Wettbewerbsrecht

OLG Karlsruhe: Werbung für Desinfektionsmittel mit Hautfreundlichkeit

Streitgegenständlich waren in dem Gerichtsverfahren, dass das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 9. November 2022 entschieden hat (Az.: 6 U 322/21), Revision soll nach Angabe der Wettbewerbszentrale e.V. eingelegt werden oder worden sein, die Angaben „Sanft zur Haut“, „Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ sowie „Konsumenten sind überzeugt – 100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“. Insbesondere war dabei die Frage streitig, ob die Angaben jeweils ein ähnlicher Hinweis“ gemäß Art. 69 Abs. 2 Satz 1 Biozid-VO, Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO sind und daher den per-se verbotenen Angaben zur Werbung für Desinfektionsmitteln gleichgestellt sind und daher auch unzulässig sind. Dies wäre dann ein Verstoß gegen § 3a UWG.

Das Gericht verneinte dies und führt dazu unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:

„…Der Kreis der Angaben, die als „ähnliche Hinweise“ verboten sind, ist nicht relativ nach dem Gefährdungspotenzial der betroffenen Biozidproduktart (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO i.V.m Anh. V) zu bestimmen (vgl. näher bereits Senat, Urteil vom 8. Juni 2022 – 6 U 95/21, GRUR 2022, 1620 Rn. 40). Eine solche Auslegung wäre mit dem Verordnungswortlaut und der Systematik nicht in Einklang zu bringen. Die Erwägungsgründe (etwa 38, 69) der Verordnung haben, wie auch der Kläger im Ausgangspunkt zutreffend anführt, im Blick, dass es Biozidprodukte gibt, die geringere Risiken für Mensch, Tier und Umwelt als andere bzw. ein niedriges Risikopotenzial aufweisen. Weiter erkennt die Biozid-Verordnung, dass es spezifisch Biozid-Produkte geben kann, die auf der Haut angewendet werden und deshalb auch den Vorschriften über Kosmetika genügen müssen (vgl. Art. 19 Abs. 9 Biozid-VO). Den in Art. 69, 72 Biozid-VO klar dokumentierten Willen des Verordnungsgebers, gleichwohl ein unterschiedslos für alle vom Anwendungsbereich der Verordnung umfassten Biozide geltendes Verbot insbesondere bestimmter (aufgezählter und ähnlicher) Angaben zu schaffen, darf die Rechtsanwendung nicht außer Acht lassen.

(4) Die Verordnung will indes nicht schlechthin Angaben – unabhängig von ihrem am Irreführungsverbot zu messenden Wahrheitsgehalt – verhindern, die sich mit dem Vorhandensein und gegebenenfalls Ausmaß oder Fehlen bestimmter Gefahren, Wirkungen des Produkts hinsichtlich Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder dessen Wirksamkeit befassen und die für den Verkehr folglich entscheidungsrelevant sein können. Sonst liefen die Irreführungstatbestände leer. Die Verordnung lässt auch nicht erkennen, dass von den erlaubten (insbesondere nicht irreführenden) Angaben sämtliche, also auch substantiierte spezifische Hinweise ausnehmen will, die sich auf fehlende oder geringe Risiken oder gar günstige Wirkungen des Produkts in bestimmter Hinsicht beziehen. Derartiges hätte der Verordnungsgeber einfach durch eine abstrakte Regelung anordnen können, anstatt – wie geschehen – den Verbotsbereich durch eine nicht abschließende Auflistung einzelner Begriffe zu umschreiben. Auch dies spricht für eine enge Auslegung des Merkmals „ähnliche Hinweise“ dahin, dass sämtliche den beispielhaften Begriffen der Aufzählung gemeinsamen Eigenschaften, also nicht nur deren verharmlosender Gehalt, sondern gerade auch, worauf das Landgericht zutreffend abstellt, deren Pauschalität, vorliegen müssen. Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, der Verkehr werde die Angabe stets auf die eigene Anwendung beziehen und nicht auf sonstige Umweltfaktoren. Die jeweiligen Begriffe sind gerade unabhängig vom Anwendungskontext untersagt….Auf Grundlage dieses Regelungszwecks der Biozid-VO sind die angegriffenen Angaben „sanft zur Haut“, „hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ und „100% bestätigen die Hautverträglichkeit“, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, nicht als „ähnlicher Hinweis“ gemäß Art. 69 Abs. 2 Satz 1 Biozid-VO, Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO untersagt. Maßgeblich für die zunächst erforderliche Bestimmung des Sinngehalts der Angaben ist die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers, wobei alle einschlägigen Gesichtspunkte sowie sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 – C-632/16, WRP 2018, 1049 Rn. 1052 – Dyson u. a./BSH Home Appliances; Urteil vom 17. Dezember 2020 – C-667/19, WRP 2021, 173 Rn. 35 – A. M./E. M.)…“

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