E-Commerce-Recht,  Wettbewerbsrecht

OLG Köln: Werbung mit einer UVP und die rechtliche Bewertung als irreführend, da Mondpreis->Angebotssituation kann nicht nur durch Vorlage von Onlinehändlern belegt werden

So das Gericht in seinem Urteil vom 23. Juni 2023, Az.: 6 U im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahrens. Es waren verschiedene Werbegestaltungen unter der Verwendung einer UVP streitig. Das Gericht benennt die Kriterien, die für die Glaubhaftamchung oder Beweisführung in einem Klageverfahren gelten sollen, sofern eine irreführende Verwendung einer UVP gelten sollen. Es führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Der Senat hat in der Sache 6 U 92/22 bereits ausgeführt, dass die reine  Betrachtung von Online-Händlern kein verlässliches Bild der Angebotssituation ergeben könne: Denn da im Grundsatz Online-Händler Produkte in vielen Fällen  wesentlich günstiger anbieten könnten als der stationäre Handel, weil sie sich u.a. die Kosten für ein Geschäftslokal ersparten, sei dem durchschnittlichen Verbraucher, zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen, bekannt, dass in vielen Marktsegmenten Online-Händler ihre Produkte oft nicht in Höhe der UVP anböten. Die Vorlage von einigen Angeboten von Online-Händlern, die die UVP nicht forderten, sei daher für sich betrachtet nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass die UVP von den Empfehlungsempfängern nicht befolgt werde, was aber für einen Rückschluss darauf, dass es sich bei der UVP um einen sogenannten Mondpreis handele, erforderlich wäre (Senat GRUR-RR 2022, 501, 503 Rn. 33 – Mondpreise).

(b) An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Der entscheidende Unterschied zu dem vorgenannten Verfahren liegt im Streitfall in dem Vortrag der Parteien in tatsächlicher Hinsicht. Anders als in jenem Verfahren, wo im Berufungsverfahren unstreitig geworden war, dass ein Unterschied in der Preisgestaltung zwischen Online- und stationärem Handel im speziellen Bereich von T. nicht existiert, weshalb die Bezugnahme auf die Online-Preise ausreichend zur schlüssigen Darlegung einer

Irreführung war, hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass die Antragsgegnerin dieser Behauptung der Antragstellerin im Streitfall deutlich entgegengetreten ist. So ergibt sich aus dem vorgelegten Newsletter des Handelsverbandes Deutschland (Anlage AG 1, Bl. 250 GA), dass es Preisunterschiede zwischen stationärem und Online-Handel auch bei Händlern gibt, die auf beiden Vertriebskanälen tätig sind (Multichannel-Händler). Diese stellen, wie auch die Antragstellerin nicht in Abrede stellt, ebenso auf dem T.-Markt das Gros der Händler dar. Zwar bezieht sich diese Aussage nur auf bestimmte Kategorien von Produkten, namentlich Unterhaltungselektronik, Parfüm und Schuhe. Allerdings liegt in Bezug auf den Vergleich zwischen reinen Online-Händlern und zumindest teilweise auch stationären Händlern, wie die Antragsgegnerin zu Recht ausgeführt hat, ein Preisvorteil der ersteren Gruppe auch im hier zu betrachtenden Marktsegment ohne weiteres auf der Hand, weil die Kostenstruktur eine deutlich andere als bei (zumal zusätzlicher) Unterhaltung eines Filialgeschäftes ist (so auch bei der Antragstellerin, die lediglich 34 Mitarbeiter beschäftigt, vgl. den Jahresabschluss in Anlage AG 7, Bl. 260 GA). Die von der Antragstellerin demgegenüber ins Feld geführten Kostenpositionen (Widerrufskosten, Versandkosten), die allein den Online-Handel träfen, vermögen dies bereits deswegen nicht zu kompensieren und so einen „Gleichklang“ zwischen stationärem Handel und Online-Handel zu begründen, weil die großen T.-Händler bzw. Möbelhäuser nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin (und gerichtsbekannt) sämtlich „Multichannel-Händler“ sind und mithin auch online ihre Waren anbieten. Dies wiederum hat zur Folge, dass bei diesen Händlern die von der Antragstellerin genannten Kosten für das Onlinegeschäft zusätzlich zu denjenigen anfallen, die sie für den Betrieb eines Filialnetzes aufwenden müssen. Zwar mag es insofern in Teilen Synergieeffekte geben, z.B. durch Click and Collect-Modelle bei Abholung in der Filiale, was einen Teil der Versandkosten ersparen kann, weil die bereits vorhandene Logistik genutzt werden kann. Dies ändert aber nichts an den Kosten für Aufbau und Unterhaltung einer Online-Präsenz, online zu schaltender Werbung speziell für den Online-Shop sowie den Kosten bei Widerruf des Kaufvertrags, die ebenso von den „Multichannel-Händlern“ zu tragen sind. Wie mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert ist es zudem gerichtsbekannt und auch allgemeinkundig, dass auch bei Erwerb von T. im stationären Handel regelmäßig eine großzügige „Zufriedenheitsgarantie“ in Form einer Rückgabemöglichkeit bei Nichtgefallen angeboten wird, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen dem im Fernabsatz bestehenden Widerrufsrecht häufig gleichkommen wird.

(c) Danach wäre es an der Antragstellerin gewesen, näher zur Preisgestaltung im stationären Handel vorzutragen. Richtig ist zwar, wie vorstehend ausgeführt, dass die rein stationären Unternehmen ohne jegliche Online-Präsenz nicht den Großteil des Marktes ausmachen werden, wie die Antragstellerin (S. 5 und 17 des Schriftsatzes vom 24.10.2022, Bl. 279 und 291 GA) vorträgt. Die Antragstellerin verweist auch nicht zu Unrecht darauf, dass aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten Publikation hervorgeht, dass eine Preisdifferenzierung zwischen den online einerseits und in derFiliale andererseits verlangten Preisen schädlich für die Reputation eines Unternehmens sein kann (Anlage AG1, dort S. 2, Bl. 252 GA: „Die Autoren der Studie sind der Auffassung, dass Konsumenten kurz- und langfristig negativ auf erlebte Preisdifferenzierung im Handel reagieren. Selbst wenn Konsumenten kurzfristig bevorteilt werden, befürchten viele, dass sie auf lange Sicht auch benachteiligt werden können. Daher sollten Hersteller und Händler den Einsatz von differenzierten Preisen (insbesondere auf individueller Ebene) sehr sorgfältig überprüfen.“). Des Weiteren erscheint es nachvollziehbar, dass Verbraucher heutzutage preissensibler und gewandter darin sind, sich im Internet vorab zu informieren, wie die Antragstellerin ausführt (S. 14 des Schriftsatzes vom 24.10.2022, Bl. 288 GA). Das schließt es aber gerade nicht aus, dass auch die „Multichannel-Händler“, etwa um die geschilderten Zusatzkosten zu kompensieren, auf eine gespaltene Preisgestaltung zurückgreifen und der Preis vor Ort (auch angesichts der damit einhergehenden Beratungsleistung, die gerade im T.-Bereich für viele Verbraucher wichtig und ihnen daher „etwas wert“ sein wird) höher liegt als online. Dass dies (u.a. wegen des bestehenden Kostendrucks) auch tatsächlich stattfindet, geht aus S. 1 der Anlage AG1 (Bl. 250 GA) hervor. Denn danach hat, wie oben bereits ausgeführt, die Studie ergeben, dass „Multi- Channel-Händler ihre Preise zwischen den Kanälen in den untersuchten Kategorien Consumer Electronics, Parfum und Schuhe differenzieren“. In diese Untersuchung ist auch der Erwerb hochpreisiger Produkte wie Smartphones eingeflossen, für die in der Regel – wie allgemein bekannt ist – zumindest im oberen Marktsegment Beträge deutlich oberhalb des für die „H. F.“ aufgerufenen Preises von 189,00 € und auch der diesbezüglichen UVP von 379,00 € gefordert werden. Gleichwohl findet insoweit offenkundig eine Preisdifferenzierung statt. Daher hat das Argument der Antragstellerin, wonach der Verbraucher dem Erwerb einer „mehreren hundert Euro teuren T. , die er ein Jahrzehnt nutzen wird, offensichtlich mehr Aufmerksamkeit“ schenke als beim Erwerb günstiger Artikel (S. 14 des Schriftsatzes vom 24.10.2022, Bl. 288 GA), weshalb sich eine Preisdifferenzierung im T.-Markt verbiete und nicht stattfände, keine Überzeugungskraft. Denn trotz des Umstandes, dass Smartphones nicht so lange genutzt zu werden pflegen wie T., handelt es sich gleichwohl beim Erwerb eines solchen um einen für den Durchschnittsverbraucher finanziell nicht unbedeutenden Vorgang, dem auch – angesichts der breiten Verfügbarkeit von Tests etc. – häufig eingehende (Online-)Recherchen bezüglich der Erfüllung individueller Präferenzen durch das zu erwerbende Produkt (z.B. Akkulaufzeit oder besondere Fotoqualität) vorausgehen werden. Der Umstand, dass gleichwohl erhebliche Preisunterschiede online und stationär in der Studie festgemacht werden konnten, legt es nahe, dass auch imT.-Markt eine solche Preisdifferenzierung stattfindet. Der hierzu gehaltene Vortrag der Antragstellerin, mit dem diese das Gegenteil glaubhaft machen will, erschöpft sich in der Vorlage von Auszügen aus den Online-Shops, die eine Überprüfung der Filialverfügbarkeit bestimmter Produkte ermöglichen (S. 13 des Schriftsatzes vom 24.10.2022, Bl. 287 GA und Anlage AS 19, Bl. 294 ff. GA). Diese Verfügbarkeitsabfrage besagt jedoch lediglich, dass die T. (etwa über das bereits erwähnte Click and Collect) online bestellt und sodann vor Ort abgeholt werden kann. Hieraus folgt indes nichts für die Preisgestaltung, wenn der Verbraucher sich ohne vorherige Online-Bestellung in die Filiale ergibt und dort eine T. erwerben will. Die durch den Online-Shop hergestellte Preistransparenz, auf die die Antragstellerin abhebt, hat, wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, keinen derart disziplinierenden Effekt auf die Preisgestaltung, wie man dies auf den ersten Blick annehmen könnte. Die von der Antragstellerin vorgelegten E-Mails von Märkten der Antragsgegnerin, ausweislich derer die Online-Preise auch in den Filialen vor Ort verlangt bzw. unterboten werden (Anlagen AS 10 und AS 13, Bl. 164, 176 GA), sind insoweit nicht hinreichend aussagekräftig, um eine entsprechende allgemeine Übung auch nur indiziell zu belegen. Denn die Antworten der Filialen resultieren jeweils aus Anfragen per E-Mail durch den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin. Es liegt mehr als nahe, dass die jeweils angefragten Märkte aufgrund des gewählten Weges per elektronischer Kommunikation von vornherein davon ausgingen, sich an den online geforderten Preisen orientieren zu müssen, um mit dem Anfragenden „ins Geschäft zu kommen“. Insofern entspricht es – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – auch der Erfahrung des Senats, der ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört, dass Preise in der Filiale etwa im Bereich von Möbelhäusern von denjenigen im Online-Shop deutlich nach oben abweichen können und beim Besuch in der Filiale erst nach Konfrontation mit dem niedrigeren Online-Preis Bereitschaft zur Anpassung des Filialpreises besteht. Angesichts dessen ist – insoweit anders als in dem Fall 6 U 92/22 (GRUR-RR 2022, 501, 504 Rn. 37 f. – Mondpreise) – die Vorlage des Testergebnisses (Anlage AS 11, dort S. 2, Bl. 168 GA; besser lesbar in Anlage AG 8, Bl. 261 GA) nicht ausreichend, um davon auszugehen, dass der dort genannte „Marktpreis“ von 169,00 € für die „H. F.“ ein Indiz dafür ist, dass die UVP von keinem Händler gefordert wird. Denn die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin (S. 12 der Antragserwiderung, Bl. 242 GA), dass zum einen in einer Sternchenfußnote darauf hingewiesen wird, dass es sich bei dem angegebenen Marktpreis um eine Momentaufnahme handele und zum anderen aus der Angabe nicht ersichtlich ist, welche Bezugsquelle (online oder stationär) für die Ermittlung des „Marktpreises“ herangezogen worden ist.

(d) Soweit die Antragstellerin meint, angesichts ihres Vortrags von Indizien bestehe ausweislich der Entscheidung des Senats vom 09.09.2022 eine sekundäre Darlegungslast der Antragsgegnerin, der diese nicht nachgekommen sei (ähnlich Weidert/Schuber GRUR-Prax 2022, 592), so ist eine solche Aussage der Senatsentscheidung nicht zu entnehmen. Insoweit hat der Senat (GRUR-RR 2022, 501, 504 Rn. 41) ausgeführt: Da es sich bei der Tatsache, dass eine UVP nicht ernstgemeint bzw. nicht ernsthaft „als angemessener Verbraucherpreis kalkuliert worden ist, jedoch um eine negative Tatsache handelt und es sich bei der Kalkulation um einen internen Vorgang beim Hersteller handelt, genügt die Ast. ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die den Schluss auf eine nicht ernsthafte Kalkulation zulassen. Dies ist ihr vorliegend gelungen. Danach wäre es Sache der Ag. gewesen, näher zur Ernsthaftigkeit vorzutragen. Es wäre ihr als Marktteilnehmerin auch ohne weiteres möglich und zuzumuten gewesen, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass und in welchem Umfang höhere Preise im Markt gefordert wurden und dass es sich bei den von der Ast. vorgelegten Angeboten womöglich um Ausreißer handelt. Näherer Vortrag und Glaubhaftmachungsmittel hierzu fehlen.“ Hiernach hat der Senat keine sekundäre Darlegungslast angenommen. Denn die sekundäre Darlegungslast hat zur Voraussetzung, dass der Anspruchsteller (hier die Antragstellerin) außerhalb des in Rede stehenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. statt aller Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 138 Rn. 8b m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung liegt im Falle der Kalkulation der UVP indes nicht vor, weil auch die Antragsgegnerin nicht Herstellerin der T. ist und der bloße Umstand, dass sie die T. vom Hersteller bezieht, ihr noch nicht zwingend Sonderwissen hinsichtlich des Zustandekommens der UVP vermittelt. Vielmehr ist es auch der Antragstellerin im Grundsatz möglich – etwa anhand von Indizien wie der Diskrepanz zwischen Händlereinkaufspreis und UVP (vgl. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 3.85 f.) – die behauptete Irreführung näher darzulegen, wie der Senat auch (a.a.O. Rn. 40 a.E.) klargestellt hat. In der vorzitierten Passage hat der Senat zudem auf fehlende Glaubhaftmachungsmittel hingewiesen, woran ebenfalls deutlich wird, dass er keine sekundäre Darlegungslast der dortigen Antragsgegnerin angenommen hat. Denn die sekundäre Darlegungslast löst, obwohl sie im Fall negativer Tatsachen eingreifen kann, grundsätzlich keine Pflicht zur Beweisführung bzw. Glaubhaftmachung aus (Greger, in: Zöller, a.a.O., vor § 284 Rn. 34)…“

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