Bei Auswahl eines zu späten Gerichtstermins aus von Gericht genannten Gerichtsterminen kann die Dringlichkeitsvermutung des § 12 I UWG widerlegt sein. So das Gericht in seinem Hinweisbeschluss vom 1. Dezember 2022 (Az.: 4 U 72/22) in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Die Berufung wurde daraufhin zurückgenommen.
Das OLG hatte Terminen zur mündlichen Verhandlung zwischen dem 05.07. und dem 01.09.2022 angeboten und der Rechtsanwalt des Berufungsführers hatte den vorletzten möglichen Termin vom 30.08.2022 akzeptiert und dies mit seiner Verhinderung und der Verhinderung der Geschäftsführerin der Berufungsführerin begründet.
Das Gericht führt aus:
„…Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG ist aber jedenfalls dadurch widerlegt, dass die Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren von insgesamt sieben ihr seitens des Senatsvorsitzenden mit Verfügung vom 27.04.2022 angebotenen Terminen zur mündlichen Verhandlung zwischen dem 05.07. und dem 01.09.2022 erst den vorletzten möglichen Termin vom 30.08.2022 als „geeignet“ akzeptiert und im Übrigen auf eine Verhinderung entweder ihrer Geschäftsführerin oder ihres Prozessbevollmächtigten verwiesen hat.
a)
Die Dringlichkeit wird gem. § 12 Abs. 1 UWG vermutet. Diese Vermutung wird nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschluss vom 01.07.1999 – I ZB 7/99, GRUR 2000, 151, Rn. 11 mwN., zit. nach juris – Späte Urteilsbegründung; s. a. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 40. Aufl. 2022, § 12 UWG, Rn. 2.15 mwN.), der der Senat folgt (vgl. bspw. Senatsurteile vom 15.03.2011 – 4 U 200/10, Rn. 15, vom 21.04.2016 – 4 U 44/16, Rn. 3, und vom 20.04.2021 – 4 U 14/21, GRUR 2021, 1106, Rn. 23 mwN., jew. zit. nach juris), jedoch widerlegt, wenn der Antragsteller/Verfügungskläger durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“. Dies kann insbesondere auch während des bereits laufenden Verfahrens durch zögerliche Prozessführung geschehen. Dazu ist eine Gesamtbetrachtung des prozessualen und vorprozessualen Verhaltens des Antragstellers/Verfügungsklägers geboten (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, aaO., § 12 UWG, Rn. 2.16 mwN.; OLG Hamburg, Urteil vom 21.03.2019 – 3 U 105/18, GRUR-RS 2019, 9190, Rn. 24).
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. bspw. Senatsurteile vom 15.03.2011 – 4 U 200/10, Rn. 15, und vom 20.04.2021 – 4 U 14/21, GRUR 2021, 1106, Rn. 24 mwN., jew. zit. nach juris) muss der Antragsteller/Verfügungskläger das Verfügungsverfahren nicht nur binnen Monatsfrist nach Kenntniserlangung vom Verstoß und vom Verletzer einleiten, sondern gerade auch beschleunigt weiterbetreiben, soweit er nicht bereits durch eine einstweilige (Beschluss-) Verfügung gesichert ist. Er hat insofern alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen.
Zwar entfällt die Dringlichkeit dann nicht, wenn für den Antragsteller/Verfügungskläger die von ihm verursachte Verfahrensverzögerung nicht vorhersehbar war (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, aaO., § 12 UWG, Rn. 2.16 unter Verweis auf OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.04.2015 – 6 U 17/15, GRUR-RS 2015, 09140, Rn. 5). Regelmäßig lassen von ihm verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung, bspw. Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge, aber darauf schließen, dass „ihm die Sache nicht so eilig ist“, weil insbesondere der eine Vertagung oder Terminsverlegung beantragende Verfügungskläger damit rechnen muss, dass der Termin auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden muss (vgl. Senatsurteile vom 15.03.2011 – 4 U 200/10, Rn. 15, und vom 20.04.2021 – 4 U 14/21, GRUR 2021, 1106, Rn. 25, jew. mwN. und zit. nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.10.2017 – 2 U 162/16 –, BeckRS 2017, 139897, Rn. 47; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, aaO., § 12 UWG, Rn. 2.16 mwN.).
b)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Dringlichkeitsvermutung in der Gesamtbetrachtung vorliegend widerlegt. Auch kann insofern eine Dringlichkeit nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 935, 940 ZPO nicht mehr angenommen werden.
aa)
Vorliegend hat die Verfügungsklägerin zwar nicht selbst aktiv die Verlegung eines vom Senatsvorsitzenden – ohne vorherige Terminsabfrage, wie es in einstweiligen Verfügungsverfahren an sich den Gepflogenheiten des Senats entspricht – anberaumten Termins beantragt. Hiermit wäre aber konsequenterweise zu rechnen gewesen, wenn der Senatsvorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung auf den ersten den Parteien angebotenen und nach der Geschäftslage des Senats möglichen Termin am 05.07.2022 anberaumt hätte. Insofern ist die vorliegende Konstellation nicht anders zu bewerten als ein von der Verfügungsklägerin selbst gestellter Terminsverlegungsantrag.
bb)
Die Verhinderung der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten allein begründet weder eine unvorhersehbare noch eine unvermeidbare Verfahrensverzögerung im Sinne der vorstehend dargestellten Grundsätze. Hiergegen spricht bereits, dass die Verhinderung bereits Ende April 2022, zum Zeitpunkt der Terminsabfrage, und damit rund zwei Monate vor dem frühestmöglichen Senatstermin feststand.
Gem. § 141 Abs. 3 ZPO hätte sich die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin durch eine mit dem Sach- und Streitstand hinreichend vertraute sowie umfassend bevollmächtigte Person vertreten lassen können.
Nichts anderes gilt im Ergebnis im Hinblick auf die Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten. Nötigenfalls hätte – ebenso wie im Urlaubsfall, der eine Verschiebung nach hinten in Eilsachen ebenfalls nicht rechtfertigt – ein Terminsvertreter entweder den Senatstermin im vorliegenden Verfahren oder einen etwaig hiermit kollidierenden Termin vor einem anderen Gericht wahrnehmen können und müssen (vgl. Senatsurteile vom 15.03.2011 – 4 U 200/10, Rn. 19, und vom 20.04.2021 – 4 U 14/21, GRUR 2021, 1106, Rn. 34, zit. nach juris).
cc)
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der ursprünglich auf den 30.08.2022 anberaumte Senatstermin aus dienstlichen Gründen auf den 08.12.2022 verlegt werden musste. Denn die Verlegung eines von vornherein auf den 05.07.2022 anberaumten Senatstermins wäre nicht erforderlich gewesen…“