OLG Köln:Unterlassung der Preisdifferenzierung bei Alt- und Neukunden

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Unterlassung der Preisdifferenzierung bei Alt- und Neukunden – Und zwar im Bereich der Grund-und Ersatzversorgung hatte die Verbraucherzentrale gegenüber einem Energieversorger im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht. Das Gericht sah in seinem Beschluss vom 2. März 2022 (Az.: 6 W 10/22) jedoch keine Rechtsgrundlage für einen solchen Unterlassungsanspruch in den relevanten Vorschriften, § 36 I 1 EnWG und § 38 I EnWG.

Unterlassung der Preisdifferenzierung bei Alt- und Neukunden – Kein Anspruch nach Ansicht des Gerichts

Das OLG Köln begründet die Verneinung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs und damit auch die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in den Entscheidungsgründen unter anderem wie folgt:

„…Der Wortlaut des § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG begründet keine Verpflichtung zur Belieferung sämtlicher Kunden zu gleichen Preisen, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.

Die Vorschrift geht von „Allgemeinen Preisen“ aus. Ein allgemeiner Preis in diesem Sinn kann bereits nach dem Wortlaut dahin verstanden werden, dass eine Preisgestaltung für einzelne Kunden nicht erfolgen darf, sondern die Preise für sämtliche Kunden nach den gleichen Grundsätzen bestimmt werden. So hat der BGH zu § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und § 36 Abs. 1 EnWG bereits entschieden, dass eine Differenzierung der Preise nach Abgabemengen im Rahmen einer Bestpreisabrechnung zulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2021 – VIII ZR 277/19, ZNER 2021, 385, mwN). Hieraus wird deutlich, dass mit der Formulierung „Allgemeiner Preis“ nicht ein einheitlicher Preis für sämtliche Verbraucher gemeint ist. Damit kann jeder Haushaltskunde zu den allgemeinen Preisen eine Lieferung verlangen.

Der Grundsatz der Preisgleichheit, den § 36 Abs. 1 EnWG normiert, weil aufgrund der Versorgungspflicht das Wettbewerbsprinzip nicht greift (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2017 – EnZR 56/15, RdE 2018, 27), führt vor diesem Hintergrund zu keiner anderen Bewertung.

Der Sinn und Zweck der Regelung bestätigt das vorliegende Ergebnis. Wie dargelegt soll § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG sicherstellen, dass für jeden Verbraucher im Rahmen der Daseinsvorsorge die Belieferung mit Strom und Gas gesichert ist, diese Belieferung zu den allgemeinen Bedingungen erfolgt (vgl. Ziffer II 2 b) und das Wettbewerbsprinzip nicht greift.

Wie dargelegt liegt eine Belieferung zu Allgemeinen Preisen indes bereits dann vor, wenn ein Aushandeln der Preise mit dem einzelnen Kunden nicht erfolgt, sondern diese für jeden Kunden festgelegt sind. So liegt der Fall hier.

Für die entsprechende Auslegung spricht, dass in der Vorschrift des § 39 EnWG die Möglichkeit der Regelung der Bedingungen und Preise für den Fall normiert ist, dass unangemessene Preise die Kunden im  Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung unangemessen benachteiligen (vgl. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung der Energiewirtschaft, BT-Drucks. 15/3917, S. 66; Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes aaO, § 39 Rn. 2). Insgesamt ist eine Differenzierung im Grundsatz möglich, solange die Preise nicht unangemessen sind.

Entscheidend ist damit, ob die Antragsgegnerin die Lieferung der Energie zu den Allgemeinen Preisen, die veröffentlicht wurden, oder im Rahmen der Vertragsfreiheit anbietet (vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2009 – VIII ZR 225/07, NJW 2009, 2662).

Weiter hat das Landgericht mit Recht berücksichtigt, dass der Kontrahierungszwang im Rahmen der Grundversorgung einen erheblichen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) sowie ggf. die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) darstellt (vgl. Heinlein/Weitenberg in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand: 112. EL, Juni 2021, § 36 Rn. 11, 72). Allerdings findet der Kontrahierungszwang seine Grenze in § 36 Abs. 1 S. 3 EnWG, wenn die Versorgung dem Energieversorgungsunternehmen nicht mehr zumutbar ist. Durch diese Einschränkung wird die Verfassungsmäßigkeit der Grundversorgung sichergestellt (vgl. Heinlein/Weitenberg in Theobald/Kühling, Energierecht aaO, § 36 Rn. 72). Selbst wenn diese Vorschrift vorliegend nicht anwendbar ist, wird hierdurch deutlich, dass die Einschränkungen der Freiheiten des Grundversorgers begrenzt sind. Da der Grundversorger die höheren Preise allein durch eine Preiserhöhung für sämtliche Kunden, die im Rahmen der Grundversorgung mit Energie beliefert werden, kompensieren könnte, führte die von der Antragstellerin dargestellte Auslegung zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Antragsgegnerin.

Soweit nach § 38 Abs. 1 S. 3 EnWG die Tarife für die Ersatzversorgung für Haushaltskunden die Tarife für die Grundversorgung nicht übersteigen dürfen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Tarife sind jeweils für die Kunden der Grund- und Ersatzversorgung vollständig identisch. Allein die Tatsache, dass Kunden, die nach einem bestimmten Zeitpunkt die Ersatzversorgung in Anspruch nehmen, mehr für die Versorgung zahlen müssen, als Kunden, die vor diesem Zeitpunkt begonnen haben, die Grundversorgung in Anspruch zu nehmen, stellt keinen Verstoß dar, weil lediglich auf die Tarife als Ganzes abzustellen ist. Es kommt hinzu, dass ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 38 Abs. 1 S. 3 EnWG allenfalls dazu führen könnte, dass die Preise der Ersatzversorgung als unzulässig anzusehen wären, was den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung nicht rechtfertigen kann….

Eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift des § 36 Abs. 1 EnWG führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sieht Art. 3 Abs. 3 der RL 2009/72/EG, die zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist, ebenso wie Art. 27 RL 2019/944/EU, die die vorgenannte Richtlinie ersetzt hat, vor, dass die Grundversorgung diskriminierungsfrei zu erfolgen hat, sodass diese Vorgabe auch im Rahmen der Auslegung des § 36 Abs. 1 EnWG zu berücksichtigen ist. Eine Diskriminierung durch unterschiedliche Preise bei Alt- und Neukunden findet indes nicht statt. Eine solche ist nur dann anzunehmen, wenn die unterschiedlichen Tarife unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls darauf gerichtet sind, die Neukunden ohne sachlich gerechtfertigten Grund zu benachteiligen.

Dies ist nicht der Fall. Vielmehr sind die Neukunden verpflichtet, die Preise zu zahlen, die zum Zeitpunkt des Beginns der Grundversorgung angemessen sind. Insoweit ist allgemeinbekannt, dass die Preise auf dem Energiemarkt erheblich gestiegen sind. Ebenfalls allgemeinbekannt und auch von der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht ist, dass die Einkaufspreise eines Energieversorgers sich maßgeblich unterscheiden und erheblich niedriger sind, wenn er die geschätzte Verbrauchsmenge im Voraus und damit langfristig bestellen kann. Der Wechsel von zahlreichen Haushaltskunden in den Grundversorgertarif, den die Antragsgegnerin mit eidesstattlicher Versicherung des Zeugen W. glaubhaft gemacht hat, führt daher dazu, dass die Antragsgegnerin den Strom zu erheblich höheren Preisen beziehen muss….

Die vorstehenden Ausführungen gelten insgesamt für § 38 EnWG entsprechend, sodass die Frage, ob auch die Ersatzversorgung von den Richtlinien erfasst ist oder es sich um eine unabhängige Sonderregelung handelt (vgl. Heinlein/Weitenberg in Theobald/Kühling, Energierecht aaO, § 36 Rn. 4), nicht erheblich ist…“