Wettbewerbsrecht

OLG Hamburg: kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen einer europäischen Fluggesellschaft & einem Fluggastrechteportal zur Durchsetzung von Ansprüchen nach der FluggastrechteVO->keine Aktivlegitimation für Ansprüche auf Basis des UWG

So das Gericht in dem Berufungsverfahren rund um die Bewertung von Äußerungen des beklagten Fluggastrechteportals in Aussagen gegenüber Kunden und auf Internetseiten in dem Urteil vom 14. März 2024 (Az.: 15 U 132/22, nicht rechtskräftig). In der Entscheidung sind sämtliche Handlugen benannt, die durch das Gericht hätten aus Sicht des Wettbewerbsrechts unter Anwendung des UWG hätten bewertet werden müssen. Allerdings sah das Gericht bereits kein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 I Nr.4 UWG und verneinte somit die Mitbewerbereigenschaft des Portals gegenüber der Fluggesellschaft. Unter anderem führt das Gericht in den Entscheidungsgründen, auch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 21. Januar 2021, Az.: I- 20 U 239/20) aus:

„…Auch der Senat schließt sich den vorstehenden Ausführungen des OLG Düsseldorf an. Die entgegenstehende Ansicht des OLG Brandenburg (Beschl. v. 26.06.2020 – 6 W 38/20, GRUR-RS 2020, 17764, Rn. 6ff.) hält der Senat, ebenso wie bereits das Landgericht im angegriffenen Urteil, hingegen nicht für zutreffend. Kernargument des OLG Brandenburg ist, dass – anders als in der Entscheidung „Wettbewerbsbezug“ des Bundesgerichtshofs, in der ein geschlossener Immobilienfonds und eine auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Rechtsanwaltsgesellschaft miteinander stritten – im Verhältnis zwischen einer Fluggesellschaft und einem Fluggastrechteportal eine beidseitig erbrachte Leistung zu identifizieren sei, die in der Bearbeitung von Kundenreklamationen nach der FluggastrechteVO bestehe. Dies verkennt indes, dass nach der Entscheidung „Wettbewerbsbezug“ die Gegenüberstellung der Primärleistungen der Parteien maßgeblich ist, nämlich dort das Vergleichspaar „Vertrieb von Anlageprodukten“ und „anwaltliche Beratung“ (BGH, Urt. v. 26.01.2017 – I ZR 217/15, GRUR 2017, 918, Rn. 19). Analog dazu muss im Streit zwischen einer Fluggesellschaft und einem Fluggastrechteportal das Vergleichspaar zutreffender Weise lauten: „Verkauf von Flugreisen“ und „Beratung in Bezug auf Fluggastrechte“. Diese Leistungen sind aus Sicht des Konsumenten nicht austauschbar und stehen deshalb nicht im Wettbewerb zueinander. Wenn ein Fluggast sich zur Wahrnehmung seiner Rechte der Beklagten bedient, wird hierdurch der Klägerin nichts Werthaltiges weggenommen. Ihr entgeht dadurch kein Umsatz.

Die Argumentation des OLG Brandenburg wäre nach Ansicht des Senats also selbst dann nicht überzeugend, wenn man insoweit auf Seiten der Fluggesellschaft die Bearbeitung von Kundenreklamationen nach der FluggastrechteVO einbeziehen wollte. Auch in diesem Fall bestünde ein wesentlicher Unterschied darin, dass es auf Seiten der Fluggesellschaft um die Prüfung bzw. Erfüllung eigener Sekundärpflichten ginge, während das Fluggastrechteportal den Verbraucher bei der Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Fluggesellschaft lediglich unterstützt. Dabei handelt es sich aus den in der Entscheidung „Wettbewerbsbezug“ angeführten Gründen (a.a.O., Rn. 19) um vollständig ungleichartige Dienstleistungen. Eine Substitution findet insoweit schon deshalb nicht statt, weil die Klägerin in beiden Fällen im Wesentlichen dieselbe Handlung auszuführen hat, nämlich den jeweiligen Sekundäranspruch zu prüfen und ggf. zu erfüllen.

Es gibt nach Ansicht des Senates auch sonst keinen überzeugenden Grund, im Hinblick auf die Frage des konkreten Wettbewerbsverhältnisses ein Fluggastrechteportal anders zu behandeln als einen Rechtsanwalt. Beide erbringen eine Rechtsdienstleistung, mag sich auch diejenige des Fluggastrechteportals auf die außergerichtliche Tätigkeit in dem ganz speziellen Rechtsgebiet der Fluggastrechte beschränken. Das Fluggastrechteportal ist damit insoweit letztlich nichts anderes als ein „kleiner Rechtsanwalt“.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit auch entscheidungserheblich von den Konstellationen, die den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs „Zweitmarkt für Lebensversicherungen I + II“ zugrunde lagen: Im Fall „Zweitmarkt I“, in dem eine Anbieterin von Kapital-Lebensversicherungen gegen eine Inkassodienstleisterin klagte, bestand die Besonderheit darin, dass sich die Beklagte nicht auf Inkassodienstleistungen beschränkte, sondern sich daneben auch als Ankäuferin von Forderungen und Rechten aus Versicherungsverträgen betätigte, u.a. von Versicherungsnehmern der Klägerin. Sie drang damit auch auf der Primärebene in die Vertragsbeziehungen der dortigen Klägerin ein (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 05.11.2020 – I ZR 234/19, GRUR 2021, 497, Rn. 20ff.).

Analog hierzu lag im Fall „Zweitmarkt für Lebensversicherungen II“, in dem eine Rechtsanwalts-Gesellschaft ein Unternehmen zum Aufkauf von Versicherungen, Bausparverträgen und Fonds in Anspruch nahm, die Besonderheit darin, dass die Beklagte ausweislich ihrer Internetseite ebenfalls auf Primärebene Beratungsleistungen anbot, nämlich die „Überprüfung der Verträge auf eine Rückabwicklungsmöglichkeit“ (BGH, Urt. v. 24.02.2022 – I ZR 128/21, GRUR 2022, 729, 729)…“

Hinweis des Autors:

Ob die durch das Gericht zugelassene Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt wurde, ist dem Autor nicht bekannt.

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