In seinem Beschluss vom 22. Oktober 2025 (Az.: I ZR 192/24) in einem Rechtsstreit, in dem es um einen Widerruf eines Maklervertrages und daraus resultierende Ansprüche bzw. Nicht-Vorliegen von Ansprüchen geht, stellt der BGH dem EuGH unter anderem folgenden Vorlagefrage:
„Beginnt die vierzehntägige Widerrufsfrist des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU zu laufen, wenn der Unternehmer dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular nicht zur Verfügung gestellt hat?“
Hintergrund ist, dass die nationalen Vorschriften des BGB eine Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie darstellen und hier bei bestehender Unklarheit der EuGH vorgaben tätigen soll. Das Gericht führt in seinem Beschluss zu seiner aktuell bestehenden Rechtsansicht unter anderem aus:
„…Fraglich ist allerdings, ob die vorgenannten Grundsätze auch dann gelten, wenn der Unternehmer den Verbraucher entgegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU allein unzureichend über das Muster-Widerrufsformular informiert hat.
Für den Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist in einem solchen Fall könnte sprechen, dass der Verbraucher durch die ihm zur Verfügung gestellte Widerrufsbelehrung Kenntnis von den Bedingungen, den Fristen und dem Verfahren für die Ausübung seines Widerrufsrechts erlangt sowie in die Lage versetzt wird zu entscheiden, ob er den Fernabsatzvertrag mit dem Unternehmer abschließen möchte oder nicht. Die Überlassung des Muster-Widerrufsformulars ist demgegenüber nicht geeignet, die Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen, den Fernabsatzvertrag zu schließen oder nicht (EuGH, NJW 2019, 1363 [juris Rn. 46] – Walbusch Walter Busch). Der Verbraucher ist auch nicht gezwungen, zur Ausübung seines Widerrufsrechts auf das Muster-Widerrufsformular zurückgreifen, sondern kann – wie vorliegend geschehen – den Widerruf in anderer Form erklären. Im Streitfall enthielt die Widerrufsbelehrung der Beklagten zudem – anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2025 (NJW 2025, 1479 [juris Rn. 3 und 26]) zugrundeliegenden Fall – einen Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular. Dem Verbraucher wurde dadurch die erforderliche Kenntnis vermittelt, um sich das Muster-Widerrufsformular – falls er darauf zurückzugreifen beabsichtigte – selbst zu beschaffen.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Unionsgesetzgeber die Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars vorgesehen hat, um das Verfahren zur Ausübung des Widerrufsrechts zu vereinfachen (vgl. Erwägungsgrund 44 Satz 2 der Richtlinie 2011/83/EU). Bei fehlender Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars wird der Verbraucher daran gehindert, sein Widerrufsrecht unter denselben (erleichterten) Bedingungen auszuüben, wie wenn der Unternehmer ihm das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung gestellt hätte (vgl BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 64 und 67]; NJW 2025, 1479 [juris Rn. 25 f.]). Außerdem hat der Unionsgesetzgeber in Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU die Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars ausdrücklich zusätzlich zu der Erteilung der Widerrufsbelehrung vorgeschrieben. Die unterbliebene Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars führt daher zum vollständigen Fehlen einer gesetzlichen Pflichtinformation. Dies könnte dafür sprechen, dass die Überlassung des Muster-Widerrufsformulars kraft Gesetzes eine wesentliche Information darstellt (vgl. BGH, NJW 2025, 1479 [juris Rn. 25 f.]), deren Vorenthaltung den Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist hindert. Dabei könnte zu berücksichtigen sein, dass der Verstoß des Unternehmers gegen seine gesetzliche Pflicht, das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen, andernfalls sanktionslos bliebe (zur Richtlinie 2008/48/EG vgl. EuGH, NJW 2022, 40 [juris Rn. 125] – Volkswagen Bank u. a.)…“