Datenschutzrecht

LG München I:keine Ansprüche datenschutzrechtlicher Art aus Aufforderungsschreiben zu Google Fonts

So entschieden in einem Klageverfahren der negativen Feststellungsklage durch das Gericht mit Endurteil vom 30. März 2023 (Az.: 4 O 13063/22).

Das Gericht führt unter anderem zu dem Unterlassungsanspruch, der geltend gemacht wurde in außergerichtlicher Form , dass dieser nicht bestehe, da von einer „Tatprovokation“ auszugehen sei. Zu diesem Aspekt äußert sich das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem wie folgt:

„…Selbst wenn jedoch angenommen würde, dass auch ein automatisierter Besuch einer Website, der zur Übertragung der IP-Adresse des Nutzers führt, grundsätzlich geeignet wäre, eine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts zu begründen, so scheidet ein Unterlassungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger unter dem Gesichtspunkt der Tatprovokation aus. Der mutmaßlich vom Beklagten eingesetzte Crawler sollte ja gerade Websites mit dynamischer Google-Fonts-Einbindung finden. Die Übertragung der IP-Adresse in die USA war dann auch zwingende Voraussetzung, um überhaupt einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Wer sich aber bewusst und gezielt in eine Situation begibt, in der ihm eine Persönlichkeitsrechtsverletzung droht, gerade um die Persönlichkeitsverletzung an sich zu erfahren, um sodann daraus Ansprüche zu begründen, ist nicht schutzbedürftig.

Die Situation insoweit ist auch nicht zu vergleichen mit der eines Testkaufs in lauterkeitsrechtlichen Fällen. Bei den Testkauffällen geht es darum, Wettbewerbsverstöße von Unternehmern an gutgläubigen Kunden zu dokumentieren. Der einzelne Testkäufer selber weiß von dem drohenden Wettbewerbsverstoß oder vermutet jedenfalls einen solchen. Er will diesen Verstoß selber aber nicht, sondern will gerade die Abstellung des wettbewerbswidrigen Verhaltens in der Zukunft. Selbst wenn man dem Beklagten zubilligen würde, auch ihm sei es darum gegangen, weitverbreitete Verstöße gegen die DSGVO bei der Einbindung von Google-Fonts zu dokumentieren, um damit andere Internetnutzer zu schützen, würde eine solche – vom Gericht ohnehin nicht gesehene – Haltung des Beklagten ihre Grenze jedenfalls darin finden, dass Ansprüche dann ausgeschlossen sind, wenn eindeutig vorrangiges Motiv eine Gewinnerzielung auf Grund entsprechender Datenschutzverstöße ist. Davon ist hier jedoch auszugehen. Bereits die Zahl der vom Kläger in den Falllisten dokumentierten Fälle ist hoch, wenngleich bei weitem nicht in einer sechs- oder siebenstelligen Fallzahl. Im Termin zur mündlichen Verhandlung gab der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, der anstelle des geladenen, aber nicht persönlich erschienenen Beklagten informatorisch angehört wurde, an, die Zahl der Abmahnungen liege in einem niedrigen sechsstelligen Bereich. Dies würde also mindestens 100.000 Abmahnungen bedeuten. Die Versendung von mindestens 100.000 Abmahnschreiben durch einen Rechtsanwalt zu beauftragen und der Versand selber bedeutet aber erhebliche Aufwendungen, sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht, jedenfalls dann, wenn diese Abmahnschreiben nicht völlig automatisiert erstellt und versendet werden. Das Gericht erachtet es für kaum denkbar, dass eine Privatperson nur aus Verärgerung über einen aus ihrer Sich: gegebenen und weit verbreiteten Datenschutzverstoß von Website-Betreibern den mit der Versendung von mindestens 100.00 Abmahnschreiben verbundenen Aufwand auf sich nehmen wird, nur um auf den von ihm gesehenen Missstand beim Datenschutz aufmerksam zu machen. Zudem hat der Beklagte an die Adressaten seiner „Abmahnungen“ nicht bloße Informationsschreiben versendet bzw. versenden lassen, sondern diese ausdrücklich als „Abmahnung“ bezeichnet. Die Schreiben wurden auch nicht durch den Beklagten persönlich versendet, sondern in seinem Namen durch Rechtsanwalt … Die gezielte Einschaltung eines Rechtsanwalts und die Bezeichnung als „Abmahnung“ sollte zur Überzeugung des Gerichts die Drohkulisse gegenüber den Empfängern der „Abmahnungen“ vergrößern. Zudem ist die fehlende Weiterverfolgung der behaupteten Ansprüche bei Gericht zu berücksichtigen. Anders als bei einem Testkauf in lauterkeitsrechtlichen Konstellationen geht das Gericht schon auf der Basis der eigenen Angaben des Beklagten davon aus, dass der Beklagte nie vorhatte, auch nur eine irgendwie nennenswerte Zahl an Fällen im Vergleich zur Zahl der Abmahnungen zu Gericht zu bringen. Hierfür hätte der Beklagte wegen des durch ihn zu leistenden Gerichtskostenvorschusses bereits erhebliche finanzielle Mittel aufbringen müssen, ohne dass zu erkennen ist, dass der Beklagte über solche als vormals gerichtlich bestellter Betreuer verfügen würde.

Die Tatsache, dass der Beklagte, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten die Frage des Gerichts nach den konkret aus der Versendung erzielten Einnahmen durch Zahlungen anderer Empfänger vergleichbarer Schreiben nicht beantworten wollte – dass er es nicht konnte ergibt sich aus der Angabe „Ich habe nur die Informationen der Staatsanwaltschaft“ eindeutig nicht –, belegt für das Gericht weiter, dass es dem Beklagten gerade darum ging, von den Abgemahnten die geforderten 170 € zu erhalten und daraus eine Einnahmequelle von nicht unerheblicher Bedeutung über einen nicht kurzen Zeitraum zu begründen. Zwar wird davon auszugehen sein, dass die große Mehrheit der angeschriebenen Website-Betreiber nicht gezahlt hat. Einzelne angeschriebene Personen haben offenbar die – aus Sicht des Gerichts durchaus geforderte – Summe von 170 € heruntergehandelt. Selbst wenn aber nur eine Zahl an Personen im einstelligen Prozentbereich der Angeschriebenen gezahlt hat, ergibt sich offensichtlich ein Betrag, der weit über das hinausgeht, was an Aufwendungen für die Programmierung des Webcrawlers, dessen technischen Betrieb und die Versendung von Abmahnschreiben aufgewendet wurde. Zudem wäre auch der Betrag von 340.000 €, welchen der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nannte (mit Unsicherheit nach oben), ein erheblicher Betrag im Vergleich zu den vermutlich für den Einsatz des Webcrawlers und der Abmahnungen angefallenen Kosten. Danach hätten ca. 2.000 Personen den geforderten Betrag bezahlt. Dies wären bei Annahme von 100.000 Abmahnungen (als Mindestmaß) 2 %, was nach Einschätzung des Gerichts aber zu niedrig gegriffen sein dürfte…“

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