2009 – IX ZR 58/06 – juris Rn. 7 m.w.N.) davon ab, dass ein Insolvenzanfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht. Um die gleichmäßige gesetzmäßige Besteuerung und die Sicherung des Steueraufkommens zu erreichen, sollen Finanzbehörden deshalb bei zivilrechtlichen Forderungen nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere Schuldner oder Gläubiger gestellt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.2022 – 10 C 4.20 –, juris Rn. 21, 32; OVG Bremen, Beschl. v. 10.01.2023 – 1 LA 420/21 –, juris Rn. 27). Außer Frage steht außerdem, dass die Möglichkeit besteht, dass sich der Beklagte etwa durch Offenlegung von internen Verrechnungen bzw. Aufrechnungen von Erstattungs- und Steueransprüchen des Insolvenzschuldners insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbeständen und damit verbundenen Rückforderungsansprüchen ausgesetzt sieht…“

Cookie Consent mit Real Cookie Banner