Datenschutzrecht

VGH München: Drohneneinsatz zur Ermittlung der Geschossfläche durch Betreiber einer öffentlichen Einrichtung zur Abwasserbeseitigung ist Erarbeitung von personenbezogenen Daten, aber es fehlt in Bayern ausreichende Rechtsgrundlage (Art. 4 I BayDSG nicht ausreichend)

So das Gericht in seinem Beschluss vom 15. Februar 2024 (Az.: 4 CE 23.2267) in einem Verfahren rund um den Antrag einer einstweiligen Anordnung und einer eingereichten Beschwerde gegen eine erstinstanzliche Entscheidung.

Das Gericht sieht zwar die Anwendung des Datenschutzrechtes und begründet wie folgt:

„…Bei der geplanten Drohnenbefliegung sollen im Sinne des Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die Lichtbildaufnahmen eines Grundstücks und eines Gebäudes könnten zunächst als sachbezogen angesehen werden. Im angefochtenen Beschluss (BA Rn. 38) wird jedoch zutreffend ausgeführt, dass sich der Personenbezug im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO zum einen aus der Georeferenziertheit dieser Daten ergibt, d.h. aus ihrer Verknüpfung mit Geodaten zur Lage und Bezeichnung des Grundstücks, mit denen wiederum ein Bezug zur Person des jeweiligen Grundstückeigentümers hergestellt werden kann (vgl. Schild in: Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1.11.2023, Rn. 23 zu Art. 4 DSGVO). Zum anderen weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass mithilfe von Drohnen gefertigte Aufnahmen auch z.B. Terrassen sowie Balkonflächen und durch Glasflächen auch (Wohn-)Räume erfassen und damit Details der dortigen Wohnverhältnisse dokumentieren können. Die bildliche Erfassung des unmittelbaren persönlichen Lebensumfelds und sich dort aufhaltender Personen betrifft unmittelbar personenbezogene Daten. Auch die Antragsgegnerin bezweifelt nicht, dass es sich bei einer Drohnenbefliegung mit Kamera um eine Datenverarbeitung handelt, die einer Rechtsgrundlage bedarf…“

Allerdings fehlt es dem Gericht an einer ausreichenden Anspruchsgrundlage. Die Regelung des Art. 4 I BayDSG sei für den weitreichenden Grundrechtseingriff nicht ausreichend, um die Erfordernisse des Art. 6 I 1 lit. e) DSGVO zu erfüllen.

Dazu führt das Gericht unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:

„…Der Einsatz einer Drohne im Auftrag einer Gemeinde zur Anfertigung von Fotoaufnahmen eines Wohngrundstücks und eines Wohngebäudes von außen zur Ermittlung von Geschossflächen kann nicht auf Art. 4 Abs. 1 BayDSG gestützt werden, sondern bedarf einer speziellen Rechtsgrundlage. Die Maßnahme stellt einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) dar, welches das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Achtung der Privatsphäre umfasst.

Ein Drohneneinsatz zum Zwecke der fotografischen Dokumentation eines Wohngrundstücks und des dortigen Wohngebäudes von außen greift in den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung und -führung ein. Die Privatsphäre umfasst zunächst den räumlich inneren Hausbereich. Eine schützenswerte Privatsphäre besteht jedoch auch außerhalb dieses Bereichs in gleicher Weise beispielsweise dann, wenn sich jemand in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen hat, in der er objektiv erkennbar für sich allein sein will. Danach ist ein umfriedetes Grundstück jedenfalls dann der Privatsphäre zuzurechnen, wenn es dem Nutzer die Möglichkeit gibt, frei von öffentlicher Beobachtung zu sein (vgl. BVerfG, U.v. 15.12.1999 – 1 BvR 653/96NJW 2000, 1021/1022 f.; BGH, U.v. 9.12.2003 – VI ZR 373/02NJW 2004, 762/763). Mithilfe einer Drohne können Aufnahmen der zur Wohnung zählenden Terrassen, Balkone sowie Gartenflächen mit deren Ausstattung und Gestaltung hergestellt werden. Auch die sich dort aufhaltenden Personen werden – unabhängig von ihrer Eigenschaft als Beitragsschuldner – fotografiert. Weiter ist nicht auszuschließen, dass durch Glasflächen auch Innenräume erfasst werden. Dem steht nicht entgegen, dass diese Gefahr eventuell durch Spiegelungen verringert wird. Drohnen können zudem besonders scharfe Aufnahmen fertigen; dies betrifft auch ansonsten schwer einsehbare Orte. Hinzu kommt, dass sie häufig schwer wahrnehmbar sind, was Vorkehrungen zum Schutz der Privatsphäre erschwert. Auch wird eine Drohnenbefliegung nicht durch ein Verhalten des Grundstückseigentümers veranlasst, wenn sie wie vorliegend der Beitragsbemessung dient. Sie erfolgt unter Umständen auch ohne vorherigen Erlass eines Duldungsbescheids und ohne konkrete Terminankündigung, was ggf. die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erschwert.

Die Antragsgegnerin trägt insoweit vor, die Flughöhe von ca. 65 Metern über Grund sei durch verschiedene Testläufe so gewählt worden, dass u.a. Personen nicht erkennbar, große Geometrien wie z.B. Hauskanten, Dachfenster, Säulen etc. dagegen über die Verknüpfung mehrerer Bilder im Genauigkeitsbereich weniger Zentimeter darstellbar und ermittelbar seien. Es sei sichergestellt, dass keine konkreten Details der Wohnverhältnisse und keine Gegenstände auf nicht überdachten Flächen wie Terrassen von einer Größe von über drei Zentimetern erkennbar erfasst würden; ein drei Zentimeter großer Gegenstand (z.B. ein Autoschlüssel) werde lediglich als ein einziger Pixel dargestellt. Es würden auch keinerlei Aufnahmen erstellt, auf denen das Innere von Gebäuden erkennbar sei.

Durch diesen Vortrag der Antragsgegnerin wird die potentiell erhebliche Eingriffsqualität von Drohnenbefliegungen auf Wohngrundstücken nicht substantiiert in Frage gestellt. Sie bezieht sich nur auf den vorliegenden Einzelfall und verweist im Wesentlichen pauschal auf eine im Beschwerdeverfahren nicht vorgelegte Mitteilung des beauftragten Ingenieurbüros. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern größere Gegenstände und Personen nicht erkennbar sein sollten und die Aufnahme von Innenräumen generell ausgeschlossen werden könnte. Es ergibt sich zudem nicht aus dem Vortrag der Antragsgegnerin und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass solche Aufnahmen aus technischen Gründen auszuschließen wären. Auch die Flughöhe kann stark variieren…“

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