Datenschutzrecht

LArbG Baden-Württemberg: Verspätete Auskunft nach Art. 15 DSGVO ist kein immaterieller Schaden & begründet damit keinen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO

So das Gericht in seinem Urteil vom 27. Juli 2023 (Az.: 3 Sa 33/22), dessen Hintergrund Ansprüche aus einer Verwendung von Video-und Fotoaufnahmen eines Beschäftigten über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus waren.

Das Gericht hob die erstinstanzliche Verurteilung des Arbeitgebers auf und begründet dies unter anderem wie folgt:

„…Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ihm aufgrund der verspäteten Auskunftserteilung ein immaterieller Schaden entstanden ist.

Der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung genügt nicht, um einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Dafür spricht der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wonach Personen, denen materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz haben. Zwar soll nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 der DSGVO der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen der Datenschutzgrundverordnung in vollem Umfang entspricht. Ein weites Verständnis des Schadensbegriffs bedeutet aber nicht, dass vom Vorliegen eines konkreten Schadens gänzlich abzusehen ist (LAG Hamm 2. Dezember 2022 – 19 Sa 756/22 – juris). Verspätete, gänzlich unterbliebene oder falsche Auskünfte an eine Person gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO als solche sind somit nicht haftungsauslösend. Hierfür spricht neben dem Wortlaut des Erwägungsgrundes 146 und des Art. 82 Abs. 2 DSGVO auch die Entstehungsgeschichte des Art. 82 DSGVO. Art. 77 des Kommissionsentwurfes (KOM[212]11) sah bezüglich der Schadensersatzpflicht noch vor: „Jede Person, der wegen einer rechtswidrigen Verarbeitung oder einer anderen mit dieser Verordnung nicht zu vereinbarenden Handlung ein Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadensersatz gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter“. Dagegen bezog beispielsweise der spätere Vorschlag des Parlaments (Drucksache 9565/15) die Schadensersatzpflicht nur noch auf Schäden, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht (vgl. zur Entstehungsgeschichte des Art. 82 DSGVO im Einzelnen LAG Nürnberg 25. Januar 2023 – 4 Sa 201/22 – juris). Auch die Entstehungsgeschichte einer unionsrechtlichen Vorschrift kann Anhaltspunkte für deren Auslegung liefern (EuGH 24. März 2021 – C-603/20FamRZ 2021, 777).

Dieses Auslegungsergebnis steht auch im Einklang mit der jüngeren Rechtsprechung des EuGH, der in seinem Urteil vom 4. Mai 2023 (C-300/21NZA 2023, 621) darauf erkannt hat, dass nicht jeder Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung für sich genommen den Schadensersatzanspruch der betroffenen Person i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO eröffne.

Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seinem vor der zitierten EuGH-Entscheidung ergangenen Urteil vom 5. Mai 2022 (2 AZR 363/21 – AP DSGVO Art. 82 Nr. 1 = NZA 2022, 1191) in Auseinandersetzung mit dem Verarbeitungsbegriff des Art. 4 Nr. 2 DSGVO ausgeführt: „Die Nichterfüllung oder nicht vollständige Erfüllung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO muss danach für sich genommen nicht gleichbedeutend sein mit einer verordnungswidrigen „Verarbeitung““…“

Cookie Consent mit Real Cookie Banner