Datenschutzrecht

EuGH: Der Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Verletzung des Datenschutzrechts ist nicht auf erhebliche Schäden beschränkt

So das Gericht in seiner Entscheidung vom 4.Mai 2023 in der Rechtssache C‑300/21, einem Vorabentscheidungsersuchen eines österreichischen Gerichts in einem Verfahren rund um das Datenschutzrecht gegen die Österreichische Post AG.

Das Gericht führt unter anderem aus:

„…Als Erstes ist in der DSGVO der Begriff „Schaden“ für die Zwecke der Anwendung dieses Instruments nicht definiert. Art. 82 DSGVO beschränkt sich auf die ausdrückliche Feststellung, dass nicht nur ein „materieller Schaden“, sondern auch ein „immaterieller Schaden“ Anspruch auf Schadenersatz eröffnen kann, ohne dass eine wie auch immer geartete Erheblichkeitsschwelle genannt wird.

Als Zweites deutet auch der Zusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfügt, darauf hin, dass der Schadenersatzanspruch nicht davon abhängt, dass der betreffende Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreicht. Nach dem dritten Satz des 146. Erwägungsgrundes der DSGVO sollte „[d]er Begriff des Schadens … im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht“. Es stünde jedoch zu dem vom Unionsgesetzgeber gewählten weiten Verständnis des Begriffs „Schaden“ im Widerspruch, wenn dieser Begriff auf Schäden mit einer gewissen Erheblichkeit beschränkt wäre.

Als Drittes und Letztes wird diese Auslegung durch die mit der DSGVO verfolgten Ziele bestätigt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im dritten Satz des 146. Erwägungsgrundes der DSGVO ausdrücklich gefordert wird, bei der Definition des Begriffs „Schaden“ im Sinne dieser Verordnung „den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang“ zu entsprechen.

Insbesondere geht aus dem zehnten Erwägungsgrund der DSGVO hervor, dass diese namentlich darauf abzielt, innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Niveau des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten und zu diesem Zweck für eine unionsweit gleichmäßige und einheitliche Anwendung der Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu sorgen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2020, Facebook Ireland und Schrems, C‑311/18, EU:C:2020:559, Rn. 101, sowie vom 12. Januar 2023, Österreichische Post [Informationen über die Empfänger personenbezogener Daten], C‑154/21, EU:C:2023:3, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung)…“

Würde aber der Ersatz eines immateriellen Schadens von einer Erheblichkeitsschwelle abhängig gemacht, könnte dies die Kohärenz der mit der DSGVO eingeführten Regelung beeinträchtigen, da die graduelle Abstufung einer solchen Schwelle, von der die Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten, abhinge, je nach Beurteilung durch die angerufenen Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen könnte.

Allerdings bedeutet diese Auslegung nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen.

Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat…“

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