Wettbewerbsrecht

OLG Frankfurt a.M.: Aussage „Erst Produkte kopieren & klauen“ unlautere Herabsetzung nach UWG

So das Gericht im Rahmen einer Entscheidung über eine sofortige Beschwerde in einem einstweiligen Verfügungsverfahren im Bereich des Wettbewerbsrecht. In dem Beschluss vom 7. November 2022 (Az.: 6 W 72/22) war die Aussage „Erst Produkte kopieren & klauen“ im Rahmen eines Postings in einem sozialen Netzwerk zu bewerten.

Das Gericht sah einen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und dort $ 4 Nr.1 UWG.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Dass die Aussage, ein Marktteilnehmer „kopiere & klaue“ Produkte, geeignet ist, die Wertschätzung der Antragstellerin zu verringern, liegt auf der Hand. Während das „Kopieren“ vom Verkehr noch als legitime Form des Wirtschaftens angesehen werden könnte, transportiert der Begriff des „Klauens“ ein Unwerturteil, das der Verkehr mit (straf-)rechtlichen sanktioniertem Verhalten in Zusammenhang bringt. Die Antragsgegner hat danach etwas verwendet bzw. benutzt, das der Antragstellerin zugewiesen war und was ihr nicht gehört bzw. wozu sie nicht befugt war. Die Tatsache, dass die Antragstellerin den Text mit einem „Smiley“ versehen hat, stellt diese Aussage nicht in Frage. Der „Smiley“ stand hinter dem Zusatz „Lieben wir“ und sollte ersichtlich (nur) diesen Teil der Aussage ironisieren.

(2) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt es auch nicht an der notwendigen Erkennbarkeit der Antragstellerin. Zwar wird diese nicht namentlich genannt; schon durch die Verwendung eines Screenshots aus einem Video der Antragstellerin aber konnte der spirituell orientierte Verkehr die Antragstellerin identifizieren. Dass dies auch tatsächlich geschehen ist, hat die Antragstellerin dargelegt.

(3) Im Rahmen der Interessenabwägung ist insbesondere von Bedeutung, dass es sich um eine pauschal abwertende Darstellung der Tätigkeit eines Wettbewerbers handelt, ohne dass konkrete Umstände genannt werden, die den Vorwurf des „Klauens“ belegen könnten. Das Interesse der Verbraucher, über konkrete Missstände unterrichtet zu werden, mag zwar im Einzelfall dazu führen können, dass ein Anbieter auf die unseriösen Machenschaften eines Wettbewerbers hinweisen darf. Hierfür kann ein hinreichender Anlass bestehen, der sich in der Regel aus dem schutzwürdigen Aufklärungsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise ergibt. Die aufklärende, den Mitbewerber herabsetzende Äußerung muss sich dann aber nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen oder sachlich Gebotenen halten (Köhler/Bornkamm UWG, § 4 Rn 7.21 m.w.N.). Eine Rechtfertigung einer herabsetzenden Darstellung eines Wettbewerbers setzt danach stets voraus, dass die Verbraucher konkret über einzelne Umstände aufgeklärt werden, ohne deren Kenntnis sie Schaden zu nehmen drohen. Eine pauschale, hinsichtlich konkreter Missstände ganz im Vagen bleibende Herabsetzung, wie sie im Streitfall in Rede steht, vermag die Beeinträchtigung, die mit der Äußerung des Antragsgegners verbunden ist, dagegen nicht zu rechtfertigen (BGH GRUR 2012, 74 Rn 37 – Coaching-Newsletter).

(4) Der Meinungsfreiheit tritt gegenüber dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Leistungswettbewerbs durch die Abwehr von Behinderungen der Mitbewerber mit nicht leistungsgerechten Mitteln zurück. Er findet eine tragende Stütze in der aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten Privatautonomie als einem Strukturelement der freiheitlichen Gesellschaftsordnung, die sich als Grundlage des Verhaltens am Markt zu Gunsten aller Marktteilnehmer auswirkt (BVerfG, GRUR 2001, 1058, 1060 – Therapeutische Äquivalenz). Anders als in Fällen der Bezug nehmenden oder gefühlsbetonten Werbung (BVerfG GRUR 2001, 170 – Benetton-Werbung I; BVerfG GRUR 2002, 455 – Tier- und Artenschutz) wird bei der unsachlichen Herabwürdigung eines Mitbewerbers der Leistungswettbewerb unmittelbar und augenfällig gefährdet. Denn die Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten eines Mitbewerbers durch unsachliche Anwürfe widerspricht dem Grundgedanken des Leistungswettbewerbs, demzufolge jeder Wettbewerber durch seine eigene Leistung auf dem Markt und eben nicht durch derartige Angriffe auf Mitbewerber Kunden gewinnen soll. Wenn die Abwägung im Übrigen keinen Vorrang der Meinungsfreiheit ergibt, ist die unsachliche Herabwürdigung eines Mitbewerbers deshalb auch von einem Gewicht, das ausreicht, den Eingriff in die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen.

(5) Die Antragstellerin kann sich schließlich nicht auf eine Vermutung zu Gunsten der Freiheit der Rede berufen. Eine solche Vermutung besteht nur bei Beiträgen zur öffentlichen Meinungsbildung, also solchen zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage (BVerfG NJW 1995, 3303). Handelt es sich dagegen um eine Äußerung im privaten, namentlich wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, so ginge die Anwendung der Vermutungsformel, die im Interesse demokratischer Transparenz und Kontrolle aufgestellt wurde, fehl (vgl. BVerfG NJW 2003, 3262, 3263).

Bei einer solchen Abwägungslage muss das Interesse der Antragsgegnerin, sich pauschal abwertend über das Produkt der Antragstellerin zu äußern, gegenüber der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Leistungswettbewerbs zurücktreten….“

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