Datenschutzrecht

OLG Hamm: Abgebrochene eBay-Auktionen und die DSGVO

Abgebrochene eBay-Auktionen und die DSGVO – Ersten auf den zweiten Blick ist ein Zusammenhang erkennbar und zwar dann, wenn vermeintliche Geschädigte durch den Abbruch von Auktionen Informationen sammeln und dazu eine Liste von Handelnden anlegen. Dann greift die DSGVO und es können Ansprüche dem Grunde nach bestehen, die auf Löschung nach Art. 17 DSGBO gerichtet sind. So in dem Verfahren, dass das OLG Hamm mit Urteil vom 2. September 2022 (Az.: 11 U 126/21) entschieden hat.Dort wurde eine solche Liste geführt und auch verbreitet. Diese führte zur Geltendmachung von Ansprüche auf Unterlassung, unter anderem begründet mit der DSGVO.

Abgebrochene eBay-Auktionen und die DSGVO – Ansicht des Gerichts

Das Gericht sah in der Liste eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten nch der DSGVO, verneinte aber einen Löschungsanspruch.

Das Gericht führt zur Verarbeitung in den Entscheidungsgründen aus:

„…Gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO gilt diese für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Die in dem streitgegenständlichen Schriftstück enthaltenen Angaben zur Person des Klägers (Name, Geburtsdatum, Anschrift und Beruf) sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Die Erstellung des streitgegenständlichen Schriftstücks mit diesen Daten stellt auch eine Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dar. Auch handelt es sich bei dem elektronischen Dokument um ein Dateisystem im Sinne von Art. 4 Nr. 6 DS-GVO.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Anwendung der DS-GVO auch nicht gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO ausgeschlossen. Danach findet die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift ist durch den Beklagten darzulegen, für den diese Ausnahme günstig ist. Zwar mögen die Voraussetzungen der Ausnahme – wie der Beklagte meint – in seiner Person vorliegen. Die Unanwendbarkeit der DS-GVO erfordert allerdings, dass die Verarbeitung für sämtliche Empfänger des Dokuments eine persönliche Tätigkeit darstellt. Dass dies der Fall ist, ist aber vom Beklagten schon nicht vorgetragen….“

Das Gericht führt unter anderem zu einem Löschungsanspruch nach Art. 17 DSGVO in den Entscheidungsgründen aus:

„…Der Unterlassungsgrund des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO liegt nicht vor, weil die vom Kläger beanstandete Datenverarbeitung nicht unrechtmäßig ist.

Nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 DS-GVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a bis f DS-GVO genannten Bedingungen erfüllt ist. Vorliegend hat der Kläger weder in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten im streitgegenständlichen Schriftstück eingewilligt (Buchst. a), noch sind die in Buchstaben b bis e genannten Voraussetzungen gegeben.

Rechtmäßig ist die vom Kläger bekämpfte Verarbeitung seiner Daten in dem vom Beklagten verbreiteten elektronischen Dokument nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO mithin nur dann, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Beklagten oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers als betroffener Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Die Datenverarbeitung ist danach unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: erstens muss von dem Beklagten oder von den übrigen Mitgliedern des E-Mail-Verteilers als Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden; zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin nicht überwiegen (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – VI ZR 488/19, juris Rn. 24).

Die drei genannten Voraussetzungen einer rechtmäßigen Datenverarbeitung sind erfüllt. Wie bereits unter II. 1. a) ausgeführt, hatten der Beklagte und die übrigen Mitglieder des E-Mail-Verteilers ein berechtigtes Interesse daran, Informationen und Erfahrungen über die mit dem Kläger oder seinem Bruder geführten Zivilprozesse aus dem Anlass abgebrochener ebay-Auktionen auszutauschen. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten aus der Sozialsphäre des Klägers war zur Verwirklichung dieses Interesses erforderlich, um den Kläger für die Teilnehmer des Austausches sicher zu identifizieren. Schließlich überwiegen die Interessen und Grundrechte des Klägers nicht gegenüber den von den Teilnehmern des E-Mail-Verteilers verfolgten berechtigten Interessen.

Die gebotene Gesamtabwägung führt im vorliegenden Fall dazu, dass sich die Verarbeitung insgesamt als rechtmäßig erweist.

Maßgeblich im Rahmen der Abwägung sind (allein) die Unionsgrundrechte, da sich der Anspruch nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO nach dem unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrecht beurteilt (BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019 – 1 BvR 276/17, juris Rn. 42 ff.; BGH, Urteil vom 27.07.2020 – VI ZR 405/18, juris Rn. 25). Auf Seiten des Klägers ist dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRCh) in die Abwägung einzustellen, während auf Seiten des Beklagten dessen Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 11 Abs. 1 GRCh zu berücksichtigen ist. Wie die Grundrechte des Grundgesetzes gewährleisten auch die Grundrechte der Charta Schutz nicht nur im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten. Eine Lehre der „mittelbaren Drittwirkung“, wie sie das deutsche Recht kennt, wird der Auslegung des Unionsrechts dabei zwar nicht zugrunde gelegt. Im Ergebnis kommt den Unionsgrundrechten für das Verhältnis zwischen Privaten jedoch eine ähnliche Wirkung zu. Die Grundrechte der Charta können einzelfallbezogen in das Privatrecht hineinwirken (BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019 – 1 BvR 276/17, juris Rn. 96 f.; BGH, Urteil vom 27.07.2020 – VI ZR 405/18, juris Rn. 25).

Schutzbereich und Wirkungen der vorgenannten europäischen Grundrechte sind in Bezug auf den vorliegenden Zivilrechtsstreit mit den ihnen entsprechenden Grundrechten des Grundgesetzes, auf Seiten des Klägers dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, auf Seiten des Beklagten dem Recht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 GG, vergleichbar. Die Unionsgrundrechte bilden zu den Grundrechten des Grundgesetzes ein Funktionsäquivalent (BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019 – 1 BvR 276/17, juris Rn. 59) und werden auch von der Rechtsprechung in Fällen gleichgelagerter Fragestellungen auch als einheitlicher Prüfungsmaßstab formuliert (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27.02.2018 – VI ZR 489/16, juris Rn. 51). Die hier auf der Grundlage der GRCh gebotene Gesamtabwägung entspricht nach der Auffassung des Senats damit derjenigen, die bereits im Rahmen der Prüfung einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts anzustellen war und geht aus den oben dargestellten Gründen zu Gunsten des Beklagten aus.

(2) Auch der Unterlassungsgrund des Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO ist nicht gegeben. Denn für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers, der er widersprochen hat, liegen jedenfalls vorrangige berechtigte Gründe der Mitglieder des E-Mail-Verteilers im Sinne des Art. 17 Abs.1 Buchst. c Halbsatz 1 DS-GVO vor. Die auch insoweit gebotene Gesamtabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis als die zu Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorgenommene Abwägung…“

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