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BGH: Konkretisierung der Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 72 III 2 Biozidverordnung bei Hinweisen zur Hautverträglichkeit von Desinfektionsprodukten

In seinem Urteil vom 23. Januar 2025 (Az.: I ZR 197/22) sieht das Gericht in einem Rechtsstreit der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V. gegen ein Unternehmen, dass einen Handschaum mit einer desinfizierenden Wirkung beworben hatte, einen Unterlassungsanspruch bezogen auf folgende Angaben:

  • „Sanft zur Haut“
  • „Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“
  • „Konsumenten sind überzeugt – 100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“

Das Gericht sieht in den Angaben „ähnliche Hinweise“ im Sinne des Art. 72 III 2 und führt in den Entscheidungsgründen des Urteils unter anderem aus:
„…Unter Berücksichtigung des Ziels der Biozidverordnung fallen Hinweise, die die Risiken dieser Biozidprodukte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder hinsichtlich ihrer Wirksamkeit weder verharmlosen noch ausschließen, grundsätzlich nicht unter das in Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO vorgesehene Verbot der Verwendung in der Werbung für Biozidprodukte. Dagegen kann es nicht erlaubt sein, Werbeaussagen für Biozidprodukte zu verwenden, die sich auf das Fehlen von Risiken oder ein geringes Risiko oder auf bestimmte positive Wirkungen dieser Produkte beziehen, um diese Risiken zu verharmlosen oder sie sogar zu negieren. Solche Angaben können eine übermäßige, nachlässige oder fehlerhafte Verwendung dieser Produkte fördern, was dem Ziel zuwiderläuft, ihren Einsatz zu minimieren (vgl. EuGH, GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 44 f.] – dm- Drogerie Markt).
cc) Nach diesen Maßstäben fallen die von der Klägerin beanstandeten Aussagen „Sanft zur Haut“, „Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ sowie die Angabe „Konsumenten sind überzeugt – 100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“ als „ähnliche Hinweise“ unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO.
(1) Alle drei Angaben heben eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor, während sie keinerlei Risiken erwähnen. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung unerheblich, dass mit den Angaben konkret auf das Empfinden und die Reaktion der Haut abgestellt wird und keine generalisierenden Begriffe verwendet werden. Für die Feststellung, ob ein Hinweis, der sich auf ein Biozidprodukt bezieht, unter den Begriff „ähnliche Hinweise“ im Sinn von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO fällt, ist ein möglicher all- gemeiner (oder spezifischer) Charakter der Angabe nicht von Belang (vgl. EuGH, GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 39] – dm-Drogerie Markt). Die mit der Klage beanstandeten Angaben sind dadurch auch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts, insbesondere schädliche Nebenwirkungen des Produkts, zu verharmlosen. Anders als die Revisionserwiderung meint, gilt dies unabhängig davon, ob in der angegriffenen Werbung darüber hinaus gesagt oder suggeriert wird, das Produkt sei insgesamt und mit allen seinen Wirkungen unschädlich, natürlich, ungiftig oder ähnlich harmlos. Die Betonung positiver Eigenschaften kann zudem in Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren, zu einer übermäßigen Verwendung des Desinfektionsmittels führen (zur Angabe „Hautfreundlich“ vgl. EuGH, GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 46] – dm-Drogerie Markt; BGH, GRUR 2024, 1736 [juris Rn. 32] – Hautfreundliches Desinfektionsmittel II). Da die in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO genannten Angaben einschließlich der „ähnlichen Hinweise“ eine abstrakte Irreführungsgefahr begründen, bedarf es keiner tatgerichtlichen Feststellungen zu einer konkreten Irreführung durch die streitgegenständlichen Angaben (vgl. BGH, GRUR 2024, 1736 [juris Rn. 32] – Hautfreundliches Desinfektionsmittel II)…“

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