Datenschutzrecht

BAG:Unbestimmter Klageantrag zu Art.15 DSGVO

Unbestimmter Klageantrag zu Art.15 DSGVO – Die Antragstellung in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch nach Art. 15 DSGVO kann eine Herausforderung darstellen. Dies zeigt das Urteil des BAG vom 16. Dezember 2021 (Az.: 2 AZR 235/21).

In dem Rechtsstreit war ein Auskunftsanspruch streitig.

Der Klageantrag war in folgendem Umfang gestellt worden:

„1.   

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von ihr verarbeiteten und nicht in der Personalakte des Klägers gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers zu erteilen, im Hinblick auf                           

  • die Zwecke der Datenverarbeitung,
  • die Empfänger, gegenüber denen die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt hat oder noch offenlegen wird,
  • die Speicherdauer oder falls dies nicht möglich ist, Kriterien für die Festlegung der Dauer,
  • die Herkunft der personenbezogenen Daten des Klägers, soweit die Beklagte diese nicht bei dem Kläger selbst erhoben hat und
  • das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling sowie aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung.

2.   

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Kopie seiner personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der von ihr vorgenommenen Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.“

Dieser Antrag war im Berufungsverfahren zustande gekommen, nach dem in der ersten Instanz die Klage vollumfänglich stattgeben worden war.

Die Richter sehen in dem vorgenannten Klageantrag jedoch einen Verstoß gegen den prozessualen Grundsatz der Stellung eines bestimmten und damit auch vollstreckbaren Klageantrages.

Der Klageantrag erfülle nicht die Vorgaben des § 313 I 4 ZPO iVm. § 253 II 2 ZPO.

Unbestimmter Klageantrag zu Art.15 DSGVO – Ansicht des Gerichts zum Klageantrag zu 1.

Der BAG begründete seine Entscheidung unter anderem wie folgt in den Entscheidunggründen:

„… Der vom Kläger zuletzt gestellte Antrag zu 1. (erstinstanzlicher Tenor zu 3.) erfüllt die nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheitserfordernisse nicht, da er – ergänzend zum Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO – auslegungsbedürftige Begriffe verwendet, über deren Inhalt bei den Parteien Zweifel bestehen („Leistungs- und Verhaltensdaten“). Ferner verunklart die Ausnahme eines Speicherorts im Antrag („nicht in der Personalakte des Klägers gespeichert“), welche Auskünfte im Ergebnis verlangt werden. (1) Bei der Formulierung „Leistungs- und Verhaltensdaten“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren (vollstreckungsrechtliche) Reichweite im vorliegenden Fall unklar ist. Der Kläger will keine Auskunft über „alle“ gespeicherten personenbezogenen Daten, was der Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO umfassen würde. Er will nur Auskunft über „Leistungs- und Verhaltensdaten“, aber nicht über diejenigen, die in seiner Personalakte gespeichert sind. Die Parteien sind auch nicht darüber einig, welche Daten hiervon erfasst werden. Anders als das Landesarbeitsgericht meint, führt ein Rückgriff auf die zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu einer Bestimmtheit der Anträge. Die vorgenannte Norm erfasst Daten, die von „technischen Einrichtungen“ erhoben werden, die „dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“. Selbst wenn man sich die Annahme zu eigen machen wollte, dass es bei „Verhalten“ und „Leistung“ – die im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht weiter voneinander abzugrenzen sind (vgl. Fitting BetrVG 30. Aufl. § 87 Rn. 221) – um ein „vom Willen des Arbeitnehmers getragenes oder gesteuertes Tun oder Unterlassen“ geht (vgl. BAG 11. März 1986 – 1 ABR 12/84 – zu B II 3 b der Gründe, BAGE 51, 217), würde dies den Anspruchsinhalt nicht verdeutlichen. Solche Daten sind typischerweise Inhalt der Personalakte, die dort enthaltenen Daten werden vom Antrag aber gerade ausgeklammert. Welche Daten dieser dann noch umfassen soll, ist nicht ersichtlich. Es könnte um Einschätzungen oder Meinungsäußerungen anderer Mitarbeiter über den Kläger gehen (vgl. zur RL 95/46/EG aber EuGH 17. Juli 2014 – C-141/12 und C-372/12 – Rn. 45 f., 48, wo auf den Umstand hingewiesen wird, dass die betroffene Person zwar Auskunft über die gespeicherten „Tatsachengrundlagen“ verlangen kann, nicht aber über die darauf basierenden „Analysen“) oder um Informationen, die sich möglicherweise vom „Leistungs- und Verhaltensbegriff“ entfernen, wie es bei einem bloßen E-Mail-Wechsel häufig der Fall sein wird. Da die Beklagte gegenüber dem Kläger angegeben hat, welche Daten – insbesondere in Bezug auf Hinweisgeber – sie ihm nicht mitteilt, hätte er umso mehr die Möglichkeit gehabt zu präzisieren, welche Auskünfte er noch begehrt. Der Kläger hat – so scheint es – klare Vorstellungen darüber, betreffend welcher Daten er eine Auskunft begehrt, benennt diese aber nicht eindeutig. Damit lässt er in vermeidbarer Weise im Unklaren, welche konkrete Handlung von der Beklagten er begehrt und verschiebt die Fragen, zu welchen Auskünften diese verpflichtet sein soll, unzulässigerweise in das Vollstreckungsverfahren…“

Unbestimmter Klageantrag zu Art.15 DSGVO – Ansicht des Gerichts zum Klageantrag zu 2.

„…Auch der Antrag zu 2. (erstinstanzlicher Tenor zu 4.) ist unzulässig. Eine bloß abstrakte Nennung der begehrten „Kopie“ unter Wiederholung des Wortlauts von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO und Hinzufügung der auslegungsbedürftigen Kriterien „Leistung und Verhalten“, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klageantrags. Bei einer Verurteilung wäre unklar, auf welche personenbezogenen Daten sich die Verurteilung konkret bezöge und wann der Anspruch erfüllt wäre (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 342/20 – Rn. 20).

(1) Bei den Begriffen „Leistungs- und Verhaltensdaten“ handelt es sich – wie schon oben unter Rn. 24 ff. für das Auskunftsverlangen beschrieben – um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren (vollstreckungsrechtliche) Reichweite völlig unklar ist. Die Parteien sind auch nicht darüber einig, welche Daten hiervon erfasst werden. Dies gilt umso mehr, als der Kläger im Berufungsverfahren sein Begehren auch auf den Beispielsfall des E-Mail-Verkehrs mit einem Mitarbeiter der Beklagten in einem bestimmten Zeitraum bezogen hat, bei dem es schon nicht naheliegend ist, dass sämtliche E-Mails mit „Leistung und Verhalten“ des Klägers in Zusammenhang stehen. Herauszufinden, welche E-Mails davon betroffen sind, würde die Auseinandersetzung auch hier unzulässigerweise in das Vollstreckungsverfahren verlagern.

(2) Unabhängig davon erwiese sich der Antrag auf Zurverfügungstellung einer „Kopie“ auch unter Hinwegdenken des verunklarenden Elements der „Leistungs- und Verhaltensdaten“ als unzulässig, da ihm die hinreichende Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fehlt. Anders als möglicherweise beim Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO, wo auch eine bloße Wiederholung des Normwortlauts als zulässiger Antrag zu erwägen sein könnte, da es für den Anspruchsteller zunächst darum geht, Informationen zu einer weiteren Konkretisierung zu erhalten, genügt dies bei dem – wie hier außerhalb einer Stufenklage (§ 254 ZPO) geltend gemachten – Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO grundsätzlich nicht.

(a) Das Begehren, eine „Kopie“ zur Verfügung gestellt zu bekommen, ist mangels näherer Bestimmung dahin zu verstehen, dass die Beklagte dem Kläger nach ihrer Wahl entweder einen Papierausdruck oder eine elektronische Datenkopie zu überlassen habe (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 342/20 – Rn. 17).

(b) Selbst in dieser konkretisierten Auslegung ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt. Die bloße Wiederholung des Wortlauts von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO lässt nicht erkennen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt wird. Eine daraufhin ergehende Verurteilung wäre nicht vollstreckbar (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 342/20 – Rn. 21; ebenso Schulte/Welge NZA 2019, 1110, 1112). Die personenbezogenen Daten sind nicht in einer Weise bezeichnet, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft wäre, worauf sich die Verurteilung zur Überlassung einer Kopie konkret bezöge und damit, wann mit einer Überlassung von in diese Kategorie fallenden Daten der Anspruch erfüllt wäre (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 342/20 – Rn. 18). Damit würde der Streit der Parteien in vermeidbarer Weise in die Vollstreckung verlagert werden. Um dies zu vermeiden ist der Kläger – soweit er selbst zu einer genaueren Bezeichnung außer Stande ist – gehalten, sein Begehren mittels einer Stufenklage (§ 254 ZPO) durchzusetzen. Diese ist zunächst auf Erteilung einer Auskunft zu richten, welche personenbezogenen Daten die Beklagte verarbeitet, auf der zweiten Stufe ggf. auf Versicherung an Eides statt, dass die Auskunft zutreffend und vollständig ist, und schließlich auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden Daten (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 342/20 – Rn. 20). Dies gilt vorliegend umso mehr, weil die Beklagte dem Kläger bereits eine (zumindest teilweise) Kopie der ihres Erachtens von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt hat, die bei der Abfassung des darauf bezogenen Klageantrags bis zuletzt unberücksichtigt geblieben ist…

Unbestimmter Klageantrag zu Art.15 DSGVO

Die Entscheidung zeigt, dass die Antragstellung im Gerichtsverfahren durchaus eine Herausforderung sein kann. Anderseits gibt die Entscheidung auch klare „Leitplanken“ für zukünftige Verfahren vor.

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