AG Frankfurt a.M.: Geheimhaltungsinteresse steht Auskunftsanspruch nach Art.15 DSGVO in Form der Herausgabe einer Kopie einer Prüfungsarbeit entgegen

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So das Gericht in seiner Entscheidung vom 14.März 2023 (Az.: 31 C 2043/22 (78)) in einem Rechtsstreit zu einem entsprechend geltend gemachten Anspruch zu einer Prüfung im Rahmen eines Sprachtests zu einem Einbürgerungsverfahren.

Das Gericht sieht ein Verweigerungsrecht des Prüfungsanbieters nach Art. 15 IV DSGVO und führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Nach jener Vorschrift darf das Recht auf Erhalt einer Kopie die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Wie sich aus dem bereits vorstehend zitierten Erwägungsgrund Nr. 63 zur DSGVO ergibt, zählen zum Kreis der anderen Personen im Sinne dieser Vorschrift auch der für die Datenverarbeitung verantwortliche und zu den von der Vorschrift geschützten Rechten auch dessen Geschäftsgeheimnisse und Urheberrechte. Anders als in dem Fall, welcher der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundelag, wo die öffentliche Hand auf Beklagtenseite stand, ist die hiesige Beklagte insoweit auch Trägerin der Grundrechte auf unternehmerische Freiheit und geistiges Eigentum nach Art. 16, 17 Abs. 2 EUGrdRCh, die gemäß Art. 52 Abs. 1 EUGrdRCh mit dem Grundrecht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 und 2 EUGrdRCh in praktische Konkordanz zu bringen sind. Dem ist im Rahmen der Abwägung des Auskunftsanspruchs der Klägerin und den von der Beklagten geltend gemachten entgegenstehenden Interessen Rechnung zu tragen. Dabei ist auch zu beachten, dass in Erwägungsgrund Nr. 63 zur DSGVO weiter ausgeführt ist, dass die Rechte anderer Personen nicht dazu führen dürfen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird.

Vorliegend ist das Gericht von den beklagtenseitig streitig vorgetragenen und von der Klägerin zulässigerweise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestrittenen Geheimhaltungsinteressen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufgrund der mit der Klageerwiderung vorgelegten Unterlagen überzeugt (§ 286 ZPO). Insbesondere aus dem mit Anl. B4 vorgelegten Handbuch zur Entwicklung und Durchführung von Sprachtests ergibt sich ein wissenschaftlich fundiertes und aufwändiges Verfahren unter Beteiligung einer Vielzahl von Personen, womit auch ein erheblicher wirtschaftlicher Aufwand notwendig einhergeht. Die Prüfungsfragen stellen danach auch in rechtlicher Hinsicht Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG und urheberrechtlich geschützte Sprachwerke i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dar.

Auch die Bedeutung der von der Beklagten angebotenen Sprachtests im Rahmen von Einbürgerungsverfahren, die dabei vergleichsweise hohe Durchfallquote, und in mehr als bloßen Einzelfällen aufgefallene mangelnde Lernmotivation von Prüflingen bei naturgemäß starkem Interesse dieser am Erhalt eines Sprachzertifikats werden durch das beklagtenseitig vorgelegte Informationsblatt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie durch die beklagtenseitig vorgelegten Presseartikel zur Überzeugung des Gerichts belegt. Ob auch das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Durchführung von Einbürgerungsverfahren auf hinsichtlich der erforderlichen Sprachkenntnisse zutreffend festgestellter Tatsachengrundlage mit dem Auskunftsanspruch der Klägerin abzuwägen ist, kann vorliegend dahinstehen. Es ist jedenfalls auch vor diesem Hintergrund eine Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit der Beklagten zu besorgen, wenn deren Prüfungsaufgaben aufgrund mangelnder Geheimhaltung nicht mehr als hinreichend für die Feststellung von Sprachkenntnissen in Einbürgerungsverfahren angesehen würden und der Beklagten in der Folge ein Nachfragerückgang drohte.

Da unstreitig blieb, dass – wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 31.10.2022 vorgetragen – aufgrund des geringen Sprachniveaus der streitgegenständlichen Prüfung anhand der Prüfungsantworten auf die Prüfungsfragen rückgeschlossen werden kann, sind diese geschützten Rechte der Beklagten an einer Geheimhaltung der Prüfungsfragen im Rahmen der Abwägung mit dem Auskunftsanspruch der Klägerin zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen ist auch die weitere unstreitige Tatsache, dass die Beklagte der Klägerin die Einsichtnahme in die Prüfungsunterlagen in ihren Geschäftsräumen anbietet.

In der Gesamtschau setzen sich danach die Geheimhaltungsinteressen der Beklagten durch, da nach dem hier zu entscheidenden Sach- und Streitstand die Zurverfügungstellung einer Kopie der Prüfungsarbeit notwendig mit einer Verletzung der Geheimhaltungsinteressen hinsichtlich der Prüfungsfragen einhergeht, ohne dass diese auf mildere Art und Weise, wie etwa einer Schwärzung Letzterer, verhindert werden kann. Da die Beklagte unstreitig die Einsichtnahme in die Prüfungsunterlagen in ihren Geschäftsräumen anbietet, wird der Auskunftsanspruch der Klägerin nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO durch die Nichtzurverfügungstellung einer Kopie auch nicht in Gänze vereitelt….“