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OLG Brandenburg: Zu langes Warten mit Vorgehen gegen Sperrung von Verkaufskonto auf Internetplattform

Zu langes Warten mit Vorgehen gegen Sperrung von Verkaufskonto auf Internetplattform – Zumindest in einem einstweiligen Verfügungsverfahren bestehen hohe prozessuale Vorgaben, die beachtet werden müssen, um eine einstweilige Verfügung zu erhalten. Wartet der Antragsteller zu lange mit seinem gerichtlichen Vorgehen, so besteht kein Verfügungsgrund und der Antrag ist abzuweisen. So auch entschieden durch das OLG Brandenburg in einem Fall einer Verkaufskontosperrung wegen Softwareangeboten durch Urteil vom 21. Juli 2022 (Az.: 10 U 65/22). Der dortige Antragsteller hatte 11 Wochen abgewartet, bevor er gegen die Verkaufskontosperrung vorgegangen war.

Zu langes Warten mit Vorgehen gegen Sperrung von Verkaufskonto auf Internetplattform – Ansicht des Gerichts

Dies war nach Ansicht des OLG Brandenburg zu lange und damit bestand kein Verfügungsgrund nach § 935 ZPO. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Infolge Selbstwiderlegung fehlt ein Verfügungsgrund, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen hat, insbesondere weil er nach Eintritt der Gefährdung seines Rechts lange Zeit mit einem Antrag zugewartet oder das Verfügungsverfahren nicht zügig betrieben hat (OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2018 – 4 U 1675/17, BeckRS 2018, 3662, KG Urteil vom 09.02.2001 – 5r U 9667/00, NJW-RR 2001, 1201, 1202). Der Gedanke der Selbstwiderlegung wurde in Ansehung der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung im Wettbewerbsrecht entwickelt, ist aber als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzuerkennen (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 16).

Eine späte Antragstellung ist dann schädlich, wenn dem Gläubiger die Gefährdung seiner Rechtstellung bekannt war oder aus grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 17). Liegt nämlich ein Wissen über die Gefährdung seiner Rechtstellung vor, hat sich der Antragsteller unverzüglich darüber klar zu werden, ob er gegen den Verletzungstatbestand vorgehen will (KG, Urteil vom 20.02.2015 – 5 U 150/14, BeckRS 2015, 11082, beck-online)…

Im Hinblick auf das ihm vorgehaltene Abwarten von elf Wochen zwischen den Kontosperrungen am 11.10.2021 und der Antragstellung unter dem 21.12.2021 mit Eingang beim Landgericht am 27.12.2021 erklärt der Verfügungskläger im Schriftsatz vom 06.05.2022 lediglich, es könnten keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass auf seiner Seite kein „dringlichkeitsschädliches Zuwarten“ vorliege (Bl. 496). Er zitiert insoweit das OLG Hamm, wonach die zeitliche Obergrenze bei drei Monaten liege. Das ergibt sich aus der angeführten Entscheidung aber gerade nicht. Vielmehr hat das OLG Hamm in dem von ihm entschiedenen Fall eine fehlende Dringlichkeit wegen des Zuwartens über ca. drei Monate hinweg angenommen (OLG Hamm, Urteil vom 09.03.1990 – 7 U 142/89, NJW-RR 1990, 1236, beck-online). Daraus lässt sich nicht schließen, dass das OLG Hamm bei einem Zuwarten über elf Wochen hinweg noch von Dringlichkeit ausgegangen wäre.

Gerade weil der Verfügungskläger geltend macht, die Sperrung seiner Konten durch die Verfügungsbeklagte habe ihn und seine Familie in der Existenz bedroht, hätte es nahegelegen, umgehend nach der Sperrung der Konten am 11.10.2021 den Versuch zu unternehmen, eine Unterlassungsverfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu erwirken. Indem der Verfügungskläger stattdessen elf Wochen bis zur Antragstellung unter dem 21.12.2021, mit Eingang beim Landgericht erst am 27.12.2021, abgewartet hat, hat er die Vermutung, dringend auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen zu sein, selbst widerlegt. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass es nach dem 11.10.2021 noch schriftlichen Austausch zwischen den Parteien gegeben hat….

