So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 30. August 2024 (Az.: 6 U 25/24) in einem Rechtsstreit zwischen zwei Wettbewerbern, die sich wechselseitig wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) abgemahnt hatten. Nach Geschäftsaufgabe des Beklagten war nur noch über die Kosten des ursprünglichen Verfahrens hinsichtlich eines ursprünglichen Unterlassungsanspruchs zu entscheiden, der sich auf einen Verstoß gegen § 4 Nr.4 UWG bezog, da der Beklagten bestimmten Produkte, Spagetti mit einem Erfrischungstuch in Kombination verkauft hatte. So konnten Mitbewerber mangels Möglichkeit des Verkaufs entsprechender Produkte sich nicht mehr an das Angebot (ASIN) für das Hautprodukt „anhängen“. Darin sah das Gericht einen Verstoß gegen § 4 Nr.4 UWG und führt in den Entscheidungsgründen des Urteils unter anderem aus:
„…Nach den vorgelegten Richtlinien von B. für die Erstellung von B. Standard-Identifikationsnummern, kurz T. (Anlage K6 in 84 O 132/23, Bl. 49 ff. GA), darf ein Produkt nur einmal unter einer solchen T.“ angeboten werden. Dies hat zur Folge, dass der erste Anbieter eines bestimmten Produktes ein Angebot erstellen muss, an das sich weitere Anbieter „anhängen“ können, aber auch dürfen und müssen. Den weiteren Anbietern ist es hiernach untersagt, für dasselbe Produkt ein neues Angebot unter einer neuen T. zu erstellen…
Dies hat, wie der Senat bereits in anderer Sache festgehalten hat (Senat GRUR-RR 2021, 311 Rn. 39 – American Food and Drinks), zur Folge, dass der erste Anbieter eines bestimmten Produkts durch die Gestaltung des ersten Angebots, mit dem die T. angelegt wird, zahlreiche Vorgaben machen kann, insbesondere als Markeninhaber. So kann er – wie die Beklagte im Streitfall – eine eigene Marke in das mit der T. verknüpfte Angebot dergestalt einpflegen, dass diese zwingend bei weiteren Angeboten von anderen Verkäufern, die denselben Artikel auf der Plattform anbieten wollen, ebenfalls erscheint, wodurch diese sich aber – da sie das Erfrischungstuch nicht mit anbieten – der Gefahr einer Markenverletzung aussetzen. Hierdurch kann die Beklagte die Angebote für eine bestimmte Produktkategorie für sich monopolisieren und Wettbewerber faktisch ausschließen, zumal sie es nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers (S. 5 der Klageschrift vom 29.09.2023, Bl. 6 GA) in der Hand hat, ob sie Anträge von Mitbewerbern auf Freischaltung für das „Anhängen“ an ein von ihr erstelltes Angebot positiv bescheidet. Anders als in der genannten Senatsentscheidung besteht zwar im Ausgangspunkt insofern ein Anlass für die Nennung der Marke „Y.“, als die Beigabe Erfrischungstuch mit dieser Marke gekennzeichnet ist. Gleichwohl besteht unter den Umständen des Streitfalls kein rechtfertigender Grund für dessen Aufnahme in Artikelbild und Beschreibung, nachdem es sich nach dem objektiven Erscheinungsbild um eine in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Produkt selbst stehende Beigabe mit dem Markenaufdruck der Beklagten handelt. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass ihr ein solches Kopplungsangebot im Interesse der Wettbewerbsfreiheit ermöglicht werden müsste, nachdem sie im Streitfall weder dargelegt hat noch erkennbar wäre, inwieweit die Beigabe eines Artikels mit einem Wert im Cent-Bereich, zumal mit einer weitgehend unbekannten Marke, einen verkaufsfördernden Effekt herbeiführen sollte. Vielmehr verstößt die Beklagte hiermit auch gegen die T.-Richtlinien von B., in denen folgende Verhaltensweise als Missbrauch von Varianten von T.‘s gekennzeichnet wird (vgl. Anlage K6, dort S. 3, Bl. 51 GA):
„Hinzufügen von falschen untergeordneten Varianten, die keine echten Varianten des übergeordneten Produkts sind. Hierzu zählen unter anderem:
o Hinzufügen von Produkten, die sich grundlegend von der übergeordneten T. unterscheiden
o Hinzufügen von Produktbildern und/oder -namen, die grundlegend von der übergeordneten T. abweichen“
Demnach hat die Beklagte ein Produkt, nämlich das Erfrischungstuch, hinzugefügt, das sich grundlegend von der übergeordneten T. (für die Spaghetti) unterscheidet und so eine – nach der B.-Definition – falsche Produktvariante erstellt.
Es geht im Streitfall – anders als die Beklagte meint – nicht darum, ob ein Verstoß gegen diese Richtlinien, die vertragliche Regelungen zwischen B. und den jeweiligen Marketplace-Händlern darstellen, für sich genommen die Unlauterkeit begründen kann (vgl. hierzu OLG Hamm MMR 2011, 241 – Drei Angebote). Der Senat verkennt insbesondere nicht, dass die Durchsetzung der insoweit geltenden Vorgaben grundsätzlich im Verhältnis der jeweiligen Vertragspartner erfolgen sollte, mithin indem B. auf vertraglicher Grundlage gegen die Verletzung seiner Richtlinien durch die Beklagte einschreitet (vgl. hierzu OLG Hamm MMR 2011, 241, 242). Denn das bloße Sich-Hinwegsetzen über Vertragsbedingungen reicht für die Bewertung einer geschäftlichen Handlung als wettbewerbswidrig regelmäßig nicht aus, weil dies zu einer Verdinglichung schuldrechtlicher Pflichten führte, die mit der Aufgabe des Wettbewerbsrechts nicht im Einklang stünde. Erforderlich ist auch insoweit das Hinzutreten besonderer Umstände, die das Wettbewerbsverhalten als unlauter erscheinen lassen (BGH GRUR 2014, 785, 788 Rn. 35 – Flugvermittlung im Internet). Solche Umstände liegen im Streitfall vor, in dem nicht der Unlauterkeitstatbestand des Rechtsbruchs (§ 3a UWG), der für privatautonome Regelungen keine Anwendung findet (vgl. nur Köhler/Odörfer, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3a Rn. 1.57 m.w.N.), sondern derjenige der unlauteren Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) einschlägig ist. Insofern hat auch das Oberlandesgericht Hamm es in der genannten Entscheidung für möglich gehalten, dass eine gezielte Behinderung durch Verstöße gegen Plattformbedingungen vorliegen kann, dies allerdings unter den Randbedingungen des dort zu beurteilenden Sachverhaltes verneint. Denn der dortige Anspruchsgegner hatte sich nicht zwischen den Unterlassungsgläubiger und die Kunden gestellt, sondern durch einen Verstoß gegen die Grundsätze zur Einstellung von identischen Angeboten lediglich für seine erhöhte Sichtbarkeit in der Suchliste gesorgt.
Anders liegt es im Streitfall, bei dem die Gesamtschau der Umstände die Unlauterkeit der Behinderung begründet. Denn die Eintragung der Bezeichnung, die nicht der Marke des Hauptprodukts entspricht, erfolgt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht, um den eigenen Wettbewerb zu fördern, sondern alleine, um den Wettbewerb von Dritten zu behindern und damit im Sinne einer gezielten Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG (vgl. hierzu BGH GRUR 2008, 621, 624 Rn. 32 – AKADEMIKS).Die Beklagte hält durch ihre Vorgehensweise die Verbraucher vom Erwerb der gleichen Gebindegröße von Mitbewerbern wie dem Kläger ab, weil dieser sich nicht (jedenfalls nicht ohne Risiko der Markenverletzung) an das Angebot „anhängen“ kann und insofern vollständig am Angebot eines gleichartigen Produkts in gleichartiger Menge gehindert wird. Es kommt hinzu, dass hierdurch die für den Verbraucher wesentliche Möglichkeit, den Verkäufer mit dem günstigsten Verkaufspreis auszuwählen, vereitelt werden kann (vgl. Senat GRUR-RR 2021, 311 Rn. 45 – American Food and Drinks). Bei dieser Sachlage verfängt auch der Einwand der Beklagten nicht, dem Kläger sei es unbenommen, sich an eine T. „anzuhängen“, bei der ein Produkt nicht als Set angeboten wird (S. 9 der Klageerwiderung vom 03.11.2023, Bl. 114 GA). Denn der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass es für erfolgreiche Händler auf dem B. Marketplace von entscheidendem Interesse ist, große Gebinde mit im Verhältnis entsprechend geringen Versandkosten anzubieten, weil ansonsten (bei Einzelangeboten) die Versandkosten in Relation zum Produktpreis für den Verbraucher nicht mehr attraktiv sind, weil sie fast den Kaufpreis des Lebensmittels erreichen, was gerade auf das hier streitgegenständliche Produkt zutrifft (S. 6 des Schriftsatzes vom 16.11.2023, Bl. 187 GA). Wenn die Beklagte – wie im Streitfall – ein Gebinde mit sechs Packungen durch Nennung ihrer Marke für sich beansprucht hat, ist dem Kläger die Nutzung dieser T. jedenfalls faktisch verwehrt, weil er sonst Gefahr liefe, die Marke der Beklagten unberechtigt zu verwenden. Es liegt mithin gerade nicht die – lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstandende – Fallgestaltung vor, dass dem Verbraucher die Möglichkeit zum Einkauf zu denselben wirtschaftlichen Vorteilen auch bei dem Kläger überlassen bleibt und dieser erst aufgrund einer autonomen Entscheidung das Angebot der Beklagten wahrnimmt (vgl. hierzu Wille, in: Büscher, UWG, 3. Aufl. 2024, § 4 Nr. 4 Rn. 46 m.w.N.). Vielmehr „fängt“ die Beklagte die Kunden, die sich – wegen der ansonsten hohen Versandkosten im Vergleich zum Warenwert – allein für größere Gebinde der angebotenen Ware interessieren, von vornherein ab, indem sie ein auf sich selbst zugeschnittenes und mit ihrer Marke untrennbar verbundenes Angebot in attraktiven Gebindegrößen erstellt hat…“