Datenschutzrecht

OLG Hamm: Verantwortlicher kann Auskunft bei missbräuchlicher Ausübung durch betroffene Person nach Art. 12 V 2 lit b) DSGVO verweigern

So entschieden durch das Gericht in seinem Urteil vom 20. Mai 2023 (Az.: 20 U 146/22) in einem Rechtsstreit um Prämienanpassungen einer privaten Krankenversicherung. Der Versicherungsnehmer hatte verschiedene Ansprüche geltend gemacht. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs, unter anderem zur Höhe der Beitragsanpassungen, führt das Gericht in Bezugnahme auf Rechtsgrundlagen aus der DSGVO zur Unbegründetheit des Anspruchs in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO).

Zumindest einzelne der vom Kläger mit dem Auskunftsbegehren verlangten Informationen mögen zwar personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DS-GVO sein. Der Beklagten steht aber ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. Heckmann/Paschke, in Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung 2. Auflage 2018, Art. 12 Rn. 43).

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 zu der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (so auch BGH, Urteil vom 15.06.2021, VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 ff. Rn. 23).

Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber nach seinem eigenen Klagevorbringen überhaupt nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr – wie sich aus der Koppelung mit dem unzulässigen Antrag auf Zahlung zweifelsfrei ergibt – ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst (ebenso OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03.2022, 8 U 2907/21, VersR 2022, 622 ff., Rn. 43; s. auch OLG München, Beschluss vom 24.11.2021, 14 U 6205/21, r+s 2022, 94 f., Rn. 55 f.).

Gegen ein Weigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 Buchstabe b) DS-GVO kann auch nicht eingewendet werden, dass eine Abgrenzung des geschützten Interesses an der Überprüfung der Datensicherheit von einem daneben verfolgten Interesse bisweilen schwierig sein mag (so OLG Köln, Urteil vom 13.05.2022, 20 U 198/21, Rn. 85 f. – zitiert nach juris) und dass ein Grund für das Auskunftsverlangen auch nicht genannt werden muss (so OLG Celle, Urteil vom 15.12.2022, 8 U 165/22, VersR 2023, 429 ff., Rn. 124 ff.). Mit dem durch Art. 15 DS-GVO geschützten Interesse setzt sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung nicht einmal auseinander. Er zitiert zwar die – zutreffenden – Erwägungen des Landgerichts, die gestützt auf den Erwägungsgrund 63 zu der Verordnung ein Weigerungsrecht herleiten. Ein Interesse, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung überprüfen zu wollen, deutet der Kläger aber nicht einmal an. Seine Ausführungen erschöpfen sich in der Darlegung, dass es sich bei den verlangten Auskünften um personenbezogene Daten handelt. Dass er Auskunft über diese Daten verlangt, um die durch die DS-GVO geschützten Interessen zu verfolgen, sagt er nicht, was er aber auch nicht muss. Deutlich erkennbar wird aber sein Ziel, die zunächst hingenommenen Beitragsanpassungen zum Teil nach langer Zeit überprüfen zu können und hierzu die ursprünglich nicht (länger) für relevant gehaltenen Informationen ersetzt zu bekommen. Geht es einem Kläger auch um die von Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO geschützten Interessen, mögen daneben auch verfolgte Zwecke einem Anspruch nicht entgegenstehen. Wird das datenschutzrechtliche Interesse aber erkennbar gar nicht verfolgt oder nur vorgeschoben, bestehen die vom Oberlandesgericht Köln angenommenen Abgrenzungsschwierigkeiten nicht. Und auch das vom Oberlandesgericht Celle angeführte Argument, der Grund eines Auskunftsverlangens müsse nicht offenbart werden, um einen Auskunftsanspruch geltend zu machen, überzeugt nicht, wenn – wie hier – erkennbar ist, dass der in Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO eingeräumte Anspruch ausschließlich für Zwecke ausgeübt wird, die vom europäischen Verordnungsgeber nicht geschützt werden. Gerade der Abwehr solcher erkennbar vom Schutzzweck der Verordnung offensichtlich nicht gedeckter Auskunftsanträge dient das Weigerungsrecht in Art. 12 Abs. 5 S. 2 Buchstabe b) DS-GVO.

Ob diese Frage bei letztinstanzlicher Entscheidung ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 Buchst. b) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erforderlich macht (so OLG Koblenz, Beschluss vom 19.10.2022, 10 U 603/22, r+s 2023, 62 ff.), lässt der Senat offen; er ist zu einer solchen Vorlage an den Gerichtshof jedenfalls wegen der Anfechtbarkeit seiner Entscheidung nicht verpflichtet.

Darauf, dass es sich im Übrigen jedenfalls bei standardisierten Begründungen, die – etwa als einheitliches Beiblatt – an sämtliche Versicherungsnehmer in identischer Form versandt werden, auch nicht um personenbezogene Daten im Sinne der DS-GVO handelt, kommt es angesichts dessen hier nicht an….“

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