Wettbewerbsrecht

OLG Hamm: „Ein oder mehrere Verstöße gegen eine Unterlassungserklärung“- Auf den Entschluss des Unterlassungsgläubigers kommt es an

So das Gericht nochmals klarstellend in seinem Urteil vom 1. Juni 2023 (Az.: 4 U 225/22) in einem Berufungsverfahren, in dem unter anderem Ansprüche auf Vertragsstrafe aus einer Unterlassungs-und Verpflichtungserklärung im UWG streitig waren. Kläger ist ein qualifizierter Wirtschaftsverband, der gegen ein Unternehmen eine Vertragsstrafe für die unzureichende bzw. fehelenden Energieeffizienzkennzeichnung von Haushaltsgeräten, die auf 11.000 EUR beziffert eingeklagt worden. Das Gericht bejaht den Verstoß gegen die Unterlassungserklärung (Details im Urteil) und sprach auch die 11.000 EUR zu, da von zwei Verstößen auszugehen sei. Das Gericht führt dabei in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Rechtlich hat der Kläger die bei insgesamt zwei beworbenen Einbauküchen („E“ gem. Anlage K4 und „F “ gem. Anlage K5) mit jeweils mehreren in diesem Zusammenhang beworbenen Küchenelektrogeräten unterbliebene Angabe der Spektren der Energieeffizienzklassen sowie die auf der Übersichtsseite gem. den Anlage K6, K9 und K10 erfolgte Bewerbung diverser Haushaltsgeschirrspüler, Kühl-/Gefrierkombinationen sowie Backöfen ohne bzw. mit unvollständiger/falscher Angabe des jeweiligen Spektrums der Energieeffizienzklassen zutreffend als zwei Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung bewertet, weshalb die versprochene Vertragsstrafe von 5.500,00 € insgesamt zwei Mal verwirkt ist.

aa)

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 09.07.2015 – I ZR 224/13, GRUR 2015, 1021, Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung; Beschluss vom 17.12.2020 – I ZB 99/19, GRUR 2021, 767, Rn. 21, 34, jew. mwN. und zit. nach juris), der der Senat folgt (vgl. bspw. Senatsurteil vom 24.11.2022 – 4 U 170/21), richtet sich die Auslegung eines Unterlassungsvertrags nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen. Dabei ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien maßgebend (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen insbesondere die beiderseits bekannten Umstände, der Zweck der Vereinbarung, die Art und Weise ihres Zustandekommens, die wettbewerbsrechtlich relevante Beziehung zwischen den Vertragspartnern und deren Interessenlage zu berücksichtigen sind. Das Versprechen, eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ zu zahlen, kann dahin auszulegen sein, dass mehrere, fahrlässig begangene, zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Einzelverstöße, als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen werden.

Wenn es zu einer Mehr- oder Vielzahl von Verstößen gekommen ist, ist dabei zunächst zu prüfen, ob diese eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Handlung darstellen. Das ist der Fall, wenn sie gegen dasselbe Verbot verstoßen und aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen. Kann bei natürlicher Betrachtungsweise hingegen angenommen werden, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt hat, spricht dies gegen das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit und für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen.

Wenn keine natürliche Handlungseinheit vorliegt, kann die Auslegung des Unterlassungsvertrags ergeben, dass mehrere fahrlässig begangene und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Zuwiderhandlungen, die in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu werten sind.

bb)

Gemessen an diesen Maßstäben liegt hinsichtlich der Bewerbung der Einbauküchen „E“ gem. Anlage K4 und „F“ gem. Anlage K5 eine natürliche Handlungseinheit und somit nur ein Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung vor. Hiervon geht der Kläger zutreffend selbst aus.

Ein weiterer Verstoß liegt allerdings in der jeweils fehlenden bzw. falschen/unvollständigen Angabe des Spektrums auf den Übersichtsseiten der Angebote für Geschirrspüler, Kühlschränke und Backöfen gem. den Anlagen K6, K9 und K10. Auch insoweit geht der Kläger zutreffend selbst von einer natürlichen Handlungseinheit aus.

Zwischen dem Verstoß gem. den Anlagen K4 und K5 einerseits sowie dem Verstoß gem. den Anlagen K6, K9 und K10 andererseits besteht indes keine natürliche Handlungseinheit. Der Kläger weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass einerseits komplette Einbauküchen (mit Elektrogeräten) und andererseits Einzelgeräte beworben wurden, was dafür spricht, dass jeweils unterschiedliche Handlungsentschlüsse getroffen wurden. Auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Handlungen ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Eine weitere Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt zeitlich nicht zu weit auseinanderliegender Zuwiderhandlungen, die aber in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, ist ebenfalls nicht angezeigt…“

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