Datenschutzrecht

LArbG Baden-Württemberg: keine verdeckte Prüfung durch Arbeitgeber eines dienstlichen E-Mail-Accounts bei erlaubter Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts-Ankündigung und Möglichkeit der Aussonderung privater E-Mails erforderlich

Dies ist nur einer der rechtlichen Aspekte, die das Gericht in seinem Urteil vom 27. Januar 2023 (Az.: 12 Sa 56/21), auch mit vielen Leitsätzen, festgestellt hat.

In dem arbeitsrechtlichen Rechtsstreit waren neben ausgesprochenen Kündigungen und ausstehenden Lohnzahlungen auch datenschutzrechtliche Ansprüche streitig. Bei Letzteren ging es um einen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.

Im Rahmen der zu bewertenden Kündigungen war durch das Gericht auch zu bewerten, ob E-Mails als Beweis verwertet werden durften und ob die Einsichtnahme in den E-Mail-Account datenschutzrechtlich konform, unter Beachtung des § 26 BDSG, gewesen ist.

Im Streitfall war eine private Nutzung nicht ausdrücklich verboten und auch für andere Kommunikationswege (z.B. WhatsApp) war über ein zur Verfügung gestelltes Smartphone eine Mischnutzung, sprich dienstlich und privat, möglich.

Das Gericht sieht hier die Rechtsgrundlage des § 26 I BDSG nicht als erfüllt an, da die Prüfung in verdeckter Form nicht den Grundsatz der Erforderlichkeit erfüllt habe. Es wird unter anderem in den Entscheidungsgründen ausgeführt:

„…Die danach bestehende mangelnde Erforderlichkeit der Maßnahme wird durch die aus Sicht der Kammer gestattete Privatnutzung des E-Mail-Accounts verschärft. Wie oben gezeigt, darf bei ausdrücklich erlaubter oder geduldeter Privatnutzung eine verdachtsunabhängige Maßnahme in aller Regel nicht verdeckt erfolgen. Vielmehr muss dem Arbeitnehmer angekündigt werden, dass und aus welchem Grund eine Verarbeitung von E-Mails stattfinden soll. Es muss ihm die Gelegenheit gegeben werden, private Nachrichten in einem gesonderten Ordner zu speichern, auf den kein Zugriff erfolgt. Dies ist unstreitig nicht geschehen.

(aa) Der Kläger, der seinen dienstlichen E-Mail-Account auch privat genutzt hat, durfte berechtigterweise eine Erlaubnis zur privaten Nutzung annehmen. Zwar hat die Beklagte pauschal behauptet, die Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts sei ausdrücklich verboten gewesen. Diese Tatsachenbehauptung ist indes genauso unsubstantiiert geblieben wie die gegenteilige Behauptung des Klägers, eine Privatnutzung sei ausdrücklich gestattet gewesen.

(bb) Es ist in der Literatur umstritten, welcher Grundsatz gilt, wenn eine klare Regelung hinsichtlich der Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts nicht besteht, wobei die wohl herrschende Auffassung von einem Verbot der Privatnutzung bei Fehlen einer ausdrücklichen Erlaubnis ausgeht (siehe Maschmann, NZA-Beil. 2018, 115 Fn. 95 zum Meinungsstand mwN; zur wohl h.M. etwa BeckOK DatenschutzR/Riesenhuber, 42. Ed. 1.11.2022, BDSG § 26 Rn. 170, zur Gegenansicht: Brink/Wirtz ArbRAktuell 2016, 255, 255).

Gegen die Annahme eines pauschalen Verbots bei Nichtregelung der Privatnutzung durch den Arbeitgeber könnte nach Ansicht der Kammer sprechen, dass mittlerweile wohl die meisten Unternehmen in Deutschland ihren Mitarbeitern gestatten, auch private E-Mails in bestimmtem Umfang über ihren geschäftlichen Zugang zu versenden oder zu empfangen (zu diesem empirischen Befund Wybitul NJW 2014, 3605, 3607 mwN). Die Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts ist im Arbeitsleben heutzutage kein Ausnahmefall, sondern durchaus üblich.

Zudem erscheint die von der Gegenansicht (etwa Thüsing a.a.O. Rn. 37; Mengel Compliance, § 7. Datenschutz und Kontrolle am Arbeitsplatz Rn. 41) gezogene Parallele zur sonstigen Unternehmenspost nur bedingt zu überzeugen. Gerade in Bereichen wie dem Vertrieb, in dem es auf den Aufbau von persönlichen Kontakten zu Kunden ankommt, werden neben geschäftlichen Informationen oftmals auch persönliche Informationen in E-Mails integriert, die im vordigitalem Zeitalter per Geschäftsbrief nicht gleichermaßen mit Kunden schriftlich ausgetauscht worden wären. Gleiches gilt beim E-Mail-Verkehr zwischen Kollegen, die oftmals untereinander auch private Freundschaften pflegen. In E-Mails an Kollegen werden regelmäßig – neben dienstlichen Inhalten – auch private Dinge ausgetauscht, die zu Zeiten „traditioneller“ Kommunikation überhaupt nicht schriftlich kommuniziert worden wären. Die E-Mail ist nach der Art ihres üblichen Einsatzes in der betrieblichen Wirklichkeit ein gegenüber dem Geschäftsbrief eigenes Kommunikationsmittel mit regelmäßig höherem Gehalt an persönlichem Informationsaustausch. Sie nimmt verglichen mit dem (Telefon-)Gespräch und dem Geschäftsbrief eine Zwischenstellung ein. Es spricht demnach einiges dafür, dass ein Arbeitgeber, der mit der Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts nicht einverstanden ist, dieses übliche Nutzungsverhalten auch ausdrücklich verbieten muss (i.E. ebenso Brink/Wirtz a.a.O.).

(cc) Letztlich kann die Frage nach dem generellen Regel-, Ausnahmeverhältnis aber dahinstehen. Denn selbst wenn man im Grundsatz von einem Verbot der Privatnutzung ausgehen wollte, wäre aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls hier etwas anderes anzunehmen.

Der Kläger nutzte sowohl für seine private als auch für seine dienstliche Kommunikation umfassend das ihm überlassene iPhone. Er hatte den Erhalt eines rein dienstlichen Smartphones abgelehnt, weil er insgesamt nur ein Gerät für alle privaten und dienstlichen Belange nutzen wollte. Insoweit waren die Parteien sich einig, dass der Kläger seine bislang ausschließlich private SIM-Karte und Mobilfunknummer einbrachte und fortan auch dienstlich nutzte. Die private SIM-Karte sowie die mitgebrachte Mobiltelefonnummer waren für Telefonate, SMS und zur Nutzung des mit der Mobilfunknummer verbundenen Messenger-Dienstes WhatsApp zwingend erforderlich. Insoweit ist – wie das Arbeitsgericht bezüglich WhatsApp vollkommen zutreffend ausgeführt hat – eine einvernehmliche Mischnutzung für private und dienstliche Belange anzunehmen.

Wenn aber hinsichtlich dieser Kommunikationsformen eine einvernehmliche Mischnutzung vorliegt, durfte der Kläger davon ausgehen, dass sich diese Erlaubnis auch auf den dienstlichen E-Mail-Account erstreckte, selbst wenn dieser nicht unmittelbar von SIM-Karte und Mobilfunknummer abhängig war. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass der Kläger neben Telefonaten und Videokonferenzen auch seinen E-Mail-Verkehr und die Pflege des Terminkalenders über das Smartphone abwickelte und es sich insoweit um ein umfassendes „Kommunikations- und Organisationsgerät“ (ABl. 397) gehandelt habe. Die erlaubte Mischnutzung bezüglich bestimmter Kommunikationsformen bewirkt nach Ansicht der Kammer daher die berechtigte Erwartung, dass dies – bis zu einem ausdrücklichen Verbot der Beklagten – auch hinsichtlich anderer Kommunikationsformen gelten sollte. Selbst die Beklagte ist der Ansicht, dass im Hinblick auf die Frage der Privatnutzung der WhatsApp-Messenger-Dienst keine andere rechtliche Qualität als der E-Mail-Account habe (ABl. 161). Die Kammer nimmt deshalb vorliegend eine jedenfalls stillschweigende Erlaubnis der Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts an…“

Kommentare deaktiviert für LArbG Baden-Württemberg: keine verdeckte Prüfung durch Arbeitgeber eines dienstlichen E-Mail-Accounts bei erlaubter Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts-Ankündigung und Möglichkeit der Aussonderung privater E-Mails erforderlich
Cookie Consent mit Real Cookie Banner