Datenschutzrecht

OVG des Saarlandes: Werbung per Telefon kann nicht auf Rechtsgrundlage des Art.6 I lit.f) DSGVO gestützt werden

Dies insbesondere dann, wenn auch keine wirksame Einwilligung, unter Beachtung der auch im Datenschutzrecht zu beachtenden Kriterien des § 7 II Nr.1 UWG, vorliegt. So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 20. April 2023 (Az.: 2 A 111/22).

Hintergrund der Entscheidung war eine datenschutzrechtliche Anordnung der zuständigen Aufsichtsbehörde.

Das Gericht führt unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:

„…Die Frage, ob die Verarbeitung der streitgegenständlichen Daten der Zahnärzte für Zwecke der Direktwerbung der Klägerin nach der aktuell geltenden Rechtslage zulässig ist, hängt daher zunächst davon ab, ob Art. 6 Abs. 1 f DSGVO9, der eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung und Abwägung der widerstreitenden Interessen des Werbenden auf der einen Seite sowie des Werbeadressaten auf der anderen Seite erfordert, vorliegend anwendbar ist. Dies ist zu verneinen.

Wie das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend angenommen hat, liegen die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO nicht vor, weil die von der Klägerin praktizierte telefonische Werbeansprache von Zahnärzten nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG i.d.F. vom 10.8.2021 entspricht.

Die von der Klägerin gegen die Berücksichtigung der wettbewerbsrechtlichen Bestimmung des § 7 UWG im vorliegenden datenschutzrechtlichen Kontext erhobenen Einwände greifen nicht durch. Sie beruft sich auf die unterschiedlichen Schutzzwecke beider Rechtsmaterien und kritisiert, dass das dem Datenschutzrecht zugrundeliegende Ziel des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, welches aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird und vor der unbefugten Gewinnung und Verwendung personenbezogener Daten schützen soll, keinen wettbewerbsrechtlichen Bezug aufweise. Die von der Klägerin vorgenommene „Aufspaltung“ nach den normativen Schutzgütern trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass es sich bei einer Gesamtbetrachtung um einen einheitlichen Vorgang handelt, bei dem die Nutzung personenbezogener Daten für eine nicht erlaubte Werbeansprache erfolgt. Da die Datenerhebung und -verarbeitung die unzulässige Kontaktaufnahme erst ermöglicht, ist es auch gerechtfertigt, dass unter datenschutzrechtlichen Aspekten die Frage der Rechtmäßigkeit der Verwendung der erhobenen Daten aufgeworfen wird. Daher kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte sei nicht befugt, als Datenschutzbehörde Wettbewerbsverstöße zu ahnden. Mit Blick auf die Argumentation der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass es anders als im Datenschutzrecht keine staatliche Kontrollinstanz gibt, die über die Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften wacht und Wettbewerbsverstöße nach dem UWG ahndet. Stattdessen kann jeder Mitbewerber selbst gegen einen Konkurrenten vorgehen, der sich nicht an wettbewerbsrechtliche Vorgaben hält, und von diesem gem. den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB Unterlassung verlangen.

Hiervon ausgehend kann die Argumentation der Klägerin, dass die wettbewerbsrechtlichen Wertungen bei der rechtlichen Beurteilung keine Berücksichtigung finden könnten, nicht überzeugen. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 16.2.2021 – 2 A 355/19 –10 entschieden, dass für die Datenverarbeitung zum Zweck der telefonischen Werbeansprache der Art. 6 Abs. 1 f DSGVO als Rechtsgrundlage wegen der Fortgeltung des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EU11, der ausdrücklich mitgliedstaatliche Regelungen erlaubt, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers nicht gestattet ist, nicht herangezogen werden kann. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) harmonisiert die Vorschriften der Mitgliedstaaten, die erforderlich sind, um einen gleichwertigen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit, in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation sowie den freien Verkehr dieser Daten und von elektronischen Kommunikationsgeräten und -diensten in der Union zu gewährleisten (Art. 1 Abs. 1 RL 2002/58/EG). Die EU-Kommission hat zwar am 10.1.2017 einen Vorschlag für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation vorgelegt. Die Verordnung soll die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation ablösen. Der Europäische Rat konnte sich aber bislang nicht auf eine Fassung der sogenannten ePrivacy-Verordnung verständigen. Demnach ist hier wegen der Öffnungsklausel des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EU12, der Regelungen für unerbetene Nachrichten enthält und ausdrücklich mitgliedstaatliche Vorgaben erlaubt, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers nicht gestattet ist, eine Berücksichtigung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG zulässig. Unter Nachricht ist nach Art. 2 lit. d RL 2002/58/EG jede Information zu verstehen, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird. Dazu zählen Nachrichten, die mit dem Telefon, automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten und elektronischer Post übermittelt werden.13 Der gegen die erstinstanzliche Auslegung des Begriffs der Werbung erhobene Einwand der Klägerin greift nicht durch. Der Begriff „Werbung“ ist in der DSGVO oder dem UWG nicht definiert. Nach der EU-Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (EG 2006/114) ist Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks- oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen (…) zu fördern“. Unter den Begriff der Telefonwerbung fallen damit alle Anrufe, mit denen das Ziel verfolgt wird, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Dem Gesetz ist daher eine Unterscheidung zwischen Direkt- und Nachfragewerbung – entgegen der Ansicht der Klägerin – fremd.

