Allerlei,  IT-Recht

KG Berlin: Einseitige Preisanpassungsklauseln bei Streaming-Anbietern nach § 307 I BGB unzulässig, sofern einseitige Preisanpassung ohne Zustimmung des Kunden geregelt ist

So das Gericht in zwei Urteilen vom 15. November 2023 (Az.: 23 U 15/22 und Az.: 23 U 112/22) zu bekannten Streaming-Anbietern. Das KG nimmt dabei dezidiert auch die Besonderheiten der angebotenen Dienstleistungen und die Geschäftsmodelle in die rechtliche Betrachtung auf, wie z.B. kurze Kündigungsfristen für die Kunden.

Dennoch sieht das Gericht kein berechtigtes Interesse der Anbieter für eine eine einseitige Preisanpassungsklauseln, für Preiserhöhungen, und damit einen Verstoß gegen § 307 I BGB.

In dem Berufungsurteil zu dem Az.: 23 U 112/22 führt das Gericht unter anderem zur Begründung in den Entscheidungsgründen aus:

„…Hier nutzt die Beklagte eine Preisanpassungsklausel und stellt ihre Interessen in unzulässiger Weise über die ihrer Kunden, weil sie sich selbst einerseits das Recht einräumt, die Preise zu erhöhen, sich gleichzeitig aber nicht korrespondierend verpflichtet, beim Sinken der in der Klausel beispielhaft in Bezug genommenen Kostenparameter den Preis nach denselben Maßstäben zu reduzieren. Hierin läge – anders als die Beklagte und der von ihr beauftragte Sachverständige offenbar meinen – auch keine zwingende Kostensenkungspflicht. Die Beklagte wäre dann nur verpflichtet, Kostensenkungen nach denselben Maßstäben Rechnung zu tragen wie Kostensteigerungen (vgl. BGH, Teilurteil vom 29.4.2008 – KZR 2/07 –, BGHZ 176, 244, Rn. 18). Ob hierbei auch Kostensenkungen, die nach Vertragsschluss aus eigenen unternehmerischen Anstrengungen des Verwenders, z.B. Rationalisierungen des Betriebsablaufs, besonderen Investitionen oder Innovationen, resultieren, zu berücksichtigen wären (vgl. – verneinend – Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Aufl. 2022, § 307 Rn. 182d), muss hier nicht entschieden werden. Jedenfalls müsste bei der Frage in den Blick genommen werden, dass die Beklagte sich mit der streitgegenständlichen Klausel für den entgegengesetzten Fall das Recht vorbehält, Kostensteigerungen, die allein durch unternehmerische Entscheidungen und rein interne Maßnahmen verursacht werden, an die Kunden weiterzugeben…“

Der Unwirksamkeit der verwendeten Klausel steht uch nicht die Kündigungsmöglichkeit des Nutzers mit einer kurzen Kündigungsmöglichkeit entgegen. Dazu auch ein Zitat aus der Entscheidung mit dem Az.: 23 U 112/22:

„…Der BGH hat bereits entschieden, dass die Kündigungsmöglichkeit die Störung des Äquivalenzverhältnisses grundsätzlich nicht kompensieren kann (vgl. BGH NJW 2010, 993 Rn. 33 m.w.N.; BGH, Teilurteil vom 29.04.2008 – KZR 2/07 –, BGHZ 180, 257 Rn. 37; Staudinger/Rodi [2022] Anh zu §§ 305 – 310 Rn F 1, Rn. F 87a; a.A. OLG Frankfurt, Urteil vom 23.03.2016 – 17 U 101/15 –, juris Rn. 90). Der hiesige Sachverhalt bietet keinen Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen. Der Kunde wird auch mit der Kündigungsmöglichkeit entweder mit einer Preiserhöhung oder aber mit der Mühe, sich um eine Beendigung des Vertrages, den er in dieser Form nicht gewollt und nicht abgeschlossen hat, zu beenden, belastet. Die Beklagte wälzt im Ergebnis die für sie durch Änderungskündigungen entstehende Mühe auf den Kunden ab, obgleich die Preiserhöhung allein in ihrem Interesse, nicht in dem des Kunden liegt. Selbst wenn es sich ungeachtet des Umstandes der ohnehin, d.h. unabhängig von einer Preisanpassung gem. Ziff. 4.5 Abs. 1 der AGB, kurzen Kündigungsfrist um sachlich zusammenhängende Regelungen handelte, könnte darin ein angemessener Ausgleich nicht gesehen werden.

Dieses Ergebnis steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch mit den europarechtlichen Vorgaben im Einklang. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus Nr. 1 lit. j und Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Anhangs zu der Richtlinie 93/13/EWG (Klauselrichtlinie). Der Anhang enthält gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie lediglich „eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können“. Die Aufführung in der Liste indiziert die Unwirksamkeit einer Klausel (vgl. Pfeiffer, in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, Art. 3 RL, Rn. 75). Ein Vertragslösungsrecht ist nach Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Anhangs die notwendige, dem Kunden einzuräumende Rechtsfolge einer Preisanpassungsklausel und die Verwenderin kann überhaupt nur unter diesen Voraussetzungen zu der Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel berechtigt sein. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass jede Anpassungsklausel mit einem Lösungsrecht zulässig wäre oder ein entsprechendes Indiz bestünde. Im Gegenteil: Ist auch eine angemessene Klausel nur wirksam, wenn sie mit einem Kündigungsrecht kombiniert wird, scheidet ein solches Recht von vornherein aus, um eine Unangemessenheit zu kompensieren (BGH, Urteil vom 21.09.2016 – VIII ZR 27/16 –, juris Rn. 27). Selbst wenn die Rechtsprechung des BGH in diesem Punkt strenger wäre als die Vorgabe der Richtlinie, gewährte sie dem Verbraucher im Sinne von Art. 8 der Richtlinie ein höheres Schutzniveau. Dies ist europarechtlich unbedenklich, weil die Richtlinie nur den Zweck verfolgt, einen Mindeststandard des Verbraucherschutzes zu gewährleisten (Graf von Westphalen/Mock, a.a.O. Rn. 50). Eine richtlinienkonforme Auslegung kann deshalb nicht dazu führen, den Mindeststandard des Verbraucherschutzes zu verringern. Auch nach der Umsetzung in das nationale Recht unterscheiden sich die Richtlinie und die §§ 305 ff. BGB konzeptionell in weiten Teilen. Dies liegt daran, dass die Richtlinie in Deutschland auf ein etabliertes AGBG stieß, dessen bewährte Struktur und Begriffe der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung gerade nicht aufgeben wollte. Bei der Transformation beschränkte der Gesetzgeber die Eingriffe in das vorhandene AGBG daher auf das aus seiner Sicht notwendige Minimum (vgl. BeckOGK/Lehmann-Richter, 1.7.2023, BGB § 305 Rn. 43)…“

Hinweis:

Bei Erstellung des Beitrages waren die beiden Gerichtsentscheidungen noch nicht rechtskräftig.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner