Urheberrecht

OLG Köln: Betreiber eines Content Delivery Networks (CDN) für den beschleunigten Abruf von Internetinhalten haftet als Täter von Urheberrechtsverletzungen

So das Gericht in seinem Urteil vom 3. November 2023 (Az.: 6 U 149/22), dass zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages noch nicht rechtskräftig ist.

Im Streitfall wurde Ansprüche aus dem Urheberrecht wegen der unrechtmäßigen Zugriffsmöglichkeit zu Musiktiteln geltend gemacht, die bei einem Vertragspartner des beklagten Unternehmens, dem Betreiber eines Content Delivery Networks (CDN), unter einer Domain abrufbar war. Der Vertragspartner betrieb über das beklagte Unternehmen einen Nameserver.

Das Gerich begründete die Haftung als Täter für eine Urheberrechtsverletzung, in Betätigung der erstinstanzlichen Entscheidung, unter anderem wie folgt in den Gründen des Urteils:

„…Hinsichtlich des Nameservers mit dem CDN-System hat das Landgericht die Beklagte zu Recht zur Unterlassung verpflichtet.

(1) Die Beklagte hat die Verletzungshandlungen des öffentlichen Zugänglichmachens – neben dem Webseitenbetreiber – als Täterin verwirklicht.

Der Nameserver der Beklagten und das E. CDN spielen für das Zugänglichmachen der rechtsverletzenden Inhalte eine „zentrale Rolle“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, weil die Beklagte als technische Inhaltelieferantin („Content-Delivery…“) unmittelbar kausal tätig wird (s. Nordemann, a.a.O., Seite 813). Solange das Vertragsverhältnis zwischen dem Webseitenbetreiber DDL-Music und der Beklagten bestand, war ein Zugriff auf die Links, über die wiederum der urheberrechtswidrige Inhalt abgerufen werden konnte, ausschließlich über das CDN der Beklagten möglich.

Die „zentrale Rolle“ ist jedoch nicht das einzige Kriterium, das im Rahmen der maßgeblichen individuellen Beurteilung einer täterschaftlichen Wiedergabehandlung zu berücksichtigen ist. Dieses Kriterium ist vielmehr in seinem Zusammenwirken mit anderen Kriterien, insbesondere dem der Vorsätzlichkeit des Handelns anzuwenden (s.o.).

So hat zur Handlung der Wiedergabe der EuGH (Urteil vom 22.06.2021, C-682/18 und C-683/18 – Youtube und Cyando, juris, Tz. 77 ff.) auf Vorlage des BGH entschieden, dass zwar der Betreiber einer Sharehosting-Plattform hinsichtlich der von seinen Nutzern bewirkten Zugänglichmachung potenziell rechtsverletzender Inhalte eine zentrale Rolle spielt, dass jedoch sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rolle, die ein solches Tätigwerden des Betreibers einer Plattform bei der Wiedergabe durch den Nutzer dieser Plattform spielt, als auch im Hinblick auf dessen Vorsätzlichkeit zu beurteilen ist, ob das betreffende Tätigwerden unter Berücksichtigung des spezifischen Kontexts als Handlung der Wiedergabe einzustufen ist. Insbesondere könne ein Tätigwerden in voller Kenntnis der Folgen des betreffenden Verhaltens und mit dem Ziel, der Öffentlichkeit Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen, zur Einstufung dieses Tätigwerdens als „Handlung der Wiedergabe“ führen. Um festzustellen, ob der Betreiber einer Sharehosting-Plattform in voller Kenntnis seines Verhaltens bei der unerlaubten Wiedergabe geschützter Inhalte durch Nutzer seiner Plattform tätig wird, um anderen Internetnutzern Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen, seien alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die betreffende Situation kennzeichnen und es ermöglichen, direkt oder indirekt Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage zu ziehen, ob der Betreiber bei der unerlaubten Wiedergabe dieser Inhalte vorsätzlich tätig wird oder nicht. Zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten zähle namentlich die Tatsache, dass ein solcher Betreiber, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, sowie die Tatsache, dass dieser Betreiber an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen könne, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen. Der bloße Umstand, dass der Betreiber allgemein Kenntnis von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf seiner Plattform hat, genüge hingegen nicht, um anzunehmen, dass er mit dem Ziel handelt, den Internetnutzern Zugang zu diesen Inhalten zu verschaffen. Anders verhalte es sich jedoch, wenn der Betreiber, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern. Ob das fragliche Tätigwerden Erwerbszwecken dient, sei zwar nicht gänzlich unerheblich, doch allein die Tatsache, dass der Betreiber einer Sharehosting-Plattform Erwerbszwecke verfolgt, erlaube weder die Feststellung, dass er hinsichtlich der rechtswidrigen Wiedergabe geschützter Inhalte durch einige seiner Nutzer vorsätzlich handelt, noch eine dahingehende Vermutung. Es sei Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten, anhand dieser Kriterien zu bestimmen, ob diese Betreiber hinsichtlich der geschützten Inhalte, die von den Nutzern ihrer Plattform auf diese hochgeladen werden, selbst Handlungen der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der vornehmen.

