E-Commerce-Recht,  Markenrecht

KG Berlin: Behinderung nach UWG bei Sperrung eines Internetverkaufsangebotes wegen vermeintlicher Kennzeichenrechtsverletzung

Behinderung nach UWG bei Sperrung eines Internetverkaufsangebotes wegen vermeintlicher Kennzeichenrechtsverletzung – Dadurch kann eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr.4 UWG vorliegen. Mit den tatsächlichen Voraussetzungen hat sich das KG Berlin als ein zu bewertender rechtlicher Aspekt in seinem Beschluss vom 12. Mai 2022 (Az.: 5 U 139/19) auseinandergesetzt. Mit dem Beschluss wies das Gericht auf die Erfolglosigkeit einer Berufung gegen eine landgerichtliche Entscheidung hin, in der als Sachverhalt eine Sperrung eines Verkaufsangebotes auf der Internetverkaufsplattform eBay Thema war und die Frage, ob die Sperrung kennzeichenrechtlich begründet war oder die Beschwerde, die zur Sperrung führt, unbegründet war.

Behinderung nach UWG bei Sperrung eines Internetverkaufsangebotes wegen vermeintlicher Kennzeichenrechtsverletzung – Ansicht des Gerichts zu tatsächlichen Voraussetzungen

Das KG Berlin beschäftigt sich dabei, wie Eingangs genannt, mit den tatsächlichen Voraussetzungen der Anwendung des § 4 Nr.4 UWG und führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Eine unlautere Mitbewerberbehinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG kommt ferner nicht nur bei Vorliegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung insbesondere in Gestalt der Abnehmerverwarnung in Betracht, sondern auch dann, wenn dem Mitbewerber gestützt auf ein Schutzrecht durch eine Anzeige oder Mitteilung gegenüber Dritten eine Verletzung desselben vorgehalten wird, obwohl diese objektiv betrachtet tatsächlich nicht gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 123/06, juris – Fräsautomat; Müller-Bidinger in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4 Nr. 4 UWG (Stand: 24.02.2021), Rn. 261)…

Nichts anderes gilt für eine objektiv unberechtigte Mitteilung über eine von dem Mitbewerber begangene Schutzrechtsverletzung an den Betreiber einer Internethandelsplattform, mit der letzterer dazu veranlasst wird, das von der vermeintlichen Schutzrechtsverletzung betroffene Angebot des Mitbewerbers zu sperren. Denn auch mit dieser Vorgehensweise greift der Schutzrechtsinhaber über einen Dritten, der weder ein gesteigertes Eigeninteresse an der sachlichen Prüfung der Berechtigung der geltend gemachten Schutzrechtsverletzung und einer Auseinandersetzung mit dem Schutzrechtsinhaber noch die Möglichkeit zur eingehenden Prüfung der Berechtigung des geltend gemachten Anspruches hat, und der an ihn herangetragenen Aufforderung zur Sperre eines Angebotes daher regelmäßig zunächst Folge leisten wird, in die Absatzbemühungen des Mitbewerbers ein (Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 390; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.71; Eichmann/Jestaedt in: Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, DesignG, 6. Aufl. 2019, § 42 Rn. 115; vgl. ferner OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2020 – I-4 U 4/20, Rn. 54, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 03. Dezember 2015 – I-15 U 140/14, Rn. 44, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 06. Februar 2019 – 34 O 50/18, Rn. 39, juris; LG Hamburg, Beschluss vom 02. März 2018 – 308 O 63/18, Rn. 15, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 4a O 116/13, Rn. 28, juris)…“

Behinderung nach UWG bei Sperrung eines Internetverkaufsangebotes wegen vermeintlicher Kennzeichenrechtsverletzung – Ansicht des Gerichts zu rechtlicher Bedeutung von Mechanismen von Verkaufsplattform

Das Gericht äußert sich auch grundsätzlich zu Mechanismen von Internetverkaufsplattformen, wie im Streitfall des eBay-VeRI-Programmes, zur Meldung von Kennzeichen- und anderen Schutzrechtsverletzungen und führt dazu unter anderem aus:

„…Die Nutzung von Mechanismen wie des VeRi-Programms zum Zwecke der Durchsetzung der eigenen Rechtsposition ist allerdings in besonderem Maße dazu geeignet, den Warenabsatz des Mitbewerbers auch aufgrund zu Unrecht erhobener Beanstandungen einzuschränken. Die Anzeige einer Schutzrechtsverletzung gegenüber dem Plattformbetreiber begründet die nicht fernliegende Gefahr, dass diese vom Plattformbetreiber ohne nähere Prüfung zum Anlass genommen wird, den Mitbewerber (zumindest einstweilen) von dem Vertrieb bestimmter Ware über die Handelsplattform auszuschließen. Der Betreiber der Internethandelsplattform, der damit rechnen muss, bei einem fortgesetzten Vertrieb rechtsverletzender Ware selbst vom Rechtsinhaber auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 30. April 2008 – I ZR 73/05, Rn. 50 bis 53, juris – Internet-Versteigerung III) wird – anders als derjenige, der die in Rede stehende Schutzrechtsverletzung begangen haben soll – ein nur geringes Interesse daran haben, eine an ihn gerichteten Aufforderung, ein bestimmtes Angebot zu sperren, unbeachtet zu lassen, sofern diese Aufforderung gewissen – vom Pattformbetreiber vorgegebenen – Mindestanforderungen genügt. Er wird ferner regelmäßig nicht über alle Informationen verfügen, die ihm eine zuverlässige Prüfung der Rechtsbeständigkeit des geltend gemachten Schutzrechts und des Vorliegens eines Eingriffes in dessen Schutzbereich ermöglichen und eine solche Prüfung ohnehin nur im Rahmen des Zumutbaren leisten können. Es liegt daher nahe, dass der Mitbewerber zunächst – gleichsam auf „Zuruf“ – mit dem beanstandeten Angebot von der Nutzung der Internethandelsplattform ausgeschlossen wird (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 – I ZR 217/03, Rn. 21, juris – unbegründete Abnehmerverwarnung; Müller-Bidinger in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4 Nr. 4 UWG (Stand: 24.02.2021), Rn. 237).

Die mit der Sperrung des beanstandeten Angebots einhergehende Unterbrechung eines für ein im Online-Handel tätiges Unternehmen wichtigen Vertriebsweges kann ferner zu einer nicht unerheblichen Störung des Warenabsatzes führen, der relevante Umsatzeinbußen und einen Verlust des Vertrauens bereits gewonnener Kunden in die Redlichkeit und Lieferfähigkeit des von der Angebotssperrung betroffenen Unternehmens nach sich zu ziehen geeignet ist. Hinzu kommt, dass der Anbieter einer Internethandelsplattform – wie aus der als Anlage K7 vorgelegten Mitteilung von eBay hervorgeht – eine (wiederholte) Anzeige von Schutzrechtsverletzungen zum Anlass für die Sperrung des gesamten Kundenkontos nehmen kann.

Diesen Gefahren kann der von der Angebotssperrung Betroffene – jedenfalls bei der hier zu beurteilenden Fallgestaltung – auch im Vorfeld der Angebotssperrung weder durch eine Gegenäußerung gegenüber dem Plattformbetreiber, noch durch eine gegenüber dem (vermeintlichen) Anspruchsinhaber abgegebene Stellungnahme begegnen, wenn er – wovon aufgrund der durch die Anlage K7 gestützten Darstellung der Klägerin auszugehen ist (§ 286 Abs. 1 ZPO) – erst nach erfolgter Sperrung von der entsprechenden Meldung des Schutzrechtsinhabers an die Handelsplattform Kenntnis erhält.

Demgegenüber hat es der Schutzrechtsinhaber in der Hand, den (vermeintlichen) Rechtsverletzer zunächst mit einer entsprechenden Abmahnung/Verwarnung unmittelbar auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen und etwaige Einwände des Anspruchsgegners hiergegen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, bevor er ein drittes Unternehmen – hier die Internethandelsplattform eBay – in die Durchsetzung der ihm nach seinem Dafürhalten zustehenden Rechte einbezieht. Dies ist mit Rücksicht darauf, dass sich der Inhaber eines Schutzrechtes grundsätzlich auch bei der Verfolgung seiner Rechte unter Berücksichtigung der Belange des (potentiellen) Rechtsverletzers auf die hierzu notwendigen Mittel zu beschränken hat, auch regelmäßig geboten (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 – I ZR 187/16, Rn. 92, juris – Ballerinaschuh)…“

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