Werbeanrufe gegenüber Verbrauchern im sog. B2C-Verhältnis (sog. Business to Consumer “B2C“- Beziehungen) sind demzufolge sowohl aus wettbewerbsrechtlicher als auch aus datenschutzrechtlicher Sicht nach Art. 6 Abs. 1a, 7 DSGVO, § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. UWG nur mit deren ausdrücklicher Einwilligung zulässig, die vorliegend fehlt. Werbeanrufe gegenüber sonstigen Marktteilnehmern (sog. Business to Business „B2B“- Beziehungen) sind nur mit deren mutmaßlicher Einwilligung zulässig. „Marktteilnehmer“ ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG neben Mitbewerbern und Verbrauchern auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist. Fehlen derartige Willenserklärungen der Angesprochenen, dann stellen Werbeanrufe ausnahmslos eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dar. Im Hinblick darauf, dass Art. 13 Abs. 3 und Abs. 5 RL 2002/58/EG nicht zwischen den Begriffen „Verbraucher“ und sonstige „Marktteilnehmer“, sondern nur zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheidet und damit nicht mit dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 RL 2002/58/EG übereinstimmt, teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, wonach dieses gesetzgeberische Umsetzungsdefizit durch richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG aufgelöst werden kann, weil dadurch ein einheitlicher Schutz natürlicher Personen im Sinne des in unterschiedlichen Rechtsakten harmonisierten Datenschutzrechts erreicht werden kann. Selbst wenn man demzufolge hier annehmen würde, dass die Werbung auf die berufliche Tätigkeit des Werbeadressaten und damit auf den B2B-Bereich bezogen ist, liegt keine mutmaßliche Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. UWG der angesprochenen Zahnärzte vor. Der Bundesgerichtshof14 lehnt eine pauschalierende Betrachtungsweise dahingehend, die Zulässigkeit der Telefonwerbung davon abhängig zu machen, ob sie den eigentlichen Geschäftsgegenstand des Anzurufenden betrifft, ab. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass der Anrufer ex ante betrachtet unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vermuten darf, der Anzurufende werde der Telefonwerbung, aus welchen Gründen auch immer ein sachliches Interesse entgegenbringen. Es genügt nicht, dass der Anrufer von einem aktuellen oder konkreten Bedarf für die angebotenen Waren oder Dienstleistungen ausgehen darf, vielmehr muss hinzukommen, dass der Angerufene mutmaßlich gerade auch mit einer telefonischen Werbung einverstanden sein wird.15 Zur Frage, wann eine mutmaßliche Einwilligung anzunehmen ist, hat der Bundesgerichtshof16 ausgeführt, dass für eine Einschätzung auf Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen sei. Es müsse aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein sachliches Interesse des Anzurufenden vermutet werden können.17 Ein sachliches Interesse könne etwa vorliegen, wenn das angerufene Unternehmen die Ware oder Dienstleistung für eine Produktion laufend benötige. Einfließen könne auch, ob diese Art der Telefonansprache innerhalb der jeweiligen Branche üblich sei. Eine bloße Sachbezogenheit genügt jedoch nicht, um von einer Einwilligung des angerufenen Unternehmers auszugehen. Dies zugrunde gelegt lässt sich ein solchermaßen sachlich begründetes Interesse von Zahnärzten bzw. Zahnarztpraxen an dem Verkauf von Edelmetallresten an die Klägerin nicht feststellen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann dieses nicht schon daraus geschlossen werden, dass die angerufenen Zahnärzte ihre Telefonnummer in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen veröffentlichen, denn dies dient ausschließlich dazu, die Erreichbarkeit für Patienten zu gewährleisten. Der Verkauf von Edelmetallresten zur Gewinnerzielung ist auch weder typisch noch wesentlich für die Tätigkeit eines Zahnarztes. Im Übrigen dürfte der Verbleib von Edelmetallresten im Besitz des Zahnarztes eher die Ausnahme sein, da diese üblicherweise nach der zahnärztlichen Behandlung dem betroffenen Patienten als deren Eigentümer übergeben werden, der darüber nach Belieben verfügen kann. Steht demnach fest, dass die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG erforderliche – ausdrückliche bzw. mutmaßliche – Einwilligung nicht vorliegt, ist es der Klägerin verwehrt, auf den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zur Rechtfertigung ihrer Geschäftspraxis zurückzugreifen…“

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