Danach besteht eine Haftung wegen täterschaftlicher öffentlicher Wiedergabe, wenn der Betreiber einer Sharehosting-Plattform, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt durch Löschung oder Sperrung zu verhindern. In einem solchen Fall trägt der Betreiber über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen, so dass eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt. Vor diesem Hintergrund hält der BGH an seiner früheren Rechtsprechung, nach der in dieser Konstellation keine Haftung als Täter einer rechtswidrigen öffentlichen Wiedergabe, sondern allenfalls eine Haftung als Störer in Betracht kam, für den durch Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG vollharmonisierten Bereich nicht mehr fest. Hier tritt mithin die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung. Die schon bisher für die Störerhaftung geltenden, an den Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung zu stellenden Anforderungen sind auf die Prüfung der öffentlichen Wiedergabe übertragbar, weil haftungsauslösend auch hier nur die konkrete Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung im Einzelfall ist (BGH, Urteil vom 02.06.2022, I ZR 135/18 – uploaded III, juris, Tz. 36 ff.; s. auch BGH, Urteil vom 02.06.2020, I ZR 53/17 – uploaded II, juris, Tz. 24 ff.; BGH, Urteil vom 02.06.2022, I ZR 140/15 – YouTube, juris, Tz. 76 ff.).

Die vom BGH für eine täterschaftliche öffentliche Wiedergabe von Plattformbetreibern / Hostingdiensten entwickelten Kriterien können auf den vorliegenden Fall übertragen werden, auch wenn die Beklagte mit dem CDN ein anerkanntes, im Ansatz neutrales Geschäftsmodell betreibt. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Modell die – unverkennbare – Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung in sich trägt und die Beklagte mit den Betreibern der Webseiten als den potentiell missbräuchlich Handelnden vertraglich verbunden ist. Die Beklagte speichert nach eigenem Vortrag Teile der Webseiten zeitweilig auf ihren eigenen Servern, und zwar nicht nur, solange dies für die Übermittlung der Daten erforderlich ist. Sie ermöglicht mit ihrem CDN – anders als Acessprovider und Registrare – nicht nur die Erreichbarkeit der betroffenen Internetdomain und sorgt für deren Konnektierung, sie „schützt“ auch die Internetseiten, indem sie den Zugang kontrolliert. Infolge der Eintragung als Nameserver einer Domain sowie der Anbindung an das CDN sind die jeweiligen IP-Adressen der Domains nicht sichtbar. Bei Whois-Anfragen zu der jeweiligen Domain, die die Dienste der Beklagten als Nameserver nutzt, wird jeweils nur die IP-Adresse der Verfügungsbeklagten angezeigt. Die Beklagte hält zwar ein Webformular für Beschwerden bereit, sie macht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Informationen über die ursprüngliche IP-Adresse jedoch nicht allgemein zugänglich, sondern leitet Informationen im Zusammenhang auch mit Beschwerden über eindeutig rechtswidrige Inhalte nur an den Hosting-Provider weiter, der im vorliegenden Fall allerdings ausdrücklich damit wirbt, Urheberrechtsverletzungen zu ignorieren. Das Trusted Reporter Programm kann nicht von jedermann in Anspruch genommen werden. Die Beklagte hat sich im vorliegenden Fall im Zuge des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens (14 O 171/19 LG Köln, 6 U 23/20 OLG Köln) sogar ausdrücklich geweigert, die IP-Adresse mitzuteilen, obwohl die Klägerin Mitglied einer Trusted Report Organisation ist und die Beklagte vorträgt, über das von ihr vorgehaltene Trusted Report Programm könnten vertrauenswürdige Rechteinhaber schnell und effizient rechtsverletzende Inhalte melden und Informationen über diese Webseiten einholen, einschließlich der ursprünglichen IP-Adresse. Damit hat die Beklagte zur andauernden Verletzung der Urheberrechte der Klägerin maßgeblich beigetragen.

Unter Berücksichtigung des spezifischen Kontextes ist es angemessen, für die Beurteilung der Vorsätzlichkeit auf die Verkehrspflichten eines Hostproviders abzustellen und nicht auf die Verkehrspflichten, die der BGH für den lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelnden Accessprovider entwickelt hat. Der Senat ist im Verfahren 6 U 32/20 ausgehend von der damals noch geltenden Störerhaftung des Hostproviders zu einer Unterlassungsverpflichtung der Beklagten gelangt und hat eine Anwendung der Rechtsprechung des BGH zur subsidiären Haftung des Accessproviders ausdrücklich abgelehnt (Urteil vom 09.10.2020, 6 U 32/20 – HERZ KRAFT WERKE, juris, Tz. 129 ff.):…

Nach den vom BGH in den o.a. Entscheidungen YouTube II, uploaded II und uploaded III entwickelten Grundsätzen ist vorliegend ein öffentliches Zugänglichmachen seitens der Beklagten feststellbar. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Das Verhalten der Beklagten ist unter Berücksichtigung des spezifischen Kontextes sowohl im Hinblick auf die Bedeutung ihrer zentralen Rolle im Rahmen der Urheberrechtsverletzung als auch im Hinblick auf ihr vorsätzliches Verhalten als eine Handlung der Widergabe einzustufen. Die Beklagte, die mit dem Betrieb des CDN Erwerbszwecke verfolgt, ist von der Klägerin mehrfach darauf hingewiesen worden, dass ein geschützter Inhalt über die Webseite ihres Vertragspartners öffentlich zugänglich gemacht wurde. Die Beklagte hat gleichwohl nicht unverzüglich – sondern erst nach acht Monaten – Maßnahmen ergriffen, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern. Bei Wahrung der ihr obliegenden Verkehrspflichten hätte die Beklagte sofort nach dem ersten Bekanntwerden der Urheberrechtsverletzung reagieren müssen. Sie hätte z.B. den Webseitenbetreiber DDL-Music als Vertragspartner unter Androhung einer Kündigung auffordern können, die Links auf die urheberrechtswidrigen Inhalte zu entfernen. Die Klägerin ist nach ihren AGB, die den mit den Kunden geschlossenen Verträgen zugrunde liegen, zur Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt, sofern der jeweilige Internetauftritt u.a. zu Urheberrechtsverletzungen genutzt wird. Blieb die Aufforderung gegenüber dem Webbetreiber ohne Erfolg, hätte die Beklagte sofort einen weiteren Zugang zu dem Inhalt über ihr CDN durch Sperrung verhindern können und müssen…“

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