Wettbewerbsrecht

LG Berlin: Belieferung von Kunden durch Apotheke mittels Boten an Sonn- und Feiertag, wenn kein Notdienst besteht, wettbewerbswidrig

So das Gericht in seinem Urteil vom 20. Juli 2023 (Az.: 93 O 110/22) eines qualifizierten Wettbewerbsverbandes mit einem Betreiber einer Apotheke. Dieser hatte eine App für einen Apotheken-Lieferservice für Verbraucher eingesetzt und die Bestellungen dann von einem Fahrradboten, der bei dem Anbieter des Lieferservice angestellt ist, an die Kunden ausgeliefert.

Das Gericht sah darin an Sonn-und Feiertagen, sofern die Apotheke nicht im Notdienst tätig ist, einen Verstoß gegen § 3 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage in Nordrhein-Westfalen (nachfolgend „Feiertagsgesetz NRW“) und der §§ 4, 7 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten NRW (nachfolgend „LÖG NRW“) und damit Marktverhaltensregelungen nach § 3a UWG.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen zur Haftung des Apothekers als Mitttäter aus:

„…Die geschäftliche Handlung ist unlauter. Unlauter im Sinne des § 3a UWG handelt, wer einer Marktverhaltensregelung zuwiderhandelt, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. So liegt es hier. Die Ladenöffnungszeiten bzw. Sonn-/Feiertagsgesetze sind Marktverhaltensregeln (LG Münster, GRUR-RR 2017, 508 m.w.N., beck-online).

 Die Beklagte verstößt als Mittäterin gegen § 3 Feiertagsgesetz NRW. Nach § 3 Feiertagsgesetz NRW sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie nicht besonders erlaubt sind.

Die Abholung und Auslieferung der Bestellungen per Fahrradboten sind ohne weiteres öffentlich bemerkbar. Lieferverkehr hat werktäglichen Charakter und dazu gehört auch die Auslieferung von Waren (vgl. LG Köln, Urteil vom 16.03.23 – 81 O 70/22, beck-online). Im Hinblick auf Stellplatzprobleme usw. ändert sich dies nicht deshalb, weil die Beklagte behauptet, dass die Auslieferung nur per Fahrrad erfolge und es kann offen bleiben, ob der Kläger dies mit Nichtwissen bestreiten kann. Denn gerade in der Großstadt gehören Fahrradkuriere zum Alltagsbild und inwiefern erkennbar wäre, dass ausschließlich Arzneimittel geliefert werden, ist auch nicht dargetan. Darauf, dass die Apotheke selbst geschlossen bleibt (Verkaufsraum), kommt es mithin für die Bemerkbarkeit nicht an.

Die Beklagte begeht die Zuwiderhandlung auch täterschaftlich, da sie die Ware selbst ausliefert und sie arbeitet bei der Entgegennahme der Waren zwecks Auslieferung jedenfalls auch in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der Apotheke zusammen.

Die Tätigkeit ist nach Ansicht der Kammer nicht besonders im Sinne des § 7 Abs. 1 LÖG NRW erlaubt. Danach ist Apotheken an Sonn- und Feiertagen die Öffnung ihrer Verkaufsstellen zur Abgabe von Arznei-, Krankenpflege-, Säuglingspflege- und Säuglingsnährmitteln, hygienischen Artikeln sowie Desinfektionsmitteln gestattet. Weil die Tätigkeit des Lieferservices diesen Zweck fördert und ein Botendienst typischerweise zu dem Geschäftsbetrieb einer geöffneten Apotheke zu zählen ist (vgl. § 17 Abs. 2 ApoBetrO), wäre auch die Tätigkeit der Beklagten von § 7 Abs. 1 LÖG NRW erfasst.

Allerdings bezieht sich der klägerische Unterlassungsantrag nur auf die Belieferung, sofern die Apotheke keinen Notdienst hat, d.h. ihr gegenüber eine Schließungsverfügung der Apothekenkammer im Sinne des § 7 Abs. 2 LÖG NRW ergangen ist.

Nach § 7 S. 2 LÖG NRW regelt die zuständige Apothekerkammer, dass an Sonn- und Feiertagen abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Vorschrift anwendbar und führt zum Verbot der Belieferung an Sonn- und/oder Feiertagen, sofern kein Notdienst besteht. Dem steht § 23 ApBetrO nicht entgegen. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO hat eine Apotheke zwar ständige Dienstbereitschaft und nach § 23 Abs. 2 ApBetrO kann die zuständige Behörde hiervon lediglich „befreien“. Dem Wortlaut nach ist mithin eine Schließungsanordnung nicht vorgesehen. Die Vorschrift ist aber nicht abschließend (a.A. Cyran, Apothekenbetriebsordnung, 5. Auflage, § 23 Rn. 14, Anlage B5; Wesser, A & R 2019, 252, Anlage B4). Das folgt daraus, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Streichung des Verweises in § 23 ApBetrO auf § 4 LaSchlG im Zuge der Förderalismusreform etwas daran ändern sollte, dass Apothekenrecht und Ladenöffnungsgesetze parallel laufen und im Zusammenwirken Rechte/Pflichten von Apotheken regeln. Vielmehr ist mit dem LG Köln, a.a.O. davon auszugehen, dass der Verweis auf das LaSchlG (“Die Apotheke muss außer zu den Zeiten, in denen sie auf Grund einer Anordnung nach § 4 Abs. 2 Ladenschlußgesetzes geschlossen zu halten ist, ständig dienstbereits sein…“) lediglich deshalb gestrichen worden ist, weil davon ausgegangen worden ist, dass die Länder den Ladenschluss künftig selbst regeln würden, Art. 74 Nr. 11 GG. Ist aber in § 23 ApBetrO schon aus diesem Grund keine abschließende Regelung zu sehen, dann bedarf es für eine Schließungsanordnung auch keiner bundesrechtlichen Ermächtigung und sie kann nach § 7 Abs. 2 LÖG ergehen. Ein Widerspruch zwischen § 23 ApBetrO und § 7 LÖG NRW besteht insofern nicht, als die Dienstbereitschaft bei Auslegung nur besteht, sofern nicht anderweitige Regelungen – wie die Ladenöffnungsgesetze – entgegen stehen.

Für diese Auslegung spricht auch in teleologischer Hinsicht, dass § 23 ApBetrO kein Privileg der Apotheken sein soll, sich während der Ladenschlusszeiten wirtschaftlich betätigen zu dürfen, sondern ausschließlich die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern soll (vgl. VG München, Urteil vom 23.05.2013 – M 16 K 12.4912, beck-online m.w.N.). Ist dies aber – nach Ansicht der zuständigen Apothekenkammer – durch eine ausreichende Anzahl von Notdienst leistenden Apotheken gewährleistet, gibt es im Hinblick auf den durch die Feiertagsgesetze festgeschriebenen Arbeits-/Gesundheitsschutz keinen Grund dafür, dass die Apotheken sich außerhalb dieser Ladenschlusszeiten wirtschaftlich betätigen dürfen. Die Öffnungszeiten der Apotheken, die Notdienstbereitschaften und damit auch die (abgeleitete) Möglichkeit der Beklagten im Wege der Botenlieferungen für die Apotheken tätig zu werden, ergeben sich insgesamt nur aus dem Zusammenspiel apothekenrechtlicher Vorschriften und der jeweiligen Ladenschlussgesetze der Länder (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.04.2011 – 3 C 21/10, beck-online)…“

Ähnlich entschieden hatte auch das LG Köln.

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