IT-Recht,  Urheberrecht

BGH: Vorgaben für Netzsperren konkretisiert

In dem Urteil vom 13. Oktober 2022 (Az.: I ZR 111/21 – DNS-Sperre) hat das Gericht die rechtlichen Voraussetzungen für sog. Netzsperren konkretisiert, die bei Urheberrechtsverletzungen als letztes Mittel in Betracht kommt, damit ein Rechteinhaber die Urheberrechtsverletzung unterbinden kann.

In den Entscheidungsgründen führt das Gericht unter anderem aus:

„…Welche Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls.

(1) Der Rechtsinhaber ist in zumutbarem Umfang dazu verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten anzustellen (vgl. BT-Drucks. 18/12202, S. 12). Dies umfasst insbesondere die Einschaltung staatlicher Ermittlungsbehörden im Wege der Strafanzeige (vgl. BGHZ 208, 82 [juris Rn. 87] – Störerhaftung des Access-Providers) und die außergerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf Drittauskunft gegenüber dem Host-Provider, um den Betreiber der Internetseite zu ermitteln. Auch die Vornahme privater Ermittlungen etwa durch einen Detektiv oder andere Unter-nehmen, die Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführen, ist – unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ressourcen des Rechtsinhabers – grundsätzlich zumutbar (vgl. BGHZ 208, 82 [juris Rn. 87] – Störerhaftung des Access-Providers).

(2) Die außergerichtliche Inanspruchnahme eines bekannten Betreibers der Internetseite oder Host-Providers auf Entfernung der urheberrechtsverletzenden Inhalte ist dem Rechtsinhaber im Regelfall ebenfalls zumutbar.

(3) Mit Blick auf eine gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen ist allerdings in besonderem Maß zu berücksichtigen, dass dem Rechtsinhaber keine Maßnahmen auferlegt werden dürfen, die zu einer unzumutbaren zeitlichen Verzögerung seiner Anspruchsdurchsetzung führen (vgl. auch EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 141 und 143] = WRP 2021, 1019 – Youtube und Cyando). Daher kann die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens über mehrere Instanzen und gegebenenfalls mehrere Monate oder Jahre hinweg nicht verlangt werden (vgl. auch Höfinger, ZUM 2018, 382, 385; Müller, MMR 2019, 426, 430; Grisse, ZUM 2021, 152, 154; differenzierend LG München I, MMR 2018, 322 [juris Rn. 106]). Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen innerhalb der Europäischen Union ansässige Betreiber oder Host-Provider hat der Rechtsinhaber jedoch grundsätzlich anzustrengen (vgl.Spindler, GRUR 2014, 826, 832; ders., GRUR 2016, 451, 458; aA J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97 Rn. 171a; wohl auch Weisser/Färber, BB 2016, 776, 777). Vor dem Hintergrund des Vertrauens, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenseitig ihren Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen entgegenbringen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 17. November 2021 – I ZB 16/21, IWRZ 2022, 129 [juris Rn. 39 mwN]), ist grundsätzlich da- von auszugehen, dass eine einstweilige Verfügung innerhalb der Europäischen Union zügig erwirkt und vollstreckt werden kann. Soweit Staaten außerhalb der Europäischen Union betroffen sind, muss das Vorhandensein gleichwertiger Rechtsschutzmöglichkeiten jedoch im Einzelfall geprüft werden, ohne dass dem Antragsteller hierfür überzogene Darlegungslasten aufgebürdet werden dürfen (vgl. Spindler, GRUR 2014, 826, 832; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 107 f.).

(4) Grundsätzlich zumutbare Anstrengungen können im Einzelfall unterbleiben, wenn ihnen aus vom Anspruchsteller darzulegenden Gründen jede Erfolgsaussicht fehlt. Dies kann sich beispielsweise aus der Erfolglosigkeit früherer Maßnahmen – wie einem in anderem Zusammenhang durchgeführten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen denselben Host-Provider – ergeben…“

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