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OLG Frankfurt a.M.: erkennbare Unvollständigkeit führt zu formell nicht ordnungsgemäßer Auskunft

erkennbare Unvollständigkeit führt zu formell nicht ordnungsgemäßer Auskunft nach Verurteilung – Nach einer Markenrechtsverletzung wird durch den Markenrechtsinhaber sehr oft eine Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen gerichtlich gelten gemacht. Wird dann die Verurteilung ausgesprochen, muss der Rechtsverletzer vollständig Auskunft erteilen. Erfolgt dies nicht, so auch in dem Sachverhalt des Beschlusses des OLG Frankfurt a.M. vom 8. August 2022 (Az.: 6 W 41/22), ist die Auskunft unvollständig und es kann ein Ordnungsgeld verhangen werden.

Im Streitfall war die Auskunftspflicht unter anderem wie folgt tituliert worden:

„schriftlich unter Vorlage entsprechender Einkaufs- und Verkaufsbelege Auskunft über Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer …“ zu erteilen“

Der Rechtsverletzer konnte nur 2 Rechnungen vorlegen und auch nicht erfolgreich nachforschen, woher die rechtsverletzenden Waren, im Streitfall Schuhe, stammten.

erkennbare Unvollständigkeit führt zu formell nicht ordnungsgemäßer Auskunft nach Verurteilung – Ansicht des Gerichts

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter andrem aus:

„…Soweit keine aussagekräftigen Unterlagen über die Herkunft der mit der Verfügungsmarke gekennzeichneten Waren vorliegen, muss der Antragsgegner bei den in Betracht kommenden Vorlieferanten nachforschen. Der Schuldner hat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Information auszuschöpfen. Er hat seine Geschäftsunterlagen durchzusehen und muss sich, wenn dies nicht ausreicht, gegebenenfalls durch Nachfrage bei seinen Lieferanten und Abnehmern um Aufklärung bemühen (vgl. BGH GRUR 2006, 504, 506 – Parfumtestverkäufe). Der Auskunftsanspruch geht zwar nicht so weit, dass Nachforschungen bei Dritten vorzunehmen sind, um unbekannte Vorlieferanten erst zu ermitteln. Sind hingegen – wie hier – die möglichen Vorlieferanten bekannt, sind Zweifel durch Nachfrage bei den Lieferanten aufzuklären (BGH GRUR 2003, 433 – Cartier-Ring; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2021, 477 – Salami und Oliven). Erst wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftstitels feststeht, können Nachforschungen unterbleiben. Hierzu bedarf es substantiierten und nachprüfbaren Vorbringens des Schuldners (Zöller/Seibel ZPO, 34. Auflage, § 888, Rn 11). Die bloße Angabe, weitere Nachforschungen bei den Vorlieferanten hätten keine Aussicht auf Erfolg, genügt nicht….

Der Antragsgegner hat die ihm zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Eine bloße telefonische Nachfrage genügt in der Regel nicht. Die gilt besonders dann, wenn – wie bei der Fa. B GmbH – eine mündliche Verständigung mangels Sprachkenntnissen des Gesprächspartners nicht möglich ist. Vielmehr sind die in Betracht kommenden Lieferanten schriftlich um Überprüfung zu bitten, welche Schuh-Modelle der Rechnung zugrunde lagen und ob es die streitgegenständlichen waren. Bei in Deutschland ansässigen Unternehmen genügt es, wenn das Schreiben in deutscher Sprache verfasst wird. Wird das Schreiben nicht in angemessener Zeit beantwortet, ist ggf. unter Fristsetzung erneut nachzufragen.

Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 4.8.2022 in Reaktion auf den Nichtabhilfebeschluss darlegt, eine schriftliche Kontaktaufnahme sei sinnlos, weil die Fa. B GmbH unmissverständlich eine Kontaktaufnahme verweigert hätte, steht dieses Vorbringen in Widerspruch zu dem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 30.3.2022. Dort heißt es, die Kontaktaufnahme und Informationsbeschaffung sei daran gescheitert, dass die telefonische Gesprächspartnerin der deutschen Sprache nicht mächtig war. Das neue Vorbringen kann daher nicht berücksichtigt werden.

Eine schriftliche Kontaktaufnahme mit der Fa. B GmbH ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Handelsgeschäft bei Google als „vorrübergehend geschlossen“ bezeichnet wird. Der vom Antragsgegner daraus abgeleitete Schluss, der Geschäftsbetrieb sei (endgültig) eingestellt worden, ist nicht nachvollziehbar. Die Internetseite des Unternehmens ist nach wie vor mit sämtlichen Kontaktdaten erreichbar. Die GmbH ist auch nach wie vor im Handelsregister des AG Stadt2 eingetragen. Es ist daher nicht ersichtlich, wieso das Unternehmen postalisch nicht erreichbar sein soll….

Anders liegt es bei der Fa. A GmbH. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hatte telefonisch Kontakt mit dem Geschäftsführer. Dieser äußerte, keine weiteren Auskünfte erteilen zu wollen. Er verwies außerdem darauf, dass er selbst von der Antragstellerin in der Vergangenheit wegen der Verfügungsmarke in Anspruch genommen worden sei. Es besteht daher keine Aussicht, dass er auf schriftliche Anfrage des Antragsgegners die Lieferung der streitgegenständlichen Schuhe einräumen und sich damit weiteren Ansprüchen aussetzen wird. Ein schriftliches Auskunftsersuchen wäre eine bloße “Förmelei“ ohne Erfolgsaussicht…“

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