Dies gilt für die vergangenen Jahre vor der Auskunft, so dass Gericht in seinem Urteil vom 18. Juli 2023 (Az.: 4 U 46/22) im Rahmen eines Rechtsstreits rund um die Wirksamkeit von Versicherungsprämienerhöhungen.
Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen des Urteils unter anderem aus:
„…Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat jede nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte und so betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie unter anderem ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten, und gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO hat der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ ist dabei weit gefasst; er ist insbesondere nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist. Nicht erforderlich ist, dass es sich um „signifikante biografische Informationen“ handelt, die „im Vordergrund“ des fraglichen Dokuments stehen. Insbesondere weder Daten des Versicherungsscheins noch andere zurückliegende Korrespondenz von Versicherungsnehmer und Versicherer sind insofern kategorisch von dem Anwendungsbereich des Art. 15 DS-GVO ausgeschlossen; die Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer unterfallen dem Auskunftsanspruch vielmehr insoweit, als sie Informationen über den Versicherungsnehmer nach den dargestellten Kriterien enthalten…. Unproblematisch mit der Person des Versicherungsnehmers verknüpft sind die Versicherungsscheine und deren Nachträge; denn aus ihnen ergibt sich, mit welchem Inhalt und zu welchen Konditionen für den Versicherungsnehmer bei dem Versicherer Versicherungsschutz besteht (vgl. anders OLG München, Beschluss vom 24.11.2021, Az.: 14 U 6205/21, Rn. 51 ff.: „Was die Person für die Versicherungsleistung ausgibt, ist nicht unter die personenbezogenen Daten zu rechnen.“; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.03.2023, Az.: 25 U 227/22, Rn. 56; OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.11.2022, Az.: 8 U 1621/22, Rn. 46; OLG Dresden, Beschluss vom 12.09.2022, AZ.: 4 U 1327/22, Rn. 9, jeweils zitiert nach juris; mit weitergehender Differenzierung ähnlich OLG Schleswig, a. a. O., Rn. 46 ff.; siehe dazu auch OLG Koblenz, EuGH-Vorlage vom 19.10.2022, Az.: 10 U 603/22, – zitiert nach juris, Rn. 40 ff.). Ob die entsprechenden Informationen dem Versicherungsnehmer bereits bekannt sind und ob er die Unterlagen noch hat oder entschuldbar nicht mehr hat, ist dabei irrelevant; denn der Umstand, dass Schreiben dem Versicherungsnehmer bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus, zumal auch wiederholt Auskunft verlangt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az.: VI ZR 576/19, – zitiert nach juris -, Rn. 25; Sydow/Marsch-Bienemann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., 2022, Art. 15 DS-GVO Rn. 70)…“
Den Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verneint das Gericht und führt dazu in den Entscheidungsgründen aus:
„…Die Beklagte kann die Herausgabe der Kopien nicht gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO oder sonst gemäß § 242 BGB wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers verweigern.
a. Richtig ist, dass das Auskunfts- und Kopieherausgaberecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck dient, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Es ist aber dennoch keine teleologische Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass der Anspruch nicht gegeben ist, wenn er mit dem Ziel verfolgt wird, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, weil er seine Unterlagen nicht aufbewahrt hat.
aa. Aus der Zweckrichtung des Art. 15 DS-GVO folgt keineswegs zwingend, dass der Anspruch auch nur mit ihr übereinstimmend ausgeübt werden darf (vgl. anders OLG München, a. a. O., Rn. 55 f.; OLG Schleswig, a. a. O., Rn. 43 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021, Az.: 20 U 269/21, Rn. 8 ff.; OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03.2022, Az.: 8 U 2907/21, Rn. 43 f.; OLG Dresden, Urteil vom 29.03.2022, Az.: 4 U 1905/21, Rn. 64 ff., jeweils zitiert nach juris; zumindest zweifelnd OLG Koblenz, a. a. O., Rn. 26 ff.), zumal von einem Begründungserfordernis für das Auskunfts- und Kopieverlangen nach dem Wortlaut der Vorschrift abgesehen wurde.
bb. Die Funktion der genannten Vorschrift erschöpft sich nicht in einer solchen datenschutzinternen Nutzung der erlangten Informationen, sondern es ist stattdessen insgesamt der Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gegen Beeinträchtigungen und Gefährdungen durch Verarbeitung personenbezogener Daten beabsichtigt. Nutzt sie ihr Recht auf eine Datenkopie, um Informationsasymmetrien zwischen sich und dem Verantwortlichen abzubauen und so ihre Rechte und Freiheiten zu wahren, ist dies ein legitimes und rechtlich anzuerkennendes Ziel. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Rechte und Freiheiten selbst im Datenschutzrecht oder in einer anderen Teilordnung des Rechts verankert sind. Unbedenklich und grundsätzlich zu erfüllen sind darum etwa Kopieersuchen, mit denen die betroffene Person sich Informationen beschaffen will zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens gegen den Verantwortlichen, in dem sie datenschutzexterne Ansprüche geltend machen möchte.
cc. Wird davon abgesehen ohnehin kaum je auszuschließen sein, dass es dem Versicherungsnehmer zumindest auch um den Schutz seiner Daten geht, erscheint es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll, das Bestehen des Auskunfts- und Kopieherausgabeanspruchs nach der DS-GVO etwa von einer entsprechenden – nicht überprüfbaren – Behauptung zur inneren Motivation des jeweiligen Anspruchstellers abhängig zu machen. Nicht zuletzt wäre weitergedacht kaum vermittelbar, warum die betroffene Person aufgrund einer geforderten Auskunft nur gegen eine Unrechtmäßigkeit der Datenverarbeitung vorgehen können soll, nicht aber beispielsweise gegen eine hier in Rede stehende Unrechtmäßigkeit der Vertragsgestaltung, wie sie die Beklagte so für sich dokumentiert hat; ansonsten gelangte man möglicherweise zu einer für sich genommen nicht gerechtfertigten Privilegierung entsprechender „Zufallsfunde“.
b. Auf einen erhöhten Verwaltungsaufwand kann sich die Beklagte nicht berufen, weil der Kläger – soweit ersichtlich – erstmals und auch anderweitig nicht exzessiv gemäß § 12 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. DS-GVO von seinem Recht auf Herausgabe der Kopien Gebrauch macht…“