In seinem Schreiben vom 10.10.2021 (Bl. 41 f.) hat sich der Verfügungskläger noch nicht gegen die Sperrung der beiden Nutzerkonten bei der Verfügungsbeklagten gewandt. Vielmehr hat er die „vertragswidrige Löschung“ bei der Verfügungsbeklagten eingestellter Verkaufsangebote seit November 2020 beanstandet. Im Hinblick auf die durch die Verfügungsbeklagte „vereitelten“ Verkäufe hat er den ihm entstandenen Schaden auf 32.400 € beziffert. Abschließend hat er die Verfügungsbeklagte aufgefordert, unverzüglich eine Löschung der von ihm eingestellten Produktangebote zu unterlassen und ihm dies bis spätestens zum 20.10.2021 schriftlich zu bestätigen. Für den Fall des erfolglosen Fristablaufes hat der Verfügungskläger angekündigt, eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung zu erwirken.

Mit Schreiben vom 11.10.2021 (Bl. 43) – nun offensichtlich in Kenntnis der Sperrung der Nutzerkonten – hat der Verfügungskläger erklärt, die Verfügungsbeklagte solle die im Schreiben vom 10.10.2021 enthaltene Fristsetzung als gegenstandslos betrachten. Vielmehr werde die Verfügungsbeklagte nunmehr aufgefordert, unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 13.10.2021, die erfolgte Sperrung der Konten aufzuheben und von weiteren Löschungen der Verkaufsangebote abzusehen; andernfalls werde er, der Verfügungskläger, sogleich vorläufigen Rechtsschutz bei den ordentlichen Gerichten in Anspruch nehmen.

Die Verfügungsbeklagte hat darauf mit Schreiben vom 20.10.2021 reagiert (Bl. 62 f.). Hierin hat sie unter Bezugnahme auf ihre Nachricht vom 11.10.2021 noch einmal Angebote des Verfügungsklägers aufgeführt, die von der Rechteinhaberin als rechtsverletzend beanstandet worden seien. Hierüber sei der Verfügungskläger informiert worden. Im Hinblick auf die wiederholten Verstöße gegen § 3 Ziffern 1 und 2 der …-AGB (Bl. 70) sowie gegen den Grundsatz zum geistigen Eigentum und den Grundsatz zu Repliken und Fälschungen habe das Nutzerkonto „…“ in Übereinstimmung mit § 5 Ziffer 2 der AGB (Bl. 71) dauerhaft vom Handel ausgeschlossen werden müssen. Eine Freischaltung des Nutzerkontos komme daher derzeit nicht in Betracht, bis die Rechteinhaberin mitteile, dass gegen die erneute Zulassung zum Handel keine rechtlichen Bedenken beständen.

Daraufhin hat der Verfügungskläger mit Schreiben vom 26.10.2021 die Verfügungsbeklagte unter Hinweis darauf, dass er diese bzw. die Firma … durch die Aufdeckung und Meldung von Fälschungen in der Vergangenheit aktiv unterstützt habe und unter weiterem Hinweis darauf, dass die wirtschaftliche Existenz seiner Familie gefährdet sei, darum gebeten, die Sperrung der beiden Nutzerkonten wieder aufzuheben. Zugleich hat der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte durch Übersendung einer Abschrift von seinem an die Firma … gerichteten Schreiben vom 25.10.2021 in Kenntnis gesetzt und angekündigt, er werde die Verfügungsbeklagte über den weiteren Fortgang der Angelegenheit auf dem Laufenden halten (Bl. 44 f.).

Die Verfügungsbeklagte hat dann unter Bezugnahme auf dieses Schreiben vom 26.10.2021 unter dem 01.11.2021 erklärt, nach erneuter eingehender Überprüfung des Anliegens des Verfügungsklägers sei auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Ausführungen aufgrund des erheblichen Risikos einer Haftung durch die Verfügungsbeklagte eine Freischaltung der Nutzerkonten derzeit nicht möglich. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Begründung im Schreiben vom 20.10.2021 verwiesen (Bl. 64).

Einen weiteren Austausch mit der Verfügungsbeklagten bis Anfang Dezember 2021 hat der Verfügungskläger nicht dargelegt. Unstreitig hat er sich dann mit Schreiben vom 08.12.2021 wieder an die Verfügungsbeklagte gewandt (Bl. 46). Er hat nun als Anlage die Fotokopie eines Schreibens, das er am selben Tag an die … (im weiteren entsprechend dem Vorbringen des Verfügungsklägers als … bezeichnet) als Rechtsvertreterin der Firma … gerichtet hat, der Verfügungsbeklagten zur Kenntnisnahme übersandt und diese aufgefordert, unverzüglich, spätestens bis zum 17.12.2021, die Löschung der Verkaufsangebote und die Sperrung der beiden Nutzerkonten rückgängig zu machen. Nach erfolglosem Fristablauf werde er seine Ansprüche im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchsetzen.

Die Verfügungsbeklagte ist in ihrem Antwortschreiben vom 15.12.2021 bei ihrem Standpunkt geblieben, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren Schreiben, insbesondere an die Rechtsvertreter der Firma …, aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Störerhaftung ein erhebliches, durch den Verfügungskläger verursachtes Risiko einer Eigenhaftung bestehe. Eine Freischaltung sei daher derzeit ohne eine Rücknahme der durch die Firma … erfolgten Beanstandungen nicht möglich (Bl. 65).

Auf dieses Schreiben hat der Verfügungskläger unter dem 20.12.2021 reagiert (Bl. 47). Er hat hier seine Rechtsauffassung zu einer etwaigen Störerhaftung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH dargestellt. Zudem hat er aus dem Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 15.12.2021 die Passage zitiert, dass seine Angebote „als angeblich rechtswidrig beanstandet“ bezeichnet worden seien und hieraus den Schluss gezogen, dass die Verfügungsbeklagte keine positive Kenntnis von der seitens der Firma … behaupteten Rechtsverletzungen durch ihn habe und auch keine entsprechenden Belege bzw. Nachweise vorlägen. Da es somit auch aus Sicht der Verfügungsbeklagten an einer klaren Rechtsverletzung durch ihn fehle, könne die Verfügungsbeklagte auch nicht von der Firma … als Störer in Anspruch genommen werden. Abschließend hat der Verfügungskläger um kurzfristige Mitteilung gebeten, ob die Einreichung eines Eilantrages beim Landgericht Potsdam noch vermieden werden könne.

Hierauf hat die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom 22.12.2021 reagiert und unter Bezugnahme auf die bisherigen Schreiben ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhalten (Bl. 404).

Erst unter dem 21.12.2021, beim Landgericht eingegangen am 27.12.2021, hat der Verfügungskläger dann das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren eingeleitet.

Aus diesem Verlauf des Schriftverkehrs zwischen den Parteien ergibt sich, dass die Verfügungsbeklagte zu keinem Zeitpunkt Veranlassung zu der Annahme gegeben hat, sie sei zu einer gütlichen Regelung bereit. Vielmehr hat die Verfügungsbeklagte keine Vergleichsbereitschaft erkennen lassen und immer wieder auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt. Daher hätte der Verfügungskläger, um die Eilbedürftigkeit seines Anliegens zu untermauern, spätestens nach Erhalt des Schreibens der Verfügungsbeklagten vom 01.11.2021 das gerichtliche Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz einleiten müssen….“

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