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OLG Nürnberg: AGB-Klausel zur Verwendung gegenüber Verbrauchern zur Pauschalierung von Vorfälligkeitsbetrag nach 2 Monaten Zahlungsverzug bei 24-Monatsvertrag bei Angebot webbasierter Software unzulässig

Das Gericht hat folgende Regelung in einem Verfahren nach dem UKlaG in seinem Endurteil vom 28. November 2023 (Az.: 3 U 1166/23) für unzulässig erklärt:

Das Gericht sah in der Verwendung der Regelung einen Verstoß gegen § 307 I 1 BGB und begründet dies unter anderem wie folgt:

„…(1) Vorliegend ist in den Verträgen – anders als in dem vom BGH im Jahr 2019 entschiedenen Fall – eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten seitens der Beklagten als Verwenderin zwingend vorgegeben. Der Kunde kann daher nicht die Mindestvertragsdauer selbst aushandeln und so Einfluss darauf nehmen, welche Auswirkungen die Vorfälligkeitsklauseln in dem ihn betreffenden Vertragsverhältnis haben kann. Auch wenn die Vorgabe der Laufzeit selbst nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens und damit der Überprüfung ist, hat dies deshalb Bedeutung, weil von der Länge der (restlichen) Laufzeit die Auswirkungen der Klausel für den betroffenen Kunden abhängen.

(2) Zutreffend ist zwar, dass der Kunde kein Interesse daran haben kann, dass die Beklagte „einen Schritt weiter geht“ und die außerordentliche Kündigung erklärt, weil er in diesem Fall seinen Anspruch auf die Leistung verlieren würde, aber auf Nichterfüllung in Anspruch genommen werden könnte (BGH, Urteil vom 18. April 2019, III ZR 191/18, NJW-RR 2019, 1072, Rn. 20). Er würde daher bei einer Kündigung wesentlich schlechter stehen als dann, wenn lediglich die Fälligkeit der künftigen Zahlungen vorverlegt wird. Dies gilt umso mehr, als in Fällen der vorliegenden Art bei der Ermittlung des Kündigungsschadens eine Anrechnung von Vorteilen durch eine anderweitige Lizenzvergabe regelmäßig nicht vorzunehmen ist (vgl. Regenfus, ZIP 2023, 951 (957)).

(3) Erheblich nachteilig für den Kunden wirkt sich jedoch aus, dass fortan er das Risiko einer Insolvenz der Beklagten trägt. Die Folgen hiervon sind aufgrund der Umstände der vorliegend zu beurteilenden Fallkonstellation ganz erheblich.(a) Infolge der Vertragslaufzeit von 24 Monaten kann der Kunde das Insolvenzrisiko der Beklagten über eine Zeit von 22 Monaten hinweg tragen müssen. Wie sich die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens über einen solchen Zeitraum entwickelt, ist selbst für Personen mit wirtschaftlichen Kenntnissen und erst recht für Laien kaum abzuschätzen, da sich die ökonomischen Rahmenbedingungen im Zeitraum von 1 >4 Jahren und mehr in erheblicher Weise ändern können. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass auch im Verbandsklageprozess nicht in jedem Sinne in tatsächlicher Hinsicht der „worst case“ zugrundezulegen ist. Gleichwohl kann die Klausel auch im Fall eines Verzugs mit einer der ersten Raten zur Anwendung kommen, so dass diese Situation einzubeziehen ist.

Selbst wenn man realistischerweise davon ausgeht, dass der Zahlungsverzug des Kunden nach der Hälfte der Laufzeit, also nach 12 Monaten, eintritt, trägt er noch das Insolvenzrisiko für einen Zeitraum von 10 Monaten. Dass in dieser Phase der letzten 10 Monate des 2-jährigen Zeitraums eine Insolvenzgefahr gegeben sein kann, selbst wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten bei Begründung des Vertragsverhältnisses noch ausreichend oder sogar zufriedenstellend waren, kann weder ausgeschlossen noch als fernliegend bezeichnet werden. Der Zeitraum ist auch so lang, dass eine Realisierung dieses Risikos während fortbestehender Vertragslaufzeit nicht als femliegend abgetan werden kann.

Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt ganz erheblich von der Situation, die der Entscheidung des BGH vom 18. April 2019 (III ZR 191/18, NJW-RR 2019, 1072, Rn. 14) zugrunde lag. Dort war die Mindestdauer des Vertrags über Nachhilfeunterricht individuell auszuhandeln und verlängerte sich dieser ohne Kündigung nur um jeweils drei Monate. Der Zeitraum, auf den sich die Vorfälligkeitsklauseln auswirken und zu einer Überbürdung des Insolvenzrisikos führen konnte, war damit wesentlich geringer. Der Gesichtspunkt hat daher in der vorzunehmende Abwägung ein signifikant höheres Gewicht. Auch in der Literatur (BeckOGK/Zschieschack, Stand 1.6.2023, § 307 Vorfälligkeitsklausel Rn. 17) wird eine ungerechtfertigte Benachteiligung dann angenommen, wenn die Vorauszahlungspflicht lange Zeiträume umfasst…“

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