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OLG Nürnberg: Regelmäßige Verkaufsannoncen im Internet und Vertragsschluss mit Fernkommunikationsmitteln begründen Fernabsatzvertrag

Regelmäßige Verkaufsannoncen im Internet und Vertragsschluss mit Fernkommunikationsmitteln begründen Fernabsatzvertrag – Dies führt dazu, dass auch über das Widerrufsrecht zu informieren ist. So das OLG Nürnberg in seinem Endurteil vom 23. August 2022 (Az.: 3 U 81/22). Das Gericht hatte über einen Rückzahlungsanspruch aus einem Kaufvertrag zu entscheiden. Der Verkäufer hatte seine KfZ in Internetannoncen beworben und dann, wie im Streitfall mit dem Kläger, den Kaufvertrag unter Nutzung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen. Das Gericht sah darin ein organisierten Vertriebssystem im Sinne des § 312c I BGB.

Regelmäßige Verkaufsannoncen im Internet und Vertragsschluss mit Fernkommunikationsmitteln begründen Fernabsatzvertrag – Ansicht des Gerichts

Das Gericht führt zu diesem rechtlichen Punkt in den Entscheidungsgründen des Urteils unter anderem aus:

„…Den damit nach § 312 c Abs. 1 Hs. 2 BGB der Beklagten obliegenden Vortrag und Beweis, dass der Vertragsabschluss im vorliegenden Fall unabhängig von einem derartigen System erfolgt ist, hat die Beklagte nicht gehalten bzw. geführt.

(1) Wie dargestellt, ist von vornherein unerheblich, dass die Beklagte die verkauften Fahrzeuge nicht versendet. § 312 c BGB stellt allein auf die Art und Weise ab, in der der Vertrag geschlossen wird, also die maßgeblichen Willenserklärungen abgegeben werden, weil später die Wahl-/Entscheidungsfreiheit, die Ware abzunehmen und zu bezahlen, nicht mehr gegeben ist (OLG Celle, Urteil vom 3. Juni 2020, 7 U 1903/19, NJW 2020, 2341, Rn. 13). Eine geschäftsmäßige Versendung mag zwar, wenn sie vorliegt, ein starkes Indiz für ein Fernabsatzsystem sein, doch ist sie weder Voraussetzung für ein solches noch indiziert ihr Fehlen das Nichtvorhandensein eines Fernabsatzsystems.

(2) Ebenso ist nicht erforderlich, dass der Vertragsschluss vollständig online und/oder automatisiert erfolgt (Martens, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, 61. Edition, Stand: 01.02.2022, § 312c Rn. 22; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, NJW 2019, 303, Rn. 20) wie etwa durch einen „Buy“-Button und ein entsprechendes automatisiertes Abwicklungssystem. Vielmehr genügt es, dass die beiden Willenserklärungen über Medien i.S.v. § 312 c Abs. 2 BGB ausgetauscht werden, mag die Entscheidung über den Vertragsschluss auch individuell von menschlichen Bearbeitern getroffen und von diesen das Weitere veranlasst werden.

(3) Das Zustandekommen eines Vertrags unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln begründet nach § 312 c Abs. 1 BGB eine widerlegliche Vermutung, dass dies im Rahmen eines Fernabsatzsystems geschehen ist (BGH, Urteil vom 23. November 2017 – IX ZR 204/16, NJW 2018, 690, Rn. 17).

Diese Vermutung ist vorliegend nicht bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts widerlegt oder erschüttert. Insbesondere weist das von der Beklagten praktizierte Vorgehen keine Aspekte auf, die es von vornherein als ausgeschlossen oder fernliegend erschienen ließen, dass damit eine allgemeine Anweisung oder Praxis der Unternehmensleitung – die für ein Fernabsatzsystem ausreichen würde – umgesetzt wurde. Die Übersendung eines entsprechend bezeichneten Dokuments, welches unterschrieben zurückgesandt werden soll, stellt einen typischen Weg des Vertragsschlusses unter Abwesenden dar. Der Vorgang konnte offenbar innerhalb kürzester Zeit sachgerecht und reibungslos abgewickelt werden, was die Vermutung eines entsprechenden Systems begründet bzw. verstärkt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 3. Juni 2020, 7 U 1903/19, NJW 2020, 2341, Rn. 12). Auch für den Kläger und jeden anderen Käufer in seiner Situation stellte sich die Situation so dar, als sei die Beklagte auf ein Begehren wie das des Klägers professionell vorbereitet. Dafür, dass die Beklagte lediglich auf besonderes Drängen des Klägers im Einzelfall und/oder Wegen einer verfestigten Geschäftsbeziehung gefälligkeitshalber so vorgegangen ist oder aus anderen Gründen ein Ausnahmefall vorlag, während sie an sich nicht bereit ist, Verträge auf diesem Weg zu schließen, hat die Beklagte dagegen nichts aufgezeigt…“

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