Datenschutzrecht

VGH Baden-Württemberg:DSGVO & Auslegung von privaten Stellungnahmen bei Bauplanung

DSGVO & Auslegung von privaten Stellungnahme bei Bauplanung – Dazu hat sich der  VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 24. Mai 2022 (Az.:3 S 1813/19) geäußert. Hintergrund war die Beteiligung der Öffentlichkeit bei einem Bauvorhaben nach § 3 BauGB, bei der aus zu einer öffentlichen Auslegung von Stellungnahme von Personen kam, deren Namen und Anschriften im Rahmen der Auslegung aber nicht anonymisiert oder „geschwärzt“ waren.

DSGVO & Auslegung von privaten Stellungnahmen bei Bauplanung – Anwendung, da BauGB keine Reglungen zum Datenschutz enthält

Dies stellt das Gericht zu Beginn seiner Ausführungen in der Begründung des Urteils fest und führt dazu aus:

„…Das BauGB enthält keine speziellen Regelungen zum Datenschutz im Zusammenhang mit der Bauleitplanung. Die planenden Gemeinden haben allerdings die allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen zu beachten. Seit Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vom 27.4.2016 ab dem 25.5.2018 (vgl. deren Art. 99 Abs. 2) und damit auch zum Zeitpunkt der Wiederholung der (ersten) öffentlichen Auslegung sind dies, soweit es um personenbezogene Daten (vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 DSGVO) geht, im Wesentlichen deren Regelungen (vgl. Schrödter/Wahlhäuser in Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 3 Rn. 12a)….“

DSGVO & Auslegung von privaten Stellungnahmen bei Bauplanung – Rechtsgrundlage aus DSGVO

Als solche sieht das Gericht hier Art.6 I lit.f) DSGVO an und führt dann aus:

„…Ob die Verarbeitung rechtmäßig ist, richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Diese nennt „Bedingungen“ für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten. Von diesen Bedingungen kommt im Zusammenhang mit der Bauleitplanung nur die in Unterabs. 1 Buchst. e genannte in Betracht, d.h. die Erforderlichkeit der Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Die Bauleitplanung liegt im öffentlichen Interesse und erfolgt auch durch die Gemeinden als Verantwortliche (vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO) in Ausübung hoheitlicher Gewalt (vgl. Schrödter/Wahlhäuser, a. a. O., § 3 Rn. 14). Das entscheidende Kriterium für die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Antragsgegnerin ist mithin dasjenige der „Erforderlichkeit“. Die Erforderlichkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten (im unionsrechtlichen Sinn) setzt voraus, dass die Aufgabe ohne diese nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllt werden kann; die Verarbeitung darf nicht über das absolut Notwendige hinausgehen (vgl. Albers/Veit in BeckOK DatenschutzR, DS-GVO Art. 6 Rn. 44 [Stand: 1.5.2020])….

Dass „die wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen“ – dies können auch Stellungnahmen privater Dritter sein (vgl. Senatsurt. v. 12.10.2010 – 3 S 1873/09 – juris) – ausgelegt werden müssen, ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB (ggf. i. V. m. § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB; zur [zusätzlichen] Veröffentlichung im Internet s. § 4a Abs. 4 BauGB]). Eine Einschränkung dahingehend, dass eine Auslegung zu unterbleiben hat, wenn damit personenbezogene Daten offengelegt werden, enthält die Vorschrift nicht. Daraus folgt allerdings nicht zwingend, dass die Stellungnahmen stets vollständig, d. h. ohne Anonymisierungen, ausgelegt werden müssen. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB lässt Raum für eine Auslegung unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Bestimmungen. Entscheidend ist der „Umweltbezug“ der Stellungnahme. Dieser dürfte je nach Fallgestaltung deutlich werden, ohne dass der Name und die Anschrift des Verfassers bekannt werden. Soweit die Antragsgegnerin (auch noch in der mündlichen Verhandlung) die Auffassung vertritt, für die inhaltliche Einordnung umweltbezogener Stellungnahmen sei es notwendig, die Urheberschaft zu kennen, ist dem in dieser Pauschalität nicht zuzustimmen. Ist etwa Gegenstand einer Stellungnahme die aufgrund der Bauleitplanung ermöglichte Bodenversiegelung, so ist die Person des Verfassers regelmäßig unerheblich (vgl. auch Schrödter/Wahlhäuser, a. a. O., § 3 Rn. 18). Geht es hingegen um ein auf einem Grundstück gelegenes Biotop oder um ein dort vorhandenes Vogelnest, so ist die Information unerlässlich, um welches Grundstück es sich handelt; die namentliche Kennzeichnung des Urhebers dürfte freilich auch in diesem Fall entbehrlich sein. Es kann mithin nur im Einzelfall beurteilt werden, ob eine Stellungnahme vollständig öffentlich ausgelegt werden muss oder aus datenschutzrechtlichen Gründen personenbezogene Daten ganz oder teilweise unkenntlich zu machen sind…“

DSGVO & Auslegung von privaten Stellungnahmen bei Bauplanung – Folgen bei Verstoß

Hier sieht das Gericht in der Folge eines Verstoßes gegen die DSGVO auch einen Einfluss auf das Verfahren nach BauGB. Das Gericht führt dazu aus:

„..Etwaige Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Rahmen der Bauleitplanung führen als solche nicht zur Rechtswidrigkeit eines Bebauungsplans (vgl. Schrödter/Wahlhäuser, a. a. O., § 3 Rn. 21). Verstöße gegen das Datenschutzrecht unterliegen einem eigenständigen Rechtsfolgenregime….

Allerdings können Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen gleichzeitig Verstöße gegen bauplanungsrechtliche Bestimmungen – im vorlegenden Kontext gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB über die öffentliche Auslegung – darstellen…

Nicht nur darf die Auslegungsbekanntmachung nicht so gehalten sein, dass Personen in unzulässiger Weise davon abgehalten werden, eine Stellungnahme abzugeben (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 10.6.2020 – 4 BN 55.19 – juris Rn. 5 im Zusammenhang mit der Regionalplanung). Auch die öffentliche Auslegung als solche darf nicht so durchgeführt werden, dass Personen in unzulässiger Weise davon abgehalten werden, sich zu der gemeindlichen Planung zu äußern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.10.2021 – 5 S 3125/20 – juris Rn. 50). Dies ist der Fall, wenn es für das Absehen von der Äußerung einen nachvollziehbaren und berechtigten Grund gibt. Ein solcher kann auch darin liegen, dass in einer möglicherweise erforderlichen erneuten Auslegung (vgl. § 4a Abs. 3 BauGB) im Rahmen der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB eingegangene Einwendungen von Privatpersonen mit deren Namen und Anschriften und u. U. sogar mit deren Mailadressen veröffentlicht werden, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit besteht….“

Cookie Consent mit Real Cookie Banner