IT-Recht

LG Saarbrücken: Nutzt ein Inkassodienstleister in einem Online-Formular den Begriff „kostenneutral“ bei der Möglichkeit, außergerichtlich Forderungen beitreiben zu lassen, und erklärt dies im weiteren Verlauf ausreichend, ist dies kein Verstoß gegen § 305c BGB

So das Gericht in seinem Urteil vom 22. Februar 2024 (Az.: 13 S 43/23) in einem Berufungsverfahren. Der klagende Inkassodienstleister konnte erfolgreich einen Anspruch gegen den Beklagten durchsetzen. Im Rahmen des Bestellvorgangs über die Internetseite des Kläger wurde der Begriff „kostenneutral“ nach Ansicht des Gerichts mehrfach und in ausreichender Form so erklärt, dass dies für die erfolgreiche Beitreibung der Forderung bei den Schuldnern der Kunden des Kläger Geltung hat. Unter anderem hat sich der Beklagte erfolglos auf die Anwendung von § 305 C BGB und damit das Vorliegen einer überraschenden bzw. mehrdeutigen Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung berufen. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem zu diesem Vortrag aus:

„…Bei der Erläuterung zur Kostenneutralität („sofern die Forderung erfolgreich beigetrieben wird“) handelt es sich auch nicht – wie der Beklagte meint – um eine Bestimmung, die nach den Umständen so ungewöhnlich war, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen brauchte. Die Prüfung nach § 305c Abs. 1 BGB, auf welche der Beklagte sich beruft, erfolgt in drei Schritten. Zunächst ist festzustellen, welche Vorstellungen und Erwartungen der Kunde vom Inhalt des abgeschlossenen Vertrages nach den Umständen hatte und haben durfte. Sodann ist der Inhalt der streitigen AGB-Klausel zu ermitteln. Schließlich ist zu fragen, ob die Diskrepanz zwischen den Vorstellungen des Kunden und dem Inhalt der AGB-Klausel so groß ist, dass sich die Annahme rechtfertigt, es handele sich um eine „überraschende“ Klausel im Sinne der zu prüfenden Norm. Dazu muss der Klausel ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen; sie muss eine Regelung enthalten, auf die der Kunde nach Lage der Umstände vernünftigerweise nicht gefasst zu sein brauchte (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305c Rn. 6, 12). Für die Frage, welche Vorstellungen und Erwartungen der Kunde vom Inhalt des Vertrages hatte und haben durfte, kommt es auf die gesamten, bei Vertragsschluss obwaltenden Umstände an. Abzustellen ist grundsätzlich auf die Vorstellungen und Erwartungen, die ein redlicher Kunde von durchschnittlicher Geschäftserfahrung, Aufmerksamkeit und Umsicht sich vom Inhalt des Vertrages auf Grund der genannten Umstände unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise gebildet hätte; ungewöhnliche Erwartungen, die gerade nur der in Rede stehende Kunde auf Grund besonderer persönlicher Erfahrungen oder Vorstellungen mit dem Vertragsinhalt verknüpft, verdienen nicht den Vertrauensschutz, der durch § 305c Abs. 1 BGB gewährleistet werden soll (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305c Rn. 7). Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut. Schon danach ist vom Begriff der Kostenneutralität ohne Weiteres auch die Konstellation erfasst, dass zwar Kosten anfallen, diese jedoch auf andere Weise ausgeglichen werden (vgl. oben). Der Beklagte durfte mithin bereits nicht die Vorstellung haben, die Leistung der Klägerin sei umsonst; vielmehr verhält es sich umgekehrt so, dass die kostenlose Leistung eines Inkassounternehmens „überraschend“ gewesen wäre. Die sich zulasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB kommt vor diesem Hintergrund nicht zum Tragen. Denn diese setzt voraus, dass nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Hierbei bleiben Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligte nicht ernsthaft in Betracht kommen (stRspr., vgl. z.B. BGH NJW-RR 2019, 1202 Rn. 20, beck-online m.w.N.). Gemessen an diesen Maßstäben kann vorliegend nicht von einer Unklarheit im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB ausgegangen werden…“

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