Wettbewerbsrecht

OLG Hamburg: Werbung für Hörgeräte mit Payback-Punkten von mehr als 5 EUR ist ein Verstoß gegen § 7 HWG

So das Gericht in seinem Urteil vom 29. Februar 2024 (Az.: 3 U 83/21) in einem wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreit eines qualifizierten Wirtschaftsverbandes mit einem Unternehmen, dass unter anderem Hörgeräte vertreibt. Dieses hatte sein Angebot mit der Vergabe von Payback-Punkten beworben.

Für das Gericht ist diese Werbung, entgegen der Ansicht des Landgerichts, eine produktbezogene Werbung, die unter den Anwendungsbereich des § 7 HWG fällt, da der Produktbezug auch einem Kundenbindungssysteme und dessen Teilnahme gegeben sei. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Dass die Werbung sich auf ein Kundenbindungssystem bezieht, führt im Streitfall ebenfalls nicht dazu, dass nur von einer Imagewerbung auszugehen wäre.

Der Bundesgerichtshof hat zwar in einer Reihe von Urteilen vom 09.09.2010 die Werbung für Bonussysteme von Apotheken als „Imagewerbung“ bezeichnet (GRUR 2010, 1133 Rn. 21 – Bonuspunkte; GRUR 2010, 1136 Rn. 24 – Unser Dankeschön für Sie;I ZR 37/08, juris Rn. 21; I ZR 125/08, juris Rn. 20 – Bonussystem; I ZR 26/09, juris Rn. 22 – Bonus-Taler). Zudem hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung GRUR 2017, 641 Rn. 38 – Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln, in der es um die Werbung mit der Aussage „Zuzahlung bezahlen Sie übrigens bei uns nicht, das übernehmen wir für Sie!“ ging, ausgeführt, dass das Berufungsgericht zu Recht eine produktbezogene Werbung bejaht habe und sich aus der Entscheidung BGH, GRUR 2010, 1136 Rn. 24 f. – Unser Dankeschön für Sie keine abweichende Beurteilung ergebe, da es anders als in jener Entscheidung vorliegend schon nicht um ein Kundenbindungssystem des Leistungserbringers gehe, in dem beim Bezug verschreibungspflichtiger Produkte erhaltene Einkaufsgutscheine erst beim späteren Erwerb beliebiger nicht verschreibungspflichtiger Produkte eingelöst werden könnten.

Aus dieser Formulierung kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass deshalb jede Werbung für ein solches Kundenbindungssystem zulässige Imagewerbung wäre. In der Entscheidung BGH, GRUR 2017, 635 Rn. 32 f. – Freunde werben Freunde hat der Bundesgerichtshof in Bezug auf seine Urteile vom 09.09.2010 vielmehr klargestellt:

„Soweit im Schrifttum die Ansicht vertreten wird, der Senat sei in diesen Entscheidungen von der DeguSmiles & more-Entscheidung abgerückt (Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl., § 7 Rn. 15), trifft dies nicht zu.

Zwar hat der Senat in diesen Entscheidungen eine auf das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer Apotheke bezogene Zuwendung als ‚Imagewerbung‘ bezeichnet. Er hat damit jedoch nicht in Abkehr von den Maßstäben der ‚DeguSmiles & more‘-Entscheidung zum Ausdruck gebracht, eine Werbung mit Zuwendungen oder Werbegaben, die sich auf das gesamte Sortiment erstrecke, stehe ihrer Bewertung als Absatzwerbung stets entgegen.“

Nach Auffassung des Senats steht es mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deshalb in Einklang, Werbung, die für den Fall des Kaufs von Produkten Werbegaben verspricht, auch dann als produktbezogen anzusehen, wenn die Werbung die Werbegaben als Teil eines Kundenbindungssystems darstellt, an dem der Werbende beteiligt ist…“

Allerdings sieht das Gericht eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne von § 7 I 1 Nr. 1 HWG, sofern der Betrag von 5 EUR durch die Vergabe von Payback-Punkten nicht erreicht wird. Das Gericht führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Nach Auffassung des Senats ist die im Fall einer Publikumswerbung für preisgebundene Arzneimittel geltende Wertgrenze von 1,00 € nicht auf den Fall einer Publikumswerbung für nicht- preisgebundene Heilmittel, insbesondere Medizinprodukte, zu übertragen. Wegen des in diesen Fällen bereits möglichen Preiswettbewerbs und der allgemeinen Preissteigerung ist eine gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG zu verhindernde Lenkungswirkung vielmehr erst bei einem Wert von mehr als 5,00 € zu befürchten…

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dieser Betrag nicht die Wertgrenze, die für einen einzelnen PAYBACK-Punkt gilt, sondern für die Summe der gewährten PAYBACK-Punkte. Denn wenn für sich allein als geringwertig anzusehende Zuwendungen gebündelt gewährt werden, ist regelmäßig auf den Summeneffekt abzustellen (BGH, GRUR 2021, 628 Rn. 30 – Apothekenmuster II). Aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 09.09.2010 ergibt sich nichts anderes. Dort hat der Bundesgerichtshof die Geringwertigkeit zwar je Taler bzw. Bonuspunkt geprüft (GRUR 2010, 1133 Rn. 22 – Bonuspunkte; I ZR 125/08, juris Rn. 21 – Bonussystem; I ZR 26/09, juris Rn. 23 – Bonus-Taler). Soweit ersichtlich wurden die Taler bzw. Punkte dort allerdings nicht – wie hier – proportional zum Umsatz ausgegeben, sondern nur ein einziger Taler bzw. Punkt für jedes Arzneimittel (KG, GRUR-RR 2008, 450, juris Rn. 3 als Vorinstanz zu BGH, GRUR 2010, 1133 – Bonuspunkte) bzw. für einen Einkauf ab 10,00 € (LG Offenburg, Urteil vom 12.09.2007 – 5 O 107/06, BeckRS 2009, 489 als erste Instanz zu BGH, Urteil vom 09.09.2010 – I ZR 26/09, juris – Bonus-Taler).

Der Betrag von 5,00 € ist zudem die Wertgrenze für die PAYBACK-Punkte, die für den Kauf jedes einzelnen Medizinprodukts, hier Hörgeräteprodukts, gewährt werden dürfen. Dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Wertgrenze von 1,00 € für jedes verschreibungspflichtige Präparat gilt und nicht etwa für jedes Rezept, auf dem auch mehrere verschreibungspflichtige Arzneimittel verschrieben werden können (BGH GRUR 2013, 1262 Rn. 9 – Rezept-Prämie; BGH, GRUR 2015, 813 Rn. 21 – Fahrdienst zur Augenklinik)…“

Anmerkung des Autors:

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages ist nicht bekannt, ob gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Revision zum BGH eingelegt worden ist